Dienstag, 30. April 2019

Ein Tropfen vom Glück, Antoine Laurain, ungekürzt gelesen von Steffen Groth, DAV



Ein Tropfen vom Glück, Antoine Laurain, ungekürzt gelesen von Steffen Groth, DAV

Im Jahre 2017 wird Hubert Arnodie von Dieben in seinem Keller, des altehrwürdigen bourgeoisen Mehrfamilienhauses in einem angesehenen Pariser Viertel eingesperrt. Er hatte gerade inmitten des Plunders, der sich seit der Erbauung durch seinen Vorfahren dort angesammelt hatte, eine alte Flasche Wein aus dem Jahre 1954 entdeckt. Der etwas schrullige Hubert befürchtet die Nacht dort verbringen zu müssen, als ausgerechnet der amerikanische Arbnb Tourist Bob ihn hört und die junge Restaurateurin Magalie und den ebenfalls jungen Barman Julien zu Hilfe holt. Erleichtert lädt Hubert seine Befreier zu sich auf ein Glas des alten Weines ein. Es wird trotz der Altersunterschiede und der ganz verschiedenen sozialen Hintergründe und Lebensabschnitte ein sehr netter und langer Abend. Als sie ihn für beendet erklären, stellen sie fest, daß sie im Paris des Jahres 1954 gelandet sind, dem Jahrgang des Weines und eines Jahres voller Ufo-Sichtungen. Julien erinnert sich, daß sein Großvater damals auch ein Ufo in der Weinregion-Beaujolais sah, ein Umstand der ihn für immer prägte. Er schrieb sogar ein verkanntes Buch darüber, da er einen Zusammenhang zwischen Ufo-Erscheinungen und Zeitreisen sah. Auf dem Weg zu diesem Ufo-Experten lernen sie sich, das damalige Paris und seine legendären Stars kennen, bis sie letztlich das Glück finden.

Dies ist eine leichte charmant-beschwingte Zeitreise in das Paris der 50er Jahre, in dem man unbefangen den ganz Großen ihrer Zunft wie Audrey Hepburn, Hubert de Givenchy, Jean Gabin, Edith Piaf und Francois Truffaut begegnen konnte. Mit Staunen und Genuss erleben die Vier das Pulsieren der Stadt und vor allem Hubert überwindet die inneren Grenzen seines Denkens, Bob findet Hilfe in einem Beichtstuhl und Julien überkommt endlich seine eigene Schüchternheit gegenüber Magalie, genannt Abby (aufgrund der frappierenden Ähnlichkeit zur liebenswert exzentrischen Forensikerin aus der amerikanischen Serie NCIS).

Das Klappcover ist sehr liebevoll gestaltet z.T. Mit alten schwarz-weiß Fotografien an der Seine und in Cafés. Es werden sofort Szenen aus alten Filmen der damaligen Zeit vor dem inneren Auge wach.

Es ist eine charmante Wohlfühlgeschichte, bei der mir besonders die unbefangenen Begegnungen mit den großen Legenden ihrer Zeit und das Eintauchen in die historischen Markthallen „Les Halles“ (heute liegt unter ihnen die größte Pariser Metrostation, die man unbedingt meiden sollte) gefallen haben. Leider hat dieser Charme es nicht geschafft mir das Herz zu wärmen und echte Emotionen hervor zu rufen. Das mag vielleicht an überzogenen Erwartungen liegen, aber meist bin ich auf diesem Gebiet recht flexibel. Ich denke aber, daß es vor allem am Sprecher Steffen Groth liegt. Steffen Groth ist ein sehr bekannter und viel gesehener Fernsehschauspieler Jahrgang 1974, gutaussehend und sympathisch, dessen Stimme mir in Kombination mit seiner Optik nie Probleme bereitet haben. Hier versucht er jedoch die verschiedenen Charaktere vor allem durch unterschiedliche Stimmen darzustellen, statt durch subtile Emotionen. Besonders bei Bob und Hubert klingt er mir zu gepresst und beide klingen für mich daher auf unterschiedliche Weise vertrottelt, der eine versnobt vertrottelt, der andere amerikanisch-klischeehaft vertrottelt. Das hat bei mir eine unerwünschte emotionale Barriere aufgebaut. Wenn man genau auf den Text achtet, ist Bob eigentlich liebenswert, wenn auch sehr klischeebehaftet amerikanisch. Aber sein viel zu breiter aufgesetzter Akzent ist mir bisweilen richtiggehend auf die Nerven gegangen. Julien und Magalie gefielen mit deutlich besser, ebenso wie die Promis mit ihren kurzen Gastauftritten. Auch an seiner Erzählstimme habe ich nichts auszusetzen. Aufgrund der großen Bedeutung der zwei Mithauptfiguren Bob und Hubert, ist diese Interpretation der sympathisch angelegten Figuren ein echtes Manko. Die Aufnahmequalität und auch die Balance sind absolut tadellos. Ich konnte Steffen Groth stets gut verstehen, ohne die Lautstärke zu variieren.

Diese Geschichte dreht sich auf locker-leicht französische Art um Savoir-Vivre, Lebensfreude,  Freundschaft und auch Liebe. Vier Gestrandete auf der unbewußten Suche nach dem Glück. Ich könnte es mir sehr gut als Film vorstellen, hier wird immer wieder „Die fabelhafte Welt der Amelie“ angesprochen, aber mir kam mehr „Zusammen ist man weniger allein“ von Anna Gavalda oder „Wenn wir zusammen sind“ von Marc Levy in den Sinn. Augenblicke voller Leichtigkeit und Lebensfreude und Freundschaft. Für diese beschwingte Erzählweise ist der Pariser Antoine Laurain inzwischen berühmt. Ihm gelang der Durchbruch mit „Liebe mit zwei Unbekannten“ und auch „Der Hut des Präsidenten“ war ein weltweiter Bestseller. Für mich eigentlich einer der Vertreter einer sehr willkommenen literarischen Gegenbewegung zu vielen französischen Autoren, bei denen die Liebe oft kein gutes Ende nimmt, ständige Dreiecksbeziehungen zu Drama und Depression pur führen. Stattdessen konzentriert er sich auf positives Lebensglück, welches ich zwar gehört, hier aber leider nicht gefühlt habe.

Daher kann ich dieser schönen Geschichte leider nur mittelmäßige 3 von 5 Sternen geben. 

Ich bedanke mich ganz herzlich beim DAV-Verlag für das Rezensionsexemplar dieses absoluten Wunschhörbuchs.

Montag, 29. April 2019

Holunder Trotz – Ein Troll für alle Fälle, Antje Leser, Thomas Hussung, Ueberreuter Verlag



Holunder Trotz – Ein Troll für alle Fälle, Antje Leser, Thomas Hussung, Ueberreuter Verlag

In der Märchenwelt sind Trolle den meisten Bewohnern suspekt. Doch der große starke Troll mit Tolle Holunder Trotz arbeitet daran, daß zu ändern. Er ist staatlich anerkannter und vom staatlichen KonTrollAmt zertifizierter Privatdetektiv. Bislang konnte er schon einige wirklich knifflige Fälle lösen (auch wenn seine Rolle in den Märchenbüchern einfach verkannt wird), doch der neue Auftrag hat es in sich! König Leopold der Unersättlich beauftragt ihn, seinen verschwundenen goldenen Reichsapfel zu finden. Meine Güte, was für ein Monarch! Als ob er nicht genügend Gold für einen neuen hätte. Aber so einfach ist es nicht, informiert ihn seine NIPA (netzbasierte, intelligente, persönliche Assistentin) Amanda, eine hochmoderne Kristallkugel, für alle Fälle: ein Reichsapfel ist das Symbol der königlichen Macht, wer ihn besitzt, darf regieren.
Kaum dass er die Ermittlungen aufgenommen hat, mischt sich die Tochter des Herrschers ein: Prinzessin Estrildis will den Ermittler unterstützen und begleiten. Das gefällt dem schnieken Jungtroll so gar nicht, aber wenn man in den feinsten Kreisen ermittelt, kann so eine Prinzessin an der Seite sehr praktisch sein.

