Mittwoch, 31. Juli 2019

Meine Ökokrise und ich, Illona Einwohlt, Arena Verlag



Meine Ökokrise und ich, Illona Einwohlt, Arena Verlag

Sina ist inzwischen 16 Jahre alt und von ihrem Sandkastenfreund und Nachbarn Yannis getrennt. Nun schwebt sie im 7. Himmel mit Carlos, dem Mitbewohner ihrer besten Freundin Kleo. Dieses Glück wird unterbrochen, als sie mit ihren Eltern in den Nordseeurlaub muss! Doch als sie bei einer einsamen Wanderung eine Kegelrobbe in Not entdeckt und rettet, lernt sie den Umweltschützer Ben kennen, der ihr bisheriges Weltbild ganz schön erschüttert. Fortan kreisen ihre Gedanken um den Umweltschutz, der schon im Kleinen beginnen kann. Als sie mit Kleo aber zufällig eine verletzte Katze aus ihrem Hauswald zur Tierärztin bringt, erfährt sie, daß diese eine geschützte Wildkatze und der Wald von einer Umgehungsstraße akut bedroht ist. Davon hatte sie keine Ahnung und erzählt es empört ihrer Familie und ihren Nachbarn. Diese werden auch sofort aktiv, nur Carlos, der eigentlich Umwelttechnik studieren will, ist mit seinen Gedanken ganz woanders. Sina, Kleo und Yannis treten einem Aktionsbündnis bei und stellen fest, daß Mut und Ideenreichtum gefragt sind, wenn man etwas ändern will. Allerdings stürzt die ihr immer bewusster werdende Umweltbedrohung Sina in eine echte Sinnkrise.

Sina ist ein nettes, intelligentes Mädchen, sehr hübsch, aber mit großen Füßen, großem Herz und großem Freundeskreis und einer intakten Familie (auch ganz erfrischend in einem Buch mal wieder von einer intakten Familie zu lesen). Sina und ihre Freundinnen und Familie kann man in einer ganzen Buchreihe durch die Pubertät mit ihren Hormonwirren begleiten und ihre Höhen und Tiefen mit allen Teeniefragen und -dramen verfolgen. Dies ist der letzte Band, empfohlen ab 12 Jahren, aber auch für Einsteiger verständlich. Dieses Thema hätte meine 12 jährige Tochter auch wirklich interessiert, vor allem da es super aufbereitet ist, mit Infokästen zu den einzelnen Themen, auf die Sina immer wieder stößt, während sie mit offenen Augen durchs Leben geht, allerdings ist Sina beziehungs- und jungstechnisch auf einer Stufe, die für meine Tochter zu erwachsen ist. Oder eben „iiiih, Knutschi, Knutschi“. Sina, hält nicht nur Händchen, sie knutscht auch nicht nur, sie will bei Carlos übernachten, was ihre Eltern nicht wollen, obwohl der Rest ja eh schon läuft... Die Altersempfehlung hängt also ein wenig vom hormonellen Reifegrad und dem Interesse an Beziehungen ab. Wobei mir gut gefällt, daß Sina schon weiß, warum ihre Eltern dagegen sind, nämlich weil sie Carlos nicht kennen, ein Umstand über den Sina dann beginnt nachzudenken... Neben den Umweltaspekten, sind auch Beziehungswarnsignale eingearbeitet und sehr einfühlsam aufgearbeitet, so daß ich dieses Buch älteren Leserinnen so um die 14 Jahre sehr gut empfehlen kann.

