Lady Susan, Jane Austen, gelesen von Eva Mattes, Argon
Verlag
Zum 200. Todestag wollte ich nun endlich den letzten Roman
von Jane Austen lesen, den ich noch nicht kannte. Bislang hatte ich Lady Susan
immer gemieden, weil es a) ein Briefroman ist und b) unvollendet. Nun stand das
Jahresende kurz bevor, das Buch noch nicht mal in meinem Regal, aber der
Hörbuchkonsum gerade durch mehrere Krankheitswellen explodiert, daher griff ich
zum Hörbuch!
Lady Susan ist eine für ihre Schönheit, ihre Anmut und ihren
Charme gepriesene Schönheit, trotz ihrer reifen 35 Jahre sieht sie mindestens
10 Jahre jünger aus. Doch so schön und anmutig ist auch ist, so zweifelhaft ist
auch ihr Ruf, sie ist nicht nur ein gesellschaftlich akzeptabler Flirt. Frisch
verwitwet zieht die verarmte Lady mit ihrer 16 jährigen Tochter Frederica zu
ihrer Freundin Alicia, die mit einem reichen, aber älteren und gesundheitlich
sehr eingeschränkten Mann verheiratet ist. Dort verdreht sie sowohl dem Ehemann
des Mündels ihres Gastgebers, als auch dem Verlobten von dessen Schwester den
Kopf. Letzterer ist ein reicher junger Mann von Stand, mit besserem Seh- als
Urteilsvermögen, der daraufhin Frederica einen Heiratsantrag macht, sehr zum
Gefallen von Lady Susan und zum Missfallen der Erwählten. Ehe sie vor die Tür
gesetzt werden kann, lädt sie sich bei ihrem Schwager ein, dessen Vermählung
sie vor 6 Jahren zu verhindern versuchte und bringt ihre Tochter, die ihre
Liebe zu Intrigen und Affairen nicht teilt, in ein Pensionat für höhere
Töchter. Auf dem Sitz ihres Schwagers droht Langeweile, bis der jüngere,
schneidige Bruder ihrer Schwägerin auftaucht, der schon von ihrem Ruf so
einiges gehört hatte.
Lady Susan sticht aus dem Werk der Autorin wirklich heraus.
Anders als ihre sonstigen Heldinnen ist sie nicht sympathisch und schon gar
nicht naiv oder ungestüm. Ich bin froh, daß ich es nicht wie Northanger Abby
mit Anfang 20 gelesen habe, sondern sehr viel später. Emma fand ich damals auch
anfangs ziemlich unsympathisch, wie selbstgerecht sie mit dem Schicksal ihrer
Freunde und Bekannten spielt! Aber als ich älter wurde, bekam ich Verständnis,
sowohl für ihre Langeweile, als auch ihr wohlmeinenden Absichten. Diese kann
man Lady Susan beim besten Willen nicht unterstellen. Auch sie taktiert und
manipuliert, aber stets mit ihrem eigenen Wohl im Blick und völlig blind
gegenüber den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Mitmenschen, allen voran ihrer
Tochter, die sie verabscheut, da sie ihr nicht ähnelt, außer daß auch sie
ausgesprochen hübsch ist, aber nach ihrem Vater kommt. Die Doppelzüngigkeit und
Intrigen machen Spaß, aber mögen kann man Lady Susan nicht. Da hat es ihre
Gegenspielerin, ihre Schwägerin beim Zuhörer deutlich leichter, ebenso wie
Frederica, die in ein schlechtes Licht zu rücken, Lady Susan sich in ihrem Briefen,
äußerst bemüht. Sprachlich finde ich Jane Austen wieder brillant, auch in der
Übersetzung macht ihre äußerst differenzierende und treffende Ausdrucksweise
Spaß. Gerade die Briefwechsel zwischen Lady Susan und Alicia Johnson bereiten
in ihrer Boshaftigkeit viel Vergnügen, so nahm Jane Austen eigentlich schon die
alternativen Tatsachen vorweg, als sie Alicia erkennen ließ: „Tatsachen sind
einfach schreckliche Spielverderber!“. Allerdings hat Lady Susan in ihrer
Schwägerin eine ebenbürtige Gegnerin gefunden, die aufgrund der Erfordernisse
ebenfalls ums Taktieren und Ränkeschmieden nicht umhinkommt, wenn auch mit
deutlich edleren Motiven.
Leider endet der Briefwechsel etwas abrupt, zum einen, weil
ihrer Freundin Alicia der Kontakt zu Lady Susan untersagt wird und zum anderen,
weil die übrigen Protagonisten an einem Ort vereint sind und somit keinen
Anlass mehr haben, miteinander zu korrespondieren. Da hat sich Jane Austen wohl
selbst in ein Dilemma gebracht, obwohl sie durchaus einen Plan für den Ausgang
des Romans hatte. Dieses Ende des Romans wird dann auch, anders als der
Haupteil, erzählt. Das Ende ist auch durchaus befriedigend, da jeder erhält,
was er verdient.
Sehr gut gefällt mir die Aufmachung dieses Hörbuches, das
als Klassiker ein Booklet enthält, daß auch Jane Austen Neulingen einen
Überblick über deren Leben und Wirken vermittelt, als auch dieses für die
Autorin sehr untypische Werk zeitlich und inhaltlich zu positionieren versucht.
Allerdings hätte ich mir gewünscht, daß auf der Rückseite des Booklets, dessen
Cover ein sehr herrschaftliches Anwesen zeigt, ein Personenverzeichnis
abgedruckt wäre. Diese Rückseite ist frei und da es sich um einen Briefroman
handelt, der somit zu Beginn keine Einführung in die Personen und ihre
Beziehungen enthält, wäre ein solches Kurzverzeichnis sehr hilfreich. Nach
mehrmaligem Hören konnte ich alle Briefe gut einordnen, aber sofern man nicht
auf dem Sofa liegend das Hörbuch hört, sondern nebenbei noch Auto fährt oder
etwas anderes macht, kann man beim ersten und zweiten Hören etwas durcheinander
kommen, was einfach an der Natur des Genres liegt.
Eva Mattes überrascht mich stets beim Hören. So empfinde ich
sie als Schauspielerin oft als recht kühl und bisweilen schroff, während ihre
Stimme sowohl warme Stimmungen und Persönlichkeiten, als auch die hinterlistige
Perfidie und Doppelzüngigkeit von Lady Susan sehr gut zur Geltung bringt. Sie
wird Jane Austens Werk absolut gerecht.
Ich liebe Jane Austen und ihre Sprache bereitet mir immer
wieder von neuem Vergnügen, egal, wie oft ich ihre Werke lese, höre oder sehe.
Dennoch gibt es einen Punktabzug, da der Wechsel von Briefwechsel zu recht
kurzer Zusammenfassung des Romanendes doch etwas abrupt ist und nicht von ihrer
üblichen Eleganz. Auch wäre eine Vorstellung der Protagonisten auf Grund der
Erzählform hilfreich gewesen, für diejenigen, die dieses Werk noch nicht
kennen.
Eine Autorin, die auch 200 Jahre nach ihrem Tod ihren Reiz
nicht verloren hat und zu recht unsterblich wurde, durch ihr Werk. Ich bin sehr
froh, über diesen Neuzugang in meinem CD-Regal, da der Roman wirklich toll
umgesetzt wurde. 4 von 5 Sternen.
Ganz herzlichen Dank an den Argon Verlag, der mir mit diesem
Rezensionsexemplar einen Herzenswunsch erfüllt hat.
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