Ein großes Lob an den Verlag für die Gestaltung des Buches! Auch wenn es für Leser ab 10 Jahren empfohlen wird, ist es illustriert und Schriftgröße und Zeilenabstand sind sehr komfortabel. Da macht das Lesen gleich noch mehr Spaß, vor allem Kindern, die sich mit dem Lesen noch schwertun. Dabei kommt der Spaß hier wirklich nicht zu kurz. Denn hier werden eigentlich sämtliche Märchenklischees auf den Kopf gestellt! Zur Demonstration seiner Ermittlerqualitäten nennt Holunder zunächst seine bereits erfolgreich gelösten Fälle und irgendwie hatten wir diese Märchen anders in Erinnerung. Das ist sehr witzig und es macht echt Spaß, aus seinen Erzählungen die Märchentitel zu erraten.
Die Herzen eventuell mitlesender Eltern gewinnt der sympathische Jungtroll, mit den nicht immer ganz korrekten Umgangsformen, mit seiner unverhohlenen Leidenschaft für einen kräftigen Trollofee zur Stärkung. Das genaue Rezept gibt er zwar nicht preis, aber so ein Muckefuck mit Cayennepfeffer ist wirklich nur für ganz Ausgeschlafene.

Der König hat zu Beginn keine Ahnung, wer hinter der schändlichen Tat stecken könnte. Auch Holunders Ermittlungen bringen ihn zu Beginn nicht weiter. Aber zum Glück bekommt er ja ungewollte Verstärkung. Die Prinzessin ist sehr resolut und das Geplänkel zwischen diesen Partnern wider Willen ist wirklich amüsant. Außerdem gibt es ja noch die hochmoderne Amanda, die sich auch gerne zu Wort meldet und auf deren vielfältigen Funktionen wir auch nur zu gerne zugreifen könnten. Zum Glück sind die Ermittlungen witzig und nicht klamaukig, denn es geht immerhin um ein ernstes Thema. Das Reich ist bedroht! Irgendein hundsgemeiner Schurke könnte jederzeit die Macht für sich beanspruchen. Das darf natürlich niemand wissen, weswegen die Ermittlungen streng geheim und auch wirklich knifflig sind. Autorin Antje Leser hat sich wirklich eine ungewöhnliche Auflösung ausgedacht und auch ein sehr modernes Ende. Diese Geschichte endet nicht mit „Und wenn sie nicht gestorben sind...“ denn die Helden sind jung und haben noch eine Menge vor.

Das Buch wird ab 10 Jahren empfohlen, weil dieser Humor von jüngeren Kindern oft noch nicht verstanden wird, ebenso wie einige Anspielungen. Begriffe, die eventuell noch nicht bekannt sind, werden im Laufe der Geschichte erklärt, denn auch Holunder kennt sich im höfischen Vokabular noch nicht so gut aus. Antje Leser hat Germanistik und Romanistik studiert, ehe sie sich als Lektorin und Journalistin selbstständig machte. Das erklärt ihr gutes Gefühl dafür, welche Begriffe als bekannt vorausgesetzt werden können und welche nicht. Sie geht wirklich wunderbar auf den Denk- und Erlebenshorizont der Zielgruppe ein, was sich auch darin zeigt, daß meine Mitleserinnen, das Ende richtig klasse fanden.

Auch die Illustrationen von Thomas Hussong haben es ihnen angetan. Die Gesichtsausdrücke, die der junge Illustrator und Autor mit nur wenigen Strichen auf Papier bannt, sind aber auch wirklich herrlich.

Ein märchenhafter Kriminalfall mit einem ganz starken Ermittler-Team. Wir hoffen, daß sich fortan nicht alle Bewohner des Märchenreichs rechtschaffend verhalten und sie weiter ermitteln werden.

Wir bedanken und ganz herzlich beim Ueberreuter Verlag, Autorin Antje Leser und Illustrator Thomas Hussong für diese wunderbare Leserunde auf Lovelybooks.

Sonntag, 28. April 2019

Warum ADHS keine Krankheit ist – eine Streitschrift, Amrei Wittwer, Hirzel Verlag



Warum ADHS keine Krankheit ist – eine Streitschrift, Amrei Wittwer, Hirzel Verlag

Dies ist kein Sachbuch, daß einem die heilsbringende Erleuchtung verspricht, sondern ganz klar eine Streitschrift, was für mich bedeutet, daß es eben darum geht andere Wege zu gehen und bewußt eine nicht immer bei allen beliebte Position zu beziehen.

Hier wird die These vertreten, daß ADHS keine Krankheit ist, sondern ein Label für eine Vielzahl von Symptomen, mit teilweise unterschiedlichen Ursachen, die aber eher psychischer Natur sind, oder verhaltensbedingt, aber eben nicht pathologisch. Sie erklärt sehr gut, warum ähnliche Symptome nicht gleich ein Krankheitsbild ausmachen. Gegen diese Symptome zückt der Arzt oder Therapeut gerne den Rezeptblock und verschreibt dem betroffenen Kind ein Medikament. Doch was sind das für Medikamente die dort verschrieben werden und die auch tatsächlich verschreibungspflichtig sind? Helfen sie wirklich, oder gibt es noch andere Möglichkeiten? Kritisch hinterfragt sie auch die Diagnosemethodik, die auch meinem hauseigenen Fachleiter der Sonderpädagogik Bauchschmerzen bereitet.

Die Autorin Dr. Amrei Wittwer ist Pharmakologin, d.h. sie kommt gerade aus dem Bereich, der viel Geld mit der vermeintlich schnellen und einfachen Hilfe verdient. Mir gefällt sehr gut, daß sie mit fundiertem Hintergrundwissen hinterfragt und erläutert, was immer mehr Kinder verschrieben bekommen. Es handelt sich nämlich um stark abhängig machende verschreibungspflichtige Betäubungsmittel (wobei ich nicht weiß, ob man nicht sogar eines Btm-Rezeptblockes bedarf um diese Substanzen zu verordnen). Das hat zur Folge, daß man mit Kindern auf dieser Medikation, nicht einfach mal so in den Urlaub fahren darf, weil man die Medikamente nicht einfach mit über die Grenze nehmen darf. In den Urlaubsländern werden diese Wirkstoffe bisweilen sehr viel kritischer betrachtet (nicht in den USA). Also muß man die Medikation vor dem Urlaub langsam ausschleichen, da es andernfalls zu starken Entzugssymptomen kommt. Aber will man wirklich, daß das eigene Kind so etwas bekommt? Es sind ja eigentlich auch Betäubungsmittel für Erwachsene, nur eben in geringerer Dosierung und wenn ich da an meine Arnikasalbe denke, auf der steht: „nicht für Kinder unter 12 Jahren“ (da keine ausreichenden Tests durchgeführt wurden), oder auch beim Spitzwegerichhustensaft.... beide finde ich persönlich vertrauenserweckender.

Was mich bei dem Thema kritisch stimmt ist folgendes: Ich lese immer wieder in Gutachten zu Kindern, daß sie im Alter von XY Jahren unter ADHS litten, und plötzlich anscheinend nicht mehr. Komisch, ich bekomme immer von Ärzten zu hören, daß ich alles mit ins Grab nehmen würde, auch wenn es mich nicht umbringt ;) Ich muß aber auch zugeben, daß diese Diagnose nicht immer stimmte und bei Verhaltensänderung einige Symptome wieder verschwinden. Dennoch, wenn ich mir die Familien von betroffenen Kindern anschaue, drängt sich mir, ebenso wie der Autorin oft auch der Gedanke auf, daß es sicherlich auch andere Möglichkeiten gibt,  den Kindern zu helfen, z.B. auch mit einer Verhaltenstherapie für die gesamte Familie.