Dieser Band erschien 2014, d.h. die Zahlen sind nicht nicht mehr alle ganz aktuell, heute ist es meistens noch viel drastischer, so sind nicht mehr nur 50 % des deutschen Waldes geschädigt, sondern sogar 90 % auf Grund der trockenen Sommer und der immer stärkeren Unwetter, nicht mehr gesund. Dennoch sind auch die Aspekte gedanklich aktuell, was der Einzelne tun kann, auch wenn ich 2019 eher zur LED-Lampe als zur Energiesparlampe greifen würde. Solche technischen Gedankenanpassungen schaffen Leser aber durchaus selbst. Sehr schön, fand ich auch die Autodiskussion von Sinas Eltern, über die Anschaffung eines neuen Dienstwagens, der noch vor dem Dieselskandal stattfand, aber durchaus Feinstaub und Co. berücksichtigt. In diesem Punkt finde ich es eher erschreckend, wie wenig sich in den letzten 5 Jahren getan hat, trotz der Konsumhaltung immer neues und immer mehr haben zu wollen. Wirklich saubere Autos gibt es immer noch nicht, denn der Strom kommt ja nicht aus der Steckdose! Auch die Stromgewinnung und die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden ist Stoff für einen Infokasten. Wer sich also für das Thema Umwelt interessiert, findet viele Infos und Anregungen, die auch den eigenen Alltag beeinflussen können. Wer sich mehr für Sina und ihr Liebesleben und ihre Freundinnen und sonstige Teeniesorgen interessiert, kann sie auch überlesen, was ich aber nicht empfehle. Die Infokästen stören die Lesbarkeit überhaupt nicht und die Geschichte bleibt weiterhin packend!

Als die Tierärztin die Wildkatze als solche entlarvt und auf die Chance des Nabu hinweist, dachte ich sofort: Oh ja, jetzt wird vor dem Verwaltungsgericht geklagt, das kann und darf der Nabu nämlich! Es werden zwar die juristischen Konsequenzen bei Demos und das Versammlungsrecht (so gut habe ich es in keinem meiner Bücher im Grundstudium erklärt gefunden) erörtert, aber die Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden fehlt leider gänzlich. Gerade bei einer bedrohten Tierart wäre dies im Eilverfahren sehr vielversprechend für einen vorläufigen Baustopp. So ist die Rodung des Hambacher Forstes juristisch gestoppt worden und das Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich ging nach nur 100 Tagen vom Netz, weil von der Genehmigung abgewichen wurde, und der Bau wegen einer tektonischen Platte um 1 m von der Genehmigung abweichend errichtet wurde. Manchmal, kann man große Umweltdinge, auch rechtlich lösen und erreichen. In der Liste der Öko-Berufe, über die Sina nach dem Abi nachdenken könnte, fehlt also eindeutig der Umweltrechtler (dafür braucht man einen langen Atem, es ist ein sehr trockenes und sehr langwieriges Rechtsgebiet, das dafür manchmal wahre Wunder wirken kann). Engagement lohnt sich, wie Sina und Yannis beweisen, ich habe nur etwas Bauchschmerzen, bei dem von ihnen gewählten Weg und legalere Mittel wären mir lieber gewesen. Der Zweck heiligt für mich nicht immer die Mittel. Für einen Roman ist so ein Rechtsstreit aber sicherlich etwas trocken und wenig mitreißend, da ist die gewählte Handlung schon interessanter. Im Übrigen gibt es aber sonst keinen Umweltaspekt der nicht behandelt wird.

Mit diesem Band wird die Geschichte von Sina abgeschlossen und abgerundet. Es ist klar, daß Sina, nach all ihren Umwegen und Krisen und Problemen schon ihren Weg finden wird und es wird ein guter sein. Pubertät ist eben auch die Zeit der Selbstfindung und das ist ihr gelungen. Ein toller Mix aus persönlicher Entwicklungsgeschichte und Ökoaufklärung - ein Thema, das uns alle angeht und die Generation „Fridays for future“ besonders bewegt.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ilona Einwohlt für dieses Gewinnexemplar, bei dem auch ich noch einiges gelernt habe. 