Oft erlebe ich in meinem Besprechungszimmer (ich bin Juristin), daß mich Eltern informieren, ihr Kind sei hyperaktiv und es sitzt wie angetackert auf dem Stuhl und spielt mit dem Handy oder starrt Löcher in die Luft. So still sitze ich bei keinem Arzt im Wartezimmer! Das stimmt mich sehr nachdenklich. Bei einigen Kindern frage ich mich manchmal auch, ob nicht auch pränatale Schädigungen vorliegen. Ich teile also einige der Bedenken der Autorin und finde es sehr hilfreich sich mit diesen auseinander zu setzen. Mein Mann war Zivi in einer Sonderschule und dort bekamen viele Kinder Ritalin, da wollte er es auch mal testen und nahm die halbe Dosis (natürlich ohne Verschreibung). Er meinte die Wirkung sei der Hammer, er wäre nicht mehr fahrradfahrtauglich gewesen! Wie kann solch starke Medikamente in diesen Mengen an Kinder verabreichen? Ich stimme der Autorin zu, daß ich auch denke, daß man da nach alternativen Wegen suchen sollte. Die Autorin räumt auch ein, daß es einige extreme Fälle gibt. So wurde mir berichtet, daß es auf der Klassenfahrt der Jüngsten nachts zu Problemen kam, weil ein Junge aus der Parallelklasse, der entsprechende Medikamente bekommt, nachts ohne Medikation auskommt. Im Schlaf hat er so gezappelt und geredet und Geräusche von sich gegeben, daß die anderen Jungen des Zimmers nicht schlafen konnten und durch die nächtlichen Flure geisterten. So einem Kind ist sicherlich nicht einfach nur mit konsequenter Erziehung geholfen. Interessant finde ich, daß in diesem Fall auch der Vater und die Geschwister diese Symptomatik aufzeigen.

Mir gefällt sehr gut, daß Amrei Wittwer für das Problem sensibilisiert und ihre Lösungsvorschläge auch keine Patentlösung sind, sondern sehr arbeitsintensiv für alle Betroffenen und das nicht nur für das Kind, das diese Symptome zeigt. Sie schreibt sehr klar und sehr gut verständlich, ohne in plakative Belletristik zu verfallen. Es geht hier nicht um Effekthascherei, sondern die Sorge um das Kindeswohl.

Auch weckt sie Verständnis für die oft überforderten Lehrer. Inklusion wird auch oft so verstanden, daß auch solche Kinder in Regelschulklassen integriert werden, ohne zusätzliche Ausbildung der Lehrer, ohne die Klassengröße zu reduzieren oder weitere Hilfskräfte für die Klasse. So kann Inklusion nicht funktionieren, so werden sich die Gräben nur vergrößern und Ausgrenzung verstärken.

Ich hoffe, daß viele Menschen in Entscheidungspositionen in den Bezirksregierungen, ADD, Bildungsministerien und Familienministerien, ebenso wie Lehrer, Erzieher und Eltern dieses Buch lesen und über alternative Umgangsmöglichkeiten zu verschreibungspflichtigen Betäubungsmitteln als „Therapie“ nachdenken. Die hier genannten Lösungsvorschläge sind arbeits- und zeitintensiv und werden daher wohl in der breiten Masse gemieden.

Für komplexe Probleme gibt es keine einfachen Lösungen, deswegen beginnt man am besten alsbald über mögliche Lösungsansätze nachzudenken und zu diskutieren. Ich empfinde diese Streitschrift als sehr anregend.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Hirzel Verlag für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplars.

Freitag, 26. April 2019

Perfekte Rache, Susanne Rößner, Edition M




Perfekte Rache, Susanne Rößner, Edition M

Dies ist Lukas Zieringers zweiter Fall nach Tiefe Stille. KHK Zieringer war der Shootingstar der Münchner Mordkommission, ehe ihn ein traumatisches Erlebnis völlig aus der Bahn warf und er ein Jahr komplett dienstunfähig war. Anschließend ließ er sich in die oberbayrische Provinz versetzen, in der Annahme, dort vor Kapitalverbrechen sicher zu sein. Dies stellt sich auch dieses Mal als Irrtum da. Ein Bergwanderer wird abgestürzt, eingenässt und mit gefesselten Händen an einem schwer zugänglichen Abhang gefunden. Seine fröhliche Witwe hat zumindest keine offensichtlich finanziellen Motive, da sie durch ihre bewegte Vergangenheit selbst wohlhabend ist. Doch dann stirbt ein Versicherungsagent, der ebenfalls ein leidenschaftlicher Golfer ist, wie die Witwe des ersten Opfers. Lukas setzt seine wohlhabende Tante Maria als Geheimwaffe ein und lässt sie einen Golfkurs buchen, um Kontakt zur lustigen Witwe aufzunehmen und an verborgene Hintergründe zu gelangen. Eigentlich scheinen die Opfer nichts gemeinsam zu haben, aber der Modus Operandi ist schon auffallend ähnlich und Lukas Zieringer wird von seinem Bauchgefühl getrieben.

Ich bin eigentlich ein großer Fan von zweiten Bänden, da einem die mühselige Einführung erspart bleibt. In diesem Falle leider nicht, aus verschiedenen Gründen: 1. war mir eigentlich schon nach 40 % des Buches klar, wer der Täter war und warum 2. hat mich immer wieder gestört, daß der Psychologe als Arzt bezeichnet wurde. Ein Pschologe mit Approbation ist ein Psychotherapeut, aber kein Arzt. Der entsprechende Arzt ist der Psychiater. Beide fallen unter die Schweigepflicht, wie auch Anwälte und Pastöre in ihrer seelsorgerischen Funktion. Das zieht sich so stark durch den Fall, daß es kein einmaliges Versehen ist, sondern schlecht recherchiert. 3. Strafprozessual kräuseln sich meine Fußnägel vor Beweisverwertungsverboten. 4. Ja, es ist ein Amazonprodukt, damit habe ich an und für sich kein Problem, aber die Schleichwerbung im Krimi, wenn Tante Maria als Primekundin kostenlose exklusive Prime-Serien schaut, hat mich schon genervt. Es hätte völlig gereicht zu sagen, welche Serie sie schaut, immerhin kommt in anderen Büchern auch Netflix vor, aber nicht dessen Preis ;)

Sprachlich gefällt mir der Stil von Susanne Rößner, von der ich bereits mehrere Krimis mit Begeisterung gelesen habe, aber der Fall war mir diesmal nicht spannend genug und zu vorhersehbar und nicht immer schlüssig. Warum, mag ich wegen einer Spoilergefahr nicht offen legen. Es gibt zwar manchmal spannende Szenen, aber ich mag es lieber, wenn die Spannung aus dem Fall als solches erwächst und nicht aufgrund einer riskanten Autofahrt durch unwegsames Gelände. So autoaffin bin ich einfach nicht.

Auch die Charaktere gefielen mir im ersten Band besser. Es konzentriert sich für meinen Geschmack zu viel auf Super-Lukas. Das kurze Aufblitzen von guten Reaktionen von Tante Maria und der jungen Uniformierten Kira ist mir da einfach zu wenig. Sehr gut gefiel mir jedoch Tante Marias Einstellung Menschen nach Charakter und nicht nach ihrem Status zu beurteilen. Mir ist Lukas Zieringer nicht plötzlich unsympathisch geworden, aber die Verschiebung des Fokusses hat mir nicht so gefallen. Dafür habe ich mich gefreut, viele bekannte Personen aus dem Vorgängerband wieder zu lesen, auch wenn z.B. die Pathologin diesmal etwas kurz kam und der dritte Hobbyermittler aus dem Auftaktband ganz fehlte. Tante Maria erinnert mich immer ein wenig an „Mord ist ihr Hobby“ und gibt den ansonsten nicht auf gemütlich gemachten Fällen einen cosy-touch.

Auch wenn mich dieser Band nicht überzeugen konnte, mag ich die Personen und die bisherigen Bücher der Autorin doch so gerne, daß ich einem 3. Fall noch eine Chance geben würde.

2,5 Sterne gerundet auf 3.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei #netgalley für die Erfüllung meines sehnlichen Lesewunsches.

Dienstag, 23. April 2019

Pippa Pepperkorn Hörbuchbox, Charlotte Habersack, gelesen von Birte Kretschmer, audiolino



Pippa Pepperkorn Hörbuchbox, Charlotte Habersack, gelesen von Birte Kretschmer, audiolino

Diese Hörbuchbox enthält die ersten 5 Pippa Pepperkorn Bände
  neu in der Klasse
  und die Tiere
  und die Schickimicki-Zicke
  auf Klassenfahrt
  auf dem Ponyhof

Pippa Pepperkorn hat einige Jahre mit ihren Eltern in Amerika gelebt, ehe sie mit 10 Jahren in die Klasse von Frau Tabak kommt. Die Lehrerin ist furchtbar streng und schlecht gelaunt. Die Kinder fürchten sich vor ihr, vor allem die in allem etwas langsame Gloria und Emil mit seinen Schulproblemen. Aber dann kommt Pippa mit ihren grünen Cowboystiefeln, immer gut gelaunt, immer eine grandiose Idee und nie um eine Lösung verlegen. Auch wenn diese Lösung nun wirklich keinem Erwachsenen eingefallen wäre. Naja, die haben ja auch nicht wie Pippa in Amerika gelebt. Pippa zieht in das gleiche Haus wie Gloria und Emil und Anton wohnt direkt nebenan. Eigentlich fanden Emil und Anton die Mädels aus der Klasse doof und als Lucy sie zum Geburtstag einlädt, wollen sie nicht hin. Doch mit Pippa werden auch Mädchengeburtstage großartig, wenn auch Lucys Mutter wohl graue Haare wachsen. Gemeinsam mit Pippa halten auch Gloria, Lucy, Olivia, Emil und Anton gerne Referate über ihr Haustier. Naja, bisweilen muss man sich erst noch schnell ein Haustier zulegen, auch wenn die Eltern nicht wollen und man kein Geld hat, aber wo ein Wille, da findet Pippa auch einen Weg. Da werden auf Dauer auch Schickimicki-Zicken zahm, die Klassenfahrt wird richtig spannend, und irgendwie schafft es auch Pippa, daß alle Freunde gemeinsam auf den Ponyhof fahren. Nur dass einige Eltern glauben, es wäre eine Lesetherapie...

Pippa hat definitiv bisweilen haarsträubende Idee, die allen Eltern Angst machen. Aber keine Sorge, man muß die Kinder nicht darauf hinweisen, daß sie bitte nichts von Pippas Ideen nachmachen sollen, dafür sorgen schon Pippas Pannen ganz von alleine. Teilweise scheint es pädagogisch eine Totalkatastrophe zu sein, was Pippa so anstellt, aber sie wird mit jedem Band reifer und ich kenne kaum eine inklusivere Reihe als Pippa Pepperkorn. So ist Lucy ein Kind aus wohlhabenden Hause, mit geschiedenen Eltern, Gloria ist sehr langsam und kommt aus bescheidenen Verhältnisse, Emils Familie sind alle Überflieger, bis auf ihn, Olivia weiß eigentlich immer alles und ist sehr behütet, Antons Vater ist Polizist und Pippa hat selbst Schwierigkeiten in der Schule, nachdem sie so lange in den Vereinigten Staaten lebte. Alle Kinder sind total unterschiedlich, aber da sie einander respektieren und vorbildlich zusammen halten, werden sie zu den besten Freunden. Außerdem wissen sie, daß sie sich immer aufeinander verlassen können, so wie auf Pippas Ideen, die garantieren, daß es nie langweilig wird.

Pippa hat nicht nur immer gute Ideen, sie hat auch immer gute Laune und Lebensregeln. So findet sie in einem Band, daß jeder Tag das richtige Wetter hat, weil... und dann kommt immer ein lustiger Grund. Auf dem Ponyhof gibt Pippa stets ihre Pferderegeln von sich z.B.: „Selbst Ferien auf dem Ponyhof, sind ohne Freunde richtig doof“. Tja, so kommt es, daß auch den Jungs der Reiterhof Spaß macht und Glorias Selbstbewußtsein Auftrieb bekommt und Emil freiwillig anfängt zu lesen.

Charlotte Habersack schafft es nicht nur die Gedankenwelt der Kinder zu treffen, sie schafft auch Verständnis für die Erwachsenen. So bemerkt Pippa zum Beispiel, daß Frau Tabak gar nicht so schlimm ist (auch wenn diese, sie anfangs ganz furchtbar findet), aber nach und nach taut sie auf, denn Pippa hat auch für sie ein Geheimrezept. Dabei ist es immer witzig, aber nie auf Kosten anderer. Pippa kann prima über sich selbst lachen und mit anderen. Ihre Sprache verstehen Kinder, ebenso wie ihre Gedankengänge. Birte Kretschmer erweckt dabei sämtliche Kinder zum Leben, egal ob die logische Olivia, die prinziessinnenhafte Lucy, die langsame Gloria oder der großspurige Anton, die quirlige Pippa oder der unsichere Emil. Alle haben ihre eigene Rolle und ihre eigene Stimme. Wobei ich ja ein Herz für die liebe, aber langsame Gloria, mit ihrer Schildkröte habe.
Für einen Lieblingsband konnte sich meine Tochter nicht entscheiden. Ihr fielen immer wieder Lieblingsszenen ein und als ich mir alle 5 Bände angehört habe, war mir klar: die beste CD, war immer die zuletzt gehörte!

Sehr witzig, nicht immer ganz pädagogisch, aber sehr tolerant und liebenswert, wird jedes Kind genauso genommen wie es ist. Pippas Weisheiten bleiben haften - versprochen, immer wieder ploppen sie im Gedächtnis wieder auf! Meist ist es Unsinn, aber eben nicht immer.

5 sehr lustige und kurzweilige CDs mit 250 Minuten Kichergarantie!

Wir bedanken uns ganz herzlich bei audiolino für dieses lustige Rezensionsexemplar!

Sonntag, 21. April 2019

Der Wal und das Ende der Welt, John Ironmonger, ungekürzte Lesung Johann von Bülow, Argon Verlag



Der Wal und das Ende der Welt, John Ironmonger, ungekürzte Lesung Johann von Bülow, Argon Verlag

In dem abgelegenen kleinen Fischerdorf St. Piran in Cornwall herrscht Aufregung: Mit der Flut wurden ein Wal und ein nackter junger Mann angespült. Mit vereinten Kräften beleben die 307 Dorfbewohner den jungen Joe, der auf die Rettung des gestrandeten Wals drängt. Das Schicksal des Wals erscheint diesem untrennbar mit seinem verknüpft. Doch was hat den jungen, erfolgreichen Analysten aus der City ins Wasser getrieben? Nach und nach gibt er Preis, daß er an der Entwicklung eines Analyseprogramms namens Cassandra, kurz Cassie, mitgewirkt hat, daß absolut sichere Zukunftsprognosen für die nächsten Tage treffen kann. Doch es wurde manipuliert und kann nun nicht mehr gestoppt werden. Auf die Menschheit rollt die Apokalypse zu und er fühlt sich schuldig und benutzt. Joe warnt die Bewohner, fühlt sich aber selbst wie die Antike Seherin, der niemand Glauben schenken wollte. Die Dorfbewohner sind ihm mittlerweile ans Herz gewachsen, viel mehr, als sonst jemand, seit dem Tod seiner Mutter. Also beschließt er seine Retter zu retten und selbst Vorkehrungen für die nahende Katastrophe zu treffen. Erst wird er skeptisch und ein wenig mitleidig beäugt, aber dann...

Ich hatte keine klare Vorstellung von dem, was mich erwarten würde, aber ich mag die Stimme von Johann von Bülow und seine Wandelbarkeit, auch die Aufmachung sprach mich auch an. Zumindest würde es mal was anderes sein. Das war es auch, auch wenn ich nichts erwartet habe, war ich nicht auf das gefasst was kommen würde. Zuerst war ich akustisch erschlagen, von der unglaublichen Personenvielzahl z.T. mit cornischen Namen, Familienmitglieder und Mitarbeiter der Londoner City. Beim Hören eine Überforderung, bei der es wirklich hilft das beiliegende Booklet mit Personenverzeichnis vor dem ersten Hören und nach oder während der ersten CD zu hören. Es sind so viele, da lohnt es sich, die Liste mal schnell mehrfach durchzugehen. Nachdem ich das Personenkonsortium für mich sortiert hatte, packte mich die Geschichte mit ihren doch bisweilen sehr eigenen Charakteren. Was ich von Joe halten sollte war mir anfangs nicht so klar, aber in diesem Dorf ist wie auch sonst im Leben. Es lassen sich nicht immer alle in Schubladen von Gut und Böse einteilen, die einen sind mal so, mal so, wie es das Leben halt gerade mit sich bringt. Gerade in ihrer Ausgestaltung liegt für mich die absolute Stärke der Geschichte.

Das Dilemma in welchem Joe sich befindet, mutet aber erschreckend real an. Die Macht und den Einfluss von Prognoseprogrammen auf den Weltmarkt mag ich mir nicht vorstellen. Doch bei nahender Apokalypse, denken die meisten eher an Atomkatastrophen, Krieg, Klimakatastrophe, aber so was alljährliches wie die Grippe? Und doch sterben jedes Jahr Millionen Menschen weltweit an ihren Folgen.... und es gibt nie genügend Schutzimpfungen für alle und auch hier kann die Prognose, wie sich der diesjährige Erregerstamm entwickeln wird, irren. Dann gibt es keinen Schutz. Oder doch? Was wäre, wenn man in einem Dorf am Ende der Welt leben würde, ist das heute noch möglich? Was wäre bei völliger Isolation und Quarantäne das größte Problem? Die Nahrung, mangelnder Strom, fehlendes fließendes Wasser, Dorfkoller? Die Hürden und Schwierigkeiten sind mannigfaltig. Welche dieser Probleme sind lösbar und welche eigentlich eher unbedeutend und wie spielt der menschliche Faktor eine Rolle? Immerhin kennt in einem Dorf jeder jeden und das auch schon seit Ewigkeiten. Die menschliche Komponente des gestrandeten Fremden in einer festen, alteingesessenen Gemeinschaft inmitten einer Katastrophe ungekannten Ausmaßes und unvorhersehbarer Dauer macht diese Geschichte so fesselnd. Wie würde man selbst reagieren? Würde man über sich hinauswachsen oder zum absoluten Egoisten mutieren? Welche Rolle spielt der Wal, der immer wieder mahnend in der Bucht auftaucht? Nicht nur der streng logische Analyst verändert sich und erstaunt sich selbst. Die Dorfgemeinschaft überrascht den Trader und den Hörer und gibt Hoffnung auf die Menschlichkeit der Menschheit, in Zeiten, in denen es nicht selbstverständlich ist. Doch ist Joe nicht einfach eine strahlende Gestalt, er ist bisweilen auch etwas naiv. Man lernt aber auch seine Hintergründe kennen und die Analystin des Dorfes, durchschaut ihn besser als er die Märkte und sich selbst. Das macht sie unglaublich sympathisch auf schmunzelnde Art und Weise und dennoch lässt mich das Ende ein wenig ratlos zurück. Es ist wirklich ein hoffnungsfrohes Ende. Aber sind die Menschen tatsächlich so? Schön wäre es, ich bin da ein wenig unschlüssig. Während mich nach einem etwas überforderten Anfang das nahende Ende der Welt und seine möglichen einzigen Überlebenden wirklich fesselten und bannten, so machte mich das Ende etwas ratlos. Ist es das Ende, dass ich mir gewünscht hätte? Ich weiß es nicht, es macht mich zumindest nachdenklich und wird mich diese Geschichte nicht so schnell vergessen lassen, Cornwall und sein Wal werden noch eine Weile durch meine Hirnwindungen spuken. Dennoch dämpft es meine zwischenzeitliche absolute Begeisterung für diese mahnende Vision.

Johann von Bülow liest absolut fesselnd und wandelbar. In seiner Unaufgeregtheit spürt man die erdende Ruhe Cornwalls, mit seinen tiefen Wurzeln und noch tieferen Gefühlen, die überraschen und vor allen Unwägbarkeiten Halt bieten. Seine Stimme klingt diesmal erstaunlich mild und weich und gar nicht so tief und gebieterisch bestimmend, wie man es von ihm bisweilen kennt. Kein Hauch von Sherlock Holmes ist in der Stimme zu hören, sondern Mitgefühl und Ratlosigkeit. Es ist überraschend und dennoch glaubhaft zu hören.

Die Aufmachung in einer soliden Pappbox mit 3 MP3 und einem Booklet finde ich sehr ansprechend, haptisch angenehm und sehr edel.

Ein wirklich besonderes Hörbuch mit kleinen Schwächen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Hörrunde auf Lovelybooks.

Samstag, 20. April 2019

Die Alpen sehen und sterben – Isabella Archan, Emons Verlag



Die Alpen sehen und sterben – Isabella Archan, Emons Verlag

Maria Konstanze Schlager (29) korrigiert freiberuflich Texte jedweder Art. Sie hat schon früh ihre Familie verloren und ist seitdem verschlossen und bleibt gerne für sich. Als sie sich einen Urlaub in Kitzbühl gönnt und nachts schlaflos am Fluss entlang spaziert, wird sie Zeugin eines Mordes. Doch der Mörder trägt einen Cowboyhut und sie kann sein Gesicht nicht sehen. Lediglich seine Abschiedsworte „Servus“ bleiben ihr im Ohr. Als sie die Polizei verständigt, ist diese zunächst skeptisch. Es gibt keine Spuren, ihre Aussagen sind wirr und alle die ein Motiv haben könnten, haben ein Alibi. Schnell übernimmt die Kripo Innsbruck. Allerdings sieht die junge Kommissarin Agnes in diesem Fall ihre Chance sich innerhalb des Teams zu beweisen. Sie kann den Fall nicht vergessen. Auch ein anderer hat die Nachrichten über diesen Mord mit Interesse gelesen. Der zuletzt in Frankfurt a.M. tätige Kriminalkommissar Heinz Baldur, wittert eine Serie von Auftragsmorden zu welchen auch dieser Fall zu gehören scheint. Allerdings nimmt seine Bedenken niemand wirklich ernst, denn seit einer persönlichen Tragödie leidet er unter Halluzinationen. Dank der Beurlaubung aus gesundheitlichen Gründen, hat er aber Zeit zu ermitteln, ganz ohne Zeit- und Erfolgsdruck. Und sein Spürsinn juckt gewaltig!