Montag, 29. Juli 2019

Dolphin Dreams (4) – Im Meer wartet die Freiheit, Anja Wagner, Loewe Verlag



Dolphin Dreams (4) – Im Meer wartet die Freiheit, Anja Wagner, Loewe Verlag

Summer ist 11 Jahre und 5 Monate alt. Seit dem plötzlichen Tod ihres geliebten Opas vor 7 Monaten spricht sie vor Trauer fast nicht mehr. Sie lebt nun allein mit ihrer Mutter und ihrer 16 jährigen Schwester May und keine von beiden scheint ihre unendliche Trauer zu verstehen. Obwohl das Geld knapp ist und Reparaturen am alten Haus anstehen, schickt ihre Mutter Summer für 4 Wochen mit ihrer Schwester ins teure Ocean Life Rescue Center (Florida) eine Stunde entfernt. Ihre Schwester ist glücklich, wieder diesen traumhaften Ferienjob bekommen zu haben, aber für Summer ist es ein Albtraum. Nicht nur wegen der immensen Kosten. Sie kennt dort niemanden und sie ist fern vom Zimmer und Haus ihres geliebten Opas. Alle werden sie dort sicher nur merkwürdig finden, weil sie nicht spricht. Doch gleich am ersten Tag trifft sie Jack, einen traumatisierten Delfin, so voller Angst, daß er sich nicht auswildern lässt und Vicky, die fröhliche Tochter des Tierarztes. Vielleicht wird man sie ja doch verstehen..

Wegen des schönen Covers hatten meine Töchter beide sofort Lust auf dieses Buch, aber auch sogleich die Befürchtung, es wäre ein Buch mit Liebesgedöns und wollten es nicht lesen. Aber nein, keine Sorge, lediglich Schwester May hat es erwischt und das Geknutsche ist kein Thema. Stattdessen geht es hier um vermeintlich unverstandene Ängste, um Seelenverwandtschaft, Delphine und Freundschaft. Ja, auch wenn Summer nicht redet, gibt es Menschen, die sich für sie mit ihrer stillen, zurückhaltenden Art interessieren. Diese bemerken die ungewöhnliche Verbindung zwischen ihr und dem Sorgendelphin Jack sofort. Dabei wird stets betont, daß Jack ein wildes, freies Tier ist und die romantische Vorstellung von Flipper reine Fiktion. Wildtiere spielen nicht mit Menschen und bleiben stets unberechenbar und somit gefährlich. So werden immer wieder kleine wissenswerte Informationen in das Geschehen miteingeflochten und man dringt als Leser in ihre geheimnisvolle Welt ein. Auch ich habe noch einiges über Delphine lernen können. Wer sich also für Delphine interessiert, wird dieses Buch lieben, so wie wir.
Meine Töchter waren unglaublich gebannt von Summers Traurigkeit, aber auch von ihrem Konflikt mit May. Was da zwischen den Schwestern, die sich einst so gut verstanden, abgeht ist schon ungewöhnlich und doch vertraut. Dies beschreibt Anja Wagner so einfühlsam, daß ich mir beim Vorlesen immer wieder Tränen abwischte und stockte. Dennoch wollten beide Töchter (12 und 10) immer mehr hören und haben mich durch das Buch gejagt in 3 Tagen! Es hat uns alle drei sehr bewegt und auch den Rest des Tages beschäftigt, was man daran merkt, daß die Kinder immer wieder aus heiterem Himmel anfingen, über das Buch oder Themen daraus zu sprechen.
Es ist hoch emotional und wunderschön. Es gibt keine großen Überraschungsmomente, aber viele kleine Highlights, die vielleicht nicht alle unvorhergesehen sind, aber in ihrer Erzählweise einfach wunderschön. Behutsam geht die Autorin darauf ein, was Trauer bedeutet und jeder das Recht hat, anders zu trauern, es gibt da kein richtig oder falsch, selbst innerhalb einer Familie. Das Buch konzentriert sich auf die Themen Freundschaft, Familie und Angst/Trauer ohne sich in Nebenschauplätzen zu verlieren und dadurch vom Kern der Geschichte abzulenken.

Die Dolphin Dreams Reihe spielt in den USA an unterschiedlichen Orten und jeder Band erzählt eine andere Freundschaftsgeschichte, zwischen einem Delphin und einem Mädchen. Daher sind alle Bände unabhängig von einander lesbar, was sich meine Töchter nun auch vorgenommen haben. Die Reihe ist in Antolin gelistet und süße kleine Delphinvignetten zieren die einzelnen Leseabschnitte innerhalb der Kapitel. Die Schriftgröße ist sehr angenehm, ebenso wie der Zeilenabstand. Erzählt wird gut verständlich mit guter Lesbarkeit.

Toll finden beide Mädchen, daß es eine Delphingeschichte ist und nicht immer Pferde, Hunde, Katzen... Eine wunderbare Sommergeschichte, die bewegt und glücklich macht.
Ein unglaublich sensible Geschichte über die Freundschaft zwischen einem verletzten Mädchen und einem nicht minder traumatisierten Delphin.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Anja Wagner für dieses neue Lieblingsbuch!

Sonntag, 28. Juli 2019

Teestunde mit Todesfall – Ein Fall für Wells & Wong (2), Robin Stevens, Knesebeck Verlag



Teestunde mit Todesfall – Ein Fall für Wells & Wong (2), Robin Stevens, Knesebeck Verlag

Fallingford April 1935: Die Osterferien des Internats Deepdean verbringt die 13 jährige Hongkong Chinesin Hazel Wong wieder auf dem Landsitz der Familie Wells, gemeinsam mit ihrer Freundin Daisy, deren 14. Geburtstag ansteht. Wie schon in den Weihnachtsferien hat auch Daisys älterer Bruder Bertie seinen Schulfreund Stephen wieder aus Eton mitgebracht. Außerdem sollen Großtante Saskia, Onkel Felix, ihre Schulfreundinnen Kitty und Küken zur Feier erscheinen und gänzlich unerwartet für Daisy erscheint der ebenso gutaussehende wie dreiste und unverschämte Mr. Curtis, ein viel zu guter Freund ihrer schönen Mutter Lady Hastings. Ebenso überraschend wurde eine neue Gouvernante Miss Alston eingestellt, um die Mädchen zu beschäftigen und ihnen auch während der Ferien etwas bei zu bringen. Während der Unterricht bei ihr außergewöhnlich viel Spaß macht, ist sie dennoch irgendwie keine rechte Gouvernante und gibt den Mitgliedern der Detektei Wells & Wong echte Rätsel auf. Diese treten allerdings in den Hintergrund, als Mr. Curtis bei Daisys Geburtstagskaffeekränzchen vor aller Augen vergiftet wird. Da es in Strömen regnet und niemand ohne eine Wasserspur zu hinterlassen ins Haus käme, kann der Täter nur aus dem Kreis der Hausbewohner stammen. Dieser Fall ist so persönlich, daß selbst Daisy nicht immer einen kühlen Kopf behalten kann, doch da kommt Hazels große Stunde.

Dies ist der zweite Fall der streng geheimen Internatsschülerinnen-Detektei Wells & Wong, mit einem weiteren Mord in den höheren Kreisen – wie ungebührlich!
Zu Beginn lernt der Leser Daisys Familie und die Dienstboten kennen. Die Stimmung ist gut, auch wenn Daisy sich ärgert, daß ihre Mutter sie behandelt wie ein Kind und offensichtlich dicke Luft zwischen ihren Eltern herrscht. Dies steigert sich noch, als Mr. Curtis auftaucht, der jedem außer Lady Hastings absolut  unangenehm ist. Es ist ein Fall einer geschlossenen Gesellschaft. Eigentlich kann es doch keiner der Anwesenden gewesen sein! Daisy und ihre Freundinnen standen zu weit entfernt, weil Daisy schmollte, daß ihre Mutter einen Kindergeburtstag zu ihrem 14. organisiert hatte, aber sonst hätte es jeder in diesem dichten Gedränge um die Kaffeetafel sein können und somit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß es jemand ist, der Daisy am Herzen liegt. Miss Alston verhält sich nun noch verdächtiger als bisher schon, aber welches Motiv könnte sie haben? Auch Onkel Felix, der unbedingt die Polizei heraushalten will wird immer undurchsichtiger. Tante Saskia stiehlt wie eine Elster, aber tötet sie deshalb auch gleich? Butler Chapmann scheint etwas beobachtet zu haben, was Lord Hastings tat und wird immer fahriger und Lord Hastings sieht immer schuldiger aus....Selbst Daisys Bruder und dessen Freund kommen als Täter in Betracht, hat doch besonders Bertie seine Mutter wegen Mr. Curtis zur Rede gestellt und sogar angebrüllt. Irgendwie scheint es diesmal besonders schwierig einen kühlen Kopf zu bewahren und rein logisch zu denken, wenn man persönlich betroffen ist.