Dies ist ein etwas anderer Krimi, denn er hat einen ungewöhnlichen Fokus: Auf die Zeugin des Verbrechens, die den Mörder zwar sieht, aber dank des Cowboyhuts, der nachts sein Gesicht verschattet, diesen nicht beschreiben kann, sie nimmt ihn vielmehr wahr - als Gesamtpräsenz. Diese Beobachtung prägt sie, denn es ist nicht der erste Todesfall, schon als Kind, mit 7 Jahren, musste sie tragische Todeskämpfe beobachten, was ihr den Spottnamen Mörder-Mitzi einbrachte. Diese traumatischen Erlebnisse haben sie geprägt und halten sie gefangen. Als sie dem Täter wieder begegnet und ihn an der Stimme erkennt, entwickelt ich eine merkwürdige Beziehung aus Faszination, Anziehung und Abstoßung. Wie Katz und Maus umkreisen sie einander, während die Polizei im Dunkeln tappt. Wirklich alle Ermittler? Naja die junge österreichische Kommissarin Agnes will sich beweisen und spürt, daß Mitzi nicht alle Eindrücke preis gibt. Sie kommt aus einer Intellektuellenfamilie und will es nicht nur ihrem Team beweisen, was alles in ihr steckt, sondern auch ihrer Familie. Heinz Baldur kämpft mit seinem inneren Dämon namens Luis und seiner Überzeugung, daß ein Auftragskiller am Werk ist, seit Jahren. Eine Überzeugung, die leider niemand hören will. Killer Sam hingegen scheint ebenfalls aus der Bahn geworfen zu sein. Noch nie ist ihm ein Fehler unterlaufen, noch nie hat er auch nur eine einzige Spur hinterlassen. So ist das Schicksal dieser vier untrennbar miteinander verwoben. Mal schlägt das Pendel mehr in die eine, mal in andere Richtung aus. Nicht alle können gewinnen. Sollte der Fall gelöst werden, ist Sam enttarnt. Sollte Sam entkommen, treibt es Heinz in noch tiefere Abgründe und Agnes steckt fest. Mitzi hingegen kann nicht gewinnen. Sie steckt in einem Dilemma. Was sie braucht ist Halt, doch der scheint nirgends in Sicht. Es ist nicht klar wie es ausgehen wird. Es menschelt, selbst beim Täter, denn man bekommt tiefe Einblicke in die Gedanken und seelischen Abgründe der Beteiligten. Das Dilemma entspinnt sich mehr und mehr und keine Lösung ist in Sicht. Dabei sind die Charaktere ein Genuss in all ihrer Verschrobenheit, denn sie sind so nachvollziehbar, so krank und doch so tapfer. Sie versuchen es, ihre Ziele zu erreichen, auch wenn es unmöglich scheint.

Isabella Archan ist selbst Österreicherin und gelernt Schauspielerin. Mittlerweile lebt sie schon seit einigen Jahren in Köln, so wie ihre beliebte ermittelnde Zahnärztin Dr. Leocardia Kardiff, die mit ihrer neugierigen Nase immer wieder dem attraktiven Kriminalhauptkommissar Jakob Zimmer in die Quere kommt. Ihre Livelesungen sind ein echtes Schmankerl, daß man sich nicht entgehen lassen sollte!

Ein Krimi, der unter die Haut geht, dankt der tiefen Einblicke in die verstörten Seelen der Beteiligten und weil man sich immer wieder selbst dabei ertappt, daß man den Mörder selbst auch ein wenig faszinierend findet, obwohl seinen Taten abstoßen. Kann man das voneinander trennen? Kann ein Mörder sympathisch sein, oder ist er einfach nur ein Monster? Die innere Zerrissenheit vor traumhafter Kulisse fasziniert, es ist einfach kein alltäglicher Krimi, sondern schon in seiner Erzählweise eine Überraschung für sich.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Emons Verlag für dieses außergewöhnliche Rezensionsexemplar.

Mittwoch, 17. April 2019

Die Spürhasen- Bande (1) – Das Geheimnis des magischen Spiegels, Karsten Schäfer, Eulenberg Verlag



Die Spürhasen- Bande (1) – Das Geheimnis des magischen Spiegels, Karsten Schäfer, Eulenberg Verlag

Finn, Polly und Kiki sind die besten Freunde, auch wenn Finn und Polly Hasenkinder sind und Kiki ein Eichhörnchen. Sie teilen alle Geheimnisse miteinander und dieses Mal hat Finn ein besonders aufregendes: Er hatte einen lebhaften Traum, daß er als mutiger Ritter im Mittelalter kämpft. Ach, könnte er doch nur in der Zeit reisen! Das erzählt er dem weisen Bartholomäus, der ihm gesteht, daß es in seiner Familie einen geheimen Zauberspiegel gibt, mit dem man früher in der Zeit reisen konnte, nun aber nur noch von Ort zu Ort reisen, sein Vorfahr habe zwei Edelsteine aus dem Rahmen gelöst und seither ginge es nicht mehr. Die Freunde geben so leicht nicht auf und besuchen Barthis Cousin, den Familienchronist, der doch sicher mehr darüber wissen muss, wo sich diese Steine befinden könnten. So starten sie in ein aufregendes Abenteuer durch Zeit und Raum.

Der Auftakt zu dieser neuen Zeitreiseserie für Kinder ab 5 Jahren startet erst einmal mit dem großen Traum der Menschheit, die Grenzen von Zeit und Raum zu überwinden, um mehr zu erfahren und zu verstehen. Um die jungen Zuhörer nicht zu überfordern, geht dieser erste Band sehr behutsam vor, damit die innere Logik der Geschichte stimmt und man in aller Ruhe die tierischen Protagonisten kennenlernen kann. Gerade der Frage, wie Zeitreisende zu ihren Zeitreisemaschinen kommen, widmet sich dieser Band, was bei einigen Serien etwas kurz kommt, für mein Empfinden. Außerdem wird auch vor den Gefahren dieser Abenteuer gewarnt, denn es besteht natürlich immer das Risiko, sich selbst zu begegnen oder den Lauf der Geschichte zu verändern, so daß am Ende die eigene Geburt verhindert würde, was ja einer persönlichen Katastrophe gleichkäme.

Kinder lieben Hörspiele! Wobei ich ja Hörbücher oft bevorzuge, da sie mehr Raum und Zeit für Entwicklung lassen und nicht so sprunghaft sind. Dies ist hier aber sehr gut gelungen, man kann dem Geschehen sehr gut folgen, sobald man versteht, daß die Anfangssequenz nur ein Traum ist und man nicht versehentlich ein paar Tracks übersprungen hat. Die Tierkinder sprechen alterstypisch aufgeregt, fröhlich und auch von der Ausdrucksweise passend, aber nie unangemessen. Vor allen Dingen sind sie sehr gut verständlich und auch alle Stimmen gut voneinander unterscheidbar! Die Geräuschkulisse ist sehr professionell in die Geschichte gemischt worden und vermittelt das Gefühl Finn, Polly und Kiki unmittelbar zu begleiten. Dabei sind diese aber nicht nur mit dem Hörer unterwegs, sonder Bartholomäus begleitet sie. Das finde ich pädagogisch sehr gut, wenn man das Alter der Zielgruppe bedenkt. Abenteuer sind prima, aber noch besser, wenn man einen Beschützer dabei hat! So bleibt das Abenteuer immer noch spannend, aber auch beim Zuhören fühlt man sich sicherer. Der fröhliche Titelsong geht gleich ins Ohr und so werden die junge Zuhörer(innen) sicher schon bald mitsingen!

Am Ende ist der Zauberspiegel wieder intakt, der Tag aber so lange und aufregend, daß die Freunde ins Bett müssen, aber nicht, ehe sie sich den Bandennamen „Spürhasen“ gegeben haben. Kiki ist zwar ein Eichhörnchen, aber für echte Freunde spielt das ja keine Rolle und so freuen sie sich auf die Abenteuer die da kommen werden und die sie in den nächsten Bänden nach Frankfurt a. M. Und Hamburg führen werden.

Fröhliche Freundschaftsabenteuer mit Herz und Humor, bei denen es künftig auch noch eine Menge zu lernen geben wird. Ein Auftaktband, der Lust auf mehr macht.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Karsten Schäfer für das Rezensionsexemplar.

Dienstag, 16. April 2019

Tom Gates (15) – Monster? Welches Monster? Liz Pichon, Schneiderbuch Egmont



Tom Gates (15) – Monster? Welches Monster? Liz Pichon, Schneiderbuch Egmont

Tom ist aufgeregt, in Oakfield findet ein Rockfestival statt, da will er unbedingt hin! Seine große Schwester Delia, will das auf gar keinen Fall, da sie mit ihren Freunden hingehen möchte, ohne ihren peinlichen kleinen Bruder zu treffen. Auch Toms Vater ist Feuer und Flamme, doch die Mutter bremst den Plan total aus. Fast alle aus seiner Klasse gehen hin, nur seine Mutter will sich nicht erweichen lassen. Dafür kündigt der nette Klassenlehrer Mr. Fullerman an, daß er eine Woche auf Fortbildung geht und dafür Miss Kies als Vertretung käme. Amy weiß jetzt schon, daß sie sehr streng sein soll! Außerdem stehen das Vorsprechen für die neue Schulaufführung an und Marcus Lunchpaket mit den leckeren Würstchen in Blätterteig scheint auf mysteriöse Weise zu verschwinden. Er nimmt die Ermittlungen auf, während Tom, Derek und Amy sich über die jüngeren Kinder ärgern, die ihnen derzeit immer und überall zuvor zu kommen scheinen. Na und? Da kreieren Tom und Derek einfach einen neuen Pausentrend!

Tom Gates ist ein Comicroman ab 9 Jahren und auch diesmal geht es wieder sehr turbolent zu, genauestens protokolliert und aufgezeichnet von Tom persönlich. D.h. es sind wieder jede Menge lustiger Kritzeleien und Zeichnungen im unverkennbaren Tom-Style vorhanden, diesmal aber ohne Aufforderungen, mit ins Buch zu kritzeln. Dafür wird aber das Pausenspiel Champion erklärt und das neue Monsterspiel vorgestellt, daß wir zu Hause auch gleich mal getestet haben, denn Straßenkreide haben wir zum Glück immer genug! Das ist ein echter Pluspunkt dieses Bandes, so wie der letzte Band zum Selberkritzeln aufforderte, fordert dieser die spielerische Kreativität heraus. Raus aus dem Hof und Bewegen oder Malen, nicht nur zu Hause vor dem Computer oder Handy sitzen (haben Tom und Co. gar nicht).

Leider finde ich diesen Band zwar amüsant, aber nicht ganz so lustig, wie den 14. Band, wohl auch, da ich ihn vorhersehbarer finde. Allerdings stelle ich immer wieder fest, daß Situationen, die ich vorhersehbar finde, Kinder total überraschen! Aufregend und kurzweilig ist er aber schon. Und die Monster? Die gibt es auch, in mehrfacher Hinsicht, versprochen! Es soll aber ja nicht zu viel verraten werden.
Tom Gates lebt in England und in diesem Band merkt man schon etwas die Unterschiede im Schulsystem mit klasseweise aufbewahrten Lunchpaketen für die Mittagspause und dem Nachmittagsunterricht in der 5. Klasse. Aber es ist gut verständlich und auch für deutsche Schüler nachvollziehbar.
 
In Toms Klasse gehen so ziemlich ähnlichen Schülertypen, wie bei jedem Kind dieses Alters auch. Auch die Zankereien mit Schwester Delia haben einen hohen Wiedererkennungswert für alle die keine Einzelkinder sind. Die Geschichte ist rasant und es passiert immer etwas total chaotisches, da Tom und Derek so ihre eigenen Pläne haben, die sich nicht immer mit denen der Schulordnung oder denen von Schwester Delia oder den Eltern decken. Dabei machen sie aber nie etwas wirklich schlimmes, sie sind einfach ganz normale Jungs. Das macht diese Geschichten auch so witzig. Es ist der ganz normale Wahnsinn, aber die Fettnäpfe treffen Tom und nicht den Lesemuffel, der dank des Comicromans seine Abneigung gegenüber Büchern zur Seite legt. Dieses Buch hat vor allem einen hohen Spaßfaktor, es regt an und amüsiert. Der Literaturnobelpreis kann warten. Gerade durch den hohen Grafikanteil liest es sich ruckzuck und auch der letzte Lesemuffel wird es an einem Tag schaffen, denn es stehen immer die spannenden Fragen an: Kommt Tom doch noch irgendwie aufs Festival und wer stiehlt Marcus-Schulessen und spukt in der Schule? 

Liz Pichon hat wie Tom Gates, schon immer und überall gerne gezeichnet oder auch, wie ihre Mutter es nannte „riesige Sauereien veranstaltet“. Ihre Bilderbücher wurden mehrfach ausgezeichnet, im Gegensatz zu von ihr entworfenen Plattencovern. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren 3 Kindern in Brighton (und ich wette, daß ein Sohn und eine ältere Tochter auch darunter sind!). 


Ein großer Spaß nicht nur für Jungs, ab 9 Jahren!

Ich bedanke mich ganz herzlich für dieses kurzweilige Rezensionsexemplar beim Schneiderbuch Egmont Verlag.

Montag, 15. April 2019

Sternschnuppenmädchen -Eine Freundin fällt vom Himmel, Katja Frixe, Illus. Erica-Jane Waters, Dressler Verlag



Sternschnuppenmädchen -Eine Freundin fällt vom Himmel, Katja Frixe, Illus. Erica-Jane Waters, Dressler Verlag

Die zehnjährige Stella ist ganz aufgeregt! Heute Nacht ist eine Sternschnuppennacht und solche Nächte in denen es Sternschnuppen regnet, werden in ihrer Familie besonders gefeiert. In Erinnerung an ihre Mutter, die vor 8 Jahren starb. Diese hat Sternschnuppennächte geliebt und sie immer mit ihrem Vater, ihrem Mann und den Kindern Theo und Stella im Baumhaus verbracht. Doch nun wird Papa oft traurig, wenn er an sie denkt und verkriecht sich in sein inneres Schneckenhaus. Stella sehnt sich danach sich an ihre Mutter wirklich erinnern zu können und so ist ihr Herz auch ein wenig schwer, als sie nachts die Sternschnuppen beobachtet. Als sie plötzlich aufwacht, sieht sie ein wunderschönes Mädchen namens Vega, mit glänzenden blonden Haaren und einem strahlend weißen Funkelkleid. Sie behauptet vom Himmel gefallen zu sein. Sie ist ganz schön merkwürdig, aber irgendwie mag Stella sie. Als sie morgens unvermittelt von einer fremden abgeholt wird, beschließt Stella nachzuforschen, jedoch ohne ihre Freundin Pauline in ihre Pläne einzuweihen und so kommt alles durcheinander! Schlimmer wird es allerdings, als Vega dann auch noch in der Schule auftaucht.

Das flaschengrüne Cover mit den kleinen Funkelsternen und den Glitzerelementen auf dem weißen Kleid ist ein echter Hingucker. Allerdings hatte ich befürchtet, es könnte ein wenig kitschig werden. Dem ist aber nicht so. Es ist eine wirklich schöne Geschichte, die auch ernste und bewegende Themen behandelt. Anders als bei jüngeren Zielgruppen wie z.B. Lauras Stern, findet Stella es nämlich nicht selbstverständlich, daß Vega erklärt vom Himmel gefallen zu sein. So muß sich Vega anfangs auch eine Menge Spott und Gemeinheiten gefallen lassen, aber in ihrer unerschütterlichen Art, scheint es an ihr abzuprallen. Pauline hingegen reagiert auf Stellas neue Freundin nicht ganz so gelassen und so fühlt sich Stella ziemlich unglücklich. Ihr Vater ist wieder sehr traurig, da er seine „Schneckenhaustage“ hat, doch scheint nun auch ein Ruck durch ihn zu gehen. Vega bringt Prozesse in Gang, einfach nur durch ihre Anwesenheit. Auch wenn sie teilweise merkwürdige Dinge tut, gibt sie bisweilen wunderschöne Sätze von tiefer Wahrheit von sich, die Stella in Staunen versetzen. Irgendwie wird alles anders, alles neu und Herzenswünsche werden offenbar. Moment Herzenswünsche und Sternschnuppen, war da nicht was? Ja, aber so einfach ist es dann doch nicht, Sternschnuppen sind ja kein Lieferservice. Manchmal muß man tief in sich hineinhorchen, um zu wissen, was man wirklich will...
Außerdem gehört Freundschaft zu den Phänomenen des Lebens, die auch geteilt, mehr statt weniger werden, so wie nach einer gewissen Zeit die Trauer sich leichter ertragen lässt. Sehr essentielle Themen, sehr kindgerecht und anschaulich verpackt. Dabei auch spannend und emotional, aber niemals kitschig. Es ist sehr schön und verständlich geschrieben, mit einem für die Altersklasse angemessenen Wortschatz. Dabei hat die Schrift eine angenehme Größe und süße gelbe Sternvignetten zieren die Seitenzahlen und verleihen dem Lesen Sternschnuppenmagie.

Die Illustrationen von Erica-Jane Waters, bei denen ich befürchtet habe, daß meine Jüngste sie kindisch finden könnte, gefielen nicht nur ihr sehr gut, sondern auch ihrer älteren Schwester (fast 12). Tja und die Glitzertattoos waren leider nur einmal vorhanden – aber bei einer echten Herzensverbindung kann man sie auch aufteilen....

Autorin Katja Frixe ist Mütter von Zwillingstöchtern und war vor dem Erscheinen ihres ersten Kinderbuches „Rocco & Pepe – Rette sich wer kann!“ Kinderbuch Lektorin. Gleich ihre erste Reihe für Mädchen „Der zauberhafte Wunschbuchladen“ ist so erfolgreich, daß schon 5 Bände erschienen sind und mind. 2 vertont wurden und auch die Hexenponyreihe Simsalahicks ist als Buch und Hörbuch erfolgreich.

Ab 8 Jahren sehr empfehlenswert und auch eine schöne Geschenkidee.

Wir bedanken uns herzlich beim Dressler Verlag für diese zauberhafte Leserunde.

Sonntag, 14. April 2019

Nur mal schnell das Lama klauen, Knut Krüger, Illustration Verena Körting, dtv junior



Nur mal schnell das Lama klauen, Knut Krüger, Illustration Verena Körting, dtv junior

Dies ist der dritte Band der „Nur mal schnell“-Reihe, in welcher die drei Freunde Henry, Finn und Zoe (alle 12 Jahre alt) sich sehnlichst ein Haustier wünschen und auf jeweils abenteuerliche Weise zu einem kommen. Jeder Band ist aus der Sicht eines der Kinder erzählt, aus der Ich-Perspektive. Zum Abschluß erzählt Zoe, wie sie nach der Entdeckung des eingefrorenen Kreta-Zwergmammuts Norbert und der Befreiung des hochbegabten Faultiers Fred zu dem kleinen Lamamädchen Emilia kam: Finns große Schwester Mia hat einen neuen Freund, Marcel, der beim Film arbeitet. Die Geschichten von Norbert und Fred fand der so spannend, daß sie verfilmt werden sollen und die Kinder sollen natürlich von Henry, Finn und Zoe persönlich gespielt werden. Um es noch aufregender machen, bucht Marcel noch ein ausgewachsenes Lama-Männchen dazu. Als ein kleines Lama-Mädchen geliefert wird, ist das Chaos groß und Zoe verliebt sich auf der Stelle. Sie bietet an, es übers Wochenende mit nach Hause zu nehmen. Ihre Mutter ist angesichts der winzigen 2 Zimmer-Wohnung von der Idee gar nicht begeistert. Also beschließt Zoe mit dem Lama nach Italien aufzubrechen, um dort ihren Vater zu besuchen, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat.

Man kann diesen Band separat von den 2 anderen Bänden lesen, aber man verpasst echt was, wenn man auf die zwei verzichtet. Meine Töchter haben so viel gelacht bei den ersten Bänden (bei diesem auch), daß es echt schade wäre. Immerhin tauchen wieder ein paar alte Bekannte aus den Vorgängerbänden auf, deren Auftritte witziger sind, wenn man sie schon kennt. Zoe ist unglaublich tierlieb und hat auch ein richtig gutes Gespür für sie. Tiere lieben sie einfach und daher war es auch Zoe, die Norbert und Fred erzogen hat. Andernfalls hätten deren Eltern diese zwei Wildfänge wohl auch nicht aufgenommen. Auch dieser Band fängt wieder sehr furios an. Es gibt nur wenig Wiederholung, um die Erinnerung an die Bände zuvor aufzufrischen, oder Neulingen den Einstieg zu erleichtern. Dafür kann man die drei eigentlich direkt an den Filmset begleiten und Zoes Gedanken belauschen. Das ist ziemlich tröstlich, denn die coole und entspannte Zoe ist ganz schön nervös und aufgeregt, dabei ist sie ja gar nicht allein, sondern umringt von ihren Freunden. Was es bedeutet auf sich allein gestellt zu sein, spürt sie später auf ihrer Flucht mit Lama nach Italien. Auch hierbei ist es sehr schön, daß man durch die Ich-Perspektive direkt an ihren Gedanken teil hat. Das ist vor allem deshalb auch sehr praktisch, da sie sich mit Emilia stets von Kopf zu Kopf über ihre Gedanken unterhält. Emilia ist ganz schön frech! Da entspinnen sich verrückt-freundschaftliche Dialoge, aber auch tröstliche, denn dieser Roadtrip ist auch wirklich aufregend und spannend. Zwischendurch meinte meine Jüngste sogar, es wäre jetzt so spannend, jetzt könne sie wirklich nicht mehr zuhören. Sie fand es auch nicht in Ordnung, daß sie ihrer Mutter und ihren Freunden solche Sorgen bereitet hat. Aus diesem Grund ist der Faultierband ihr Lieblingsband, da im ersten Band, die Henrys leicht exzentrische Oma so lange getäuscht wird.

Anders als bei Henry und Finn, lebt Zoe mit ihrer Mutter alleine in sehr bescheidenen Verhältnissen. Das ist nicht immer einfach, aber sie spricht dennoch nie darüber. Mit Emilia ist es anders, sie öffnet sich und nicht nur ihr gegenüber. Für Kinder ein wichtiges Thema, diese innere Hemmung über einige Themen, die sie besonders bewegen mit anderen zu reden und sich ihnen gegenüber zu öffnen und so wird auch Zoe erfahren, daß es nicht nur ihr so geht. Es macht Mut und zeigt, daß es sich lohnt zu vertrauen und sich zu öffnen.

Sehr angenehm fanden wir wieder die sehr schön große Schrift, die es für Kinder deutlich vereinfacht lesend durch die Seiten zu flitzen. Dabei wird das Erreichen eines jeden neuen Kapitels mit einer neuen unglaublich süßen Zeichnung Verena Körtings von Emilia belohnt. Auch wenn Zoe und Emilia weiblich sind, ist auch dieser Band für Jungs und Mädchen. Nicht nur weil Zoe so cool ist, sondern auch, weil immer dann, wenn meine Große stöhnte, daß sie es gut fände, wenn Henry und Finn auch dabei wären, ein Kapitel aus Sicht von Henry oder Finn erzählt wird. Diese fassen zusammen, was denn gerade so in Deutschland los ist, während Zoe das Abenteuer und ihren Vater sucht.

Die Kinder hatten so viel Spaß an dieser Geschichte, daß wir gleich noch das Hörbuch von Band 1 „Nur mal schnell das Mammut retten“ wieder entdeckt und Band 2 „Nur mal schnell das Faultier wecken“ noch mal gelesen haben. Eigentlich ist dies der letzte Band der Reihe, aber wir hätten da noch ein paar Fragen und so bleibt natürlich die Hoffnung, daß die Serie doch noch fortgesetzt wird.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei dtv junior für dieses langersehnte Rezensionsexemplar.