Dieses Mal müssen Daisy und Hazel ihre Zimmergenossinnen Küken und Kitty einweihen. Dadurch bekommen sie viel mehr Kontur und Persönlichkeit als im Auftaktband im Internat, in dem die Anzahl der Verdächtigen deutlich größer ist. Das gefällt mir umso besser, da diese beiden auch noch im Halloween-Fall an der Deepdean wieder mitspielen werden. Besonders mag ich den ironischen Blick hinter die verstaubten Kulissen von Fallingford. Die angestaubte Pracht und in die Jahre gekommene Eleganz, des alten Adels, der so ein völlig anderes Selbstverständnis inne hat, als der Protz der Neureichen. Auch wenn der Fall vor fast 100 Jahren spielt und auf technische Ermittlungsmethoden verzichtet werden muss, ist Robin Stevens Sprache zwar nicht modern schnodderig, aber auch für heute Kinder und Jugendliche gut verständlich und leicht zu lesen, ohne dafür das Gespür für die Zeit zu verlieren, in welcher die Handlung spielt. Um dem Leser die eigenen Ermittlungen zu erleichtern, hat Hazel wieder einen Plan vom Grundstück und einen Grundriss der Stockwerke gefertigt, sowie ein Personenverzeichnis mit knapper Charakterisierung. Während der einzelnen Ermittlungsphasen erstellen Daisy und Hazel immer wieder Listen ihrer Verdächtigen mit Motiv und Gelegenheit und streichen nach und nach entlastete Hausbewohner ab. Manchmal stimme ich den beiden in ihrer Einschätzung nicht zu, aber sie haben ja auch kaum forensische Beweise. So macht es wieder richtig Spaß selbst mit zu rätseln und vielleicht sogar die Denkfehler der fast unfehlbaren Daisy, die sich hier sehr menschlich zeigt, aufzudecken.

Ein höchst vergnüglicher Fall, der dieses Mal keine besonderen historischen Bezüge zum Weltgeschehen hat, außer daß Hazel immer wieder darauf hinweist, wie offensichtlich unenglisch sie überall wegen ihres Aussehens auffällt und angestarrt wird. Die Größe des Empires ließ sich damals noch nicht so an der Vielfalt der Hautfarben der Bewohner Englands ablesen.

Ich liebe diese Reihe von Band zu Band mehr und wollte daher auch unbedingt noch den zweiten. Ob ich diesen Fall auch richtig gelöst hätte, wenn ich die Nachfolgebände nicht schon kennen würde, weiß ich nicht. Aber es ist wieder sehr kniffelig, die Hinweise sind alle eingestreut, da heißt es: mitknobeln!

Wieder ein gelungener kurzweiliger Band dieses eigenwilligen Ermittlerduos aus den Spuren von Sherlock und Watson.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für dieses Rezensionsexemplar und freue mich nun umso mehr auf den neuen Band „Mord hinter den Kulissen“ der im September erscheinen wird.

Freitag, 26. Juli 2019

Agatha Oddly (1) Das Verbrechen wartet nicht, Lena Jones, gesprochen von Leonie Landa, Jumbo Verlag 3 CDs 4 Stunden



Agatha Oddly (1) Das Verbrechen wartet nicht, Lena Jones, gesprochen von Leonie Landa, Jumbo Verlag 3 CDs 4 Stunden

Agatha Oddlow ist 13 Jahre alt, 1,60 m groß, hat dunkelbraunes Haar, zum Bob geschnitten. Sie trägt am liebsten Vintage-Klamotten, bei denen sie Kleider ihrer verstorbenen Mutter mit Second-Hand Stücken kombiniert. Ihr Vater ist der Chefgärtner im Hyde Park, wo sie in einem Dienstcottage leben. Agatha wäre am liebsten Detektivin, wie ihr großes Vorbild Hercule Poirot, der  Meisterdetektiv aus der Feder von Agatha Christie. Bis sie dafür alt genug ist, besucht sie dank eines Stipendiums die elitäre Schule St. Regis. Dort wird sie von den Oberzicken der KS (Killerstyle, aber für Agatha nur Klonschwestern) spöttisch Oddly genannt. Mit Liam Lau hat sie wenigstens einen Freund dort, der ebenso schlau ist wie sie und auf den sie sich immer verlassen kann. Ihrer Leidenschaft folgend, ermittelt sie auch in der Schule, doch die von ihr aufgedeckten Skandale nimmt keiner ernst, was ihr jede Menge Ärger einhandelt. Doch dann beobachtet sie, wie im Hyde Park ein Motorradfahrer absichtlich eine ältere Dame anfährt. Als sie ihr hilft, entdeckt sie ein geheimnisvolles silbernes Tattoo. Sie erfährt, daß es sich um eine Wissenschaftlerin für Wasserkunde handelt. Ob da ein Zusammenhang zur plötzlich auftretenden Wasserknappheit durch ungenießbare Algen im Londoner Wassersystem besteht? Ärger hin oder her, dem muss Agatha auf den Grund gehen...

Den Einstieg in dem man Agatha und den lauernden Schatten des Hercule Poirot in ihrem Klassenzimmer kennenlernt, fanden wir etwas gewöhnungsbedürftig, allerdings hält sich Hercule fortan zurück. Meine Töchter kannten Hercule Poirot nicht und merkten daher auch nicht sofort, daß es ein fiktiver Charakter ist. Da hätte ein Blick ins wirklich schön aufgemachte Booklet geholfen: dort werden alle realen und fiktiven Charaktere inklusive Hercule Poirot und Agatha Christie vorgestellt. Agatha ist schon etwas durchgeknallt mit ihrer Fixierung auf Verschwörungen und Verbrechen, aber was soll sie tun? Wie sie später feststellen muß, liegt es ihr a) im Blut und b) hat sie recht! Außerdem verfügt sie über ein fotografisches Gedächtnis und ein unglaubliches Wissen, wovon sie immer mal wieder ein paar Happen mit einfließen lässt. Ja, Krimis können auch bilden!


Mit der Trinkwasserknappheit in europäischen Metropolen und der Vermarktung von öffentlichen Trinkwasserreserven widmet sich Agatha bereits in ihrem ersten Fall einem brandaktuellen Thema. Gerade für die „Fridays for future“- Generation ist das echt spannend und hat bei uns für viel Gesprächsstoff gesorgt. Auch wenn der Bösewicht, der hinter der ganzen Verschwörung steckt auch am Ende nicht gefasst ist und somit noch viel Stoff für weitere Bände besteht, etwas überzeichnet ist, haben die Kinder den ernst der beschriebenen Situation erfasst. Die Aufmachung des Falles mit einer top geheimen Geheimgesellschaft, unterirdischen Gängen und einem Wegenetz unter der Metropole schürt die Spannung und lässt die Bedrohung weniger persönlich erscheinen, dafür umso mysteriöser. Mit Liam hat Agatha einen treuen Freund, auf den jeder zeit Verlass ist und sehr zu ihrer beiden Verwunderung, wird im Laufe dieses ersten Falles ihr Ermittlerteam überraschend größer. Auch weitere Personen werden vorgestellt, von denen wir überzeugt sind, daß wir von ihnen noch mehr hören werden und bei denen wir noch nicht sicher sind, ob sie wirklich nur das sind, was sie vorgeben zu sein. Die Geschichte nimmt immer mehr Fahrt auf, bis sie in ihrem atemberaubenden Finale endet, dieses ist zwar nicht ganz realistisch, aber schlüssig und ein richtiger Kracher!

Lena Jones ist ein Pseudonym für ein junges Autorenteam, das die Reihe „Agatha Oddly“ entwickelt und geschrieben hat.

Leonie Landa, Jahrgang 1994 ist deutlich älter als Agatha und kann daher auch schon auf eine erfolgreiche Schauspielausbildung in New York und Hamburg zurückblicken. Dadurch spricht sie englischen Begriffe wunderbar korrekt aus und klingt dabei dennoch kein bisschen älter als Agatha und nicht minder neugierig und abenteuerlustig. Wir fanden sie sehr frisch und vielseitig und haben ihr sehr gerne zugehört, wie sie Agatha und Liam mit Leben erfüllt. Auch für Autofahrten mit der Familie geeignet, sofern die Kinder mind. 9 Jahre alt sind.

Eine sehr spannende, aktuelle und etwas abgedrehte Mischung!

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Jumbo Verlag für dieses spannend-kuriose Rezensionsexemplar.

Hier findet Ihr die Hörprobe! http://www.jumboverlag.de/data/media/me2439.mp3

Donnerstag, 25. Juli 2019

Herzensbruder – Bruderherz, Andrea Schomburg, Illus. Dorothee Mahnkopf, Tulipan Verlag



Herzensbruder – Bruderherz, Andrea Schomburg, Illus. Dorothee Mahnkopf, Tulipan Verlag

Luise meint, sie wäre eine ganz normale Zwölfjährige, zwar Einzelkind, aber mit netten Freundinnen und liebevollen Eltern. Nun gut, sie sind etwas übervorsorglich, aber sie meinen es ja nur gut, auch wenn sie es manchmal übertreiben. Doch dann geschehen zwei Dinge die ihr Leben verändern: Ihre Mutter will, daß sie für den Besuch eines Freundes des Vaters das Haus aufräumen, wobei sie ein altes Fotoalbum findet. Dabei entdeckt sie, daß sie einen Zwillingsbruder namens Felix hatte, der wohl kurz nach der Geburt gestorben ist. Ist das der Grund für ihre Sorge um sie? Warum haben sie ihr nichts davon erzählt? Die Frage beschäftigt sie unentwegt. Auch noch als sie sich heimlich zum Jugendtheater-Workshop anmeldet, den ihre Eltern ihr aus Angst vor seltsamen Subjekten am Theater verboten haben. Als dort alle bei der Vorstellungsrunde nach Geschwistern gefragt werden, erzählt sie von ihrem coolen Zwillingsbruder Felix, dem Jugendtheaterstar und Hip-Hop-Champion. Alle wollen ihn kennen lernen und so gerät Luise in echte Erklärungsnot, aus der sie ausgerechnet Viktor, ihr verschlossener Klassenkamerad befreit.

Eine unglaublich einfühlsame und humorvolle Geschichte über den Mut zur Wahrheit und dem Mut seine Träume zu verwirklichen. Es ermuntert die Gedankenmauern einzureißen und als die Kreidestriche zu entlarven, die sie eigentlich nur sind. Ja, Luise lügt ganz schön viel, aber erst, nachdem sie merkt, daß ihre Eltern ihr etwas verheimlichen und sie fühlt sich dabei immer und immer unwohler, vor allem weil sie merkt, daß jede Lüge die nächste hinterher zieht. Meine Tochter (10) mag eigentlich keine Romanhelden, die lügen, betrügen oder stehlen, aber bei Luise geschieht dies mit so vielen Gewissensbissen und auch nur, weil sie etwas unbedingt machen möchte, daß ihr zwar verboten wurde, aber völlig zu unrecht. Sie ist eine gute Schülerin und erfüllt all ihre Pflichten, hat nette Freundinnen und eigentlich spricht nichts gegen eine Teilnahme. Das Schauspiel als solches ist weder verboten, noch hat es einen schlechten Einfluss, ihre Eltern machen sie nur Sorgen, weil die Gruppe nicht direkt in der Nachbarschaft probt. Doch wer in der Großstadt lebt, muss seinen Kindern auch mal etwas zu trauen, wenn sie älter werden. So erfüllt sich Luise ihren eigenen Traum, den vom Theater, den davon mal etwas ganz alleine auf die Beine zu stellen, und den von einem großen Bruder, auch wenn Viktor nicht älter ist als sie. Aber Viktor hat Lebenserfahrung und sie kann nicht nur ihn kennenlernen, sondern auch viel von ihm. Für beide ist es ein Gewinn und beide gewinnen durch den Anderen an Mut und Selbstvertrauen. Allerdings müssen sie feststellen, daß ehrlich doch am längsten währt, da selbst in der Großstadt man solch eine Posse nicht unendlich durchziehen kann, ohne aufzufliegen und es ist auch ganz schön anstrengend! Das hat uns beiden sehr gut gefallen. Kinder und Eltern werden ermutigt: miteinander zu reden, ehrlich zu sein, einander mehr zu zutrauen und die Ängste im Kopf zu besiegen!


Als Mutter musste ich mal wieder grinsen, über die schier unvermeidliche Unordnung im Akademikerhaushalt – zu gerne würde ich  mir diese Seiten einrahmen.

Dabei ist der Schreibstil von Andrea Schomburg wunderschön leicht und selbstverständlich, trotz des ernsten Themas. Meine Tochter wollte immer wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Wie das Theaterstück sich entwickelt und ob Luise und Viktor auffliegen. Die Autorin hat jahrelang als Gymnasiallehrerin gearbeitet, was sich an der guten Lesbarkeit der Geschichte zeigt. Kein unbekanntes Wort, nichts, was ein Kind nicht auf Anhieb versteht, dafür aber Gefühle, die direkt ins Kinderherz gehen. Diese Geschichte ist in Prosa geschrieben, was bei der Lyrik liebenden Autorin ungewöhnlich ist. Dafür sind die Liedtexte von dem selbstgeschriebenen Musical als Anhang abgedruckt, zu singen nach einer Melodie der eigenen Wahl!

Auch wenn dieser Roman schon für ältere Kinder ab 10 Jahren ist, ist er dennoch zweifarbig illustriert. Mit präzisen Strichen fängt Dorothee Mahnkopf die Stimmungen und Situationen ein, egal ob Kuscheltier oder die patente Nachbarin Frau Krauseminze, die uns richtig ans Herz gewachsen ist.
Ein kleiner Roman, der sich für uns zum Herzensbuch entwickelt hat.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Tulipan Verlag für dieses wunderbare Rezensionsexemplar.

Mittwoch, 24. Juli 2019

Besser als Bus fahren – die Online-Omi legt ab, Renate Bergmann, Der Audio Verlag 3 CDs 3 h 38 min



Besser als Bus fahren – die Online-Omi legt ab, Renate Bergmann, Der Audio Verlag 3 CDs 3 h 38 min

Renate Bergmann denkt sich: das letzte Hemd hat keine Taschen, da soll man sich das Leben schön machen, solange man es hat. Es wäre doch ganz wunderbar, einmal mit ihrer Freundin Gertrud eine schicke Kreuzfahrt mit allem Drum und dran auf so einem Traumschiff zu machen, wie bei Sascha Hehn. Ist ja auch tatsächlich günstiger, als das Leben in einem Altersheim, nicht daß sie beiden so etwas nötig hätten. Die Frage ist nur, wo soll es denn hingehen? Es soll ja trotz allem nicht zu strapaziös und doch auch ein bißchen aufregend sein. Da klingt doch eine Mittelmeer-Kreuzfahrt mit Italien, Kroatien, Griechenland und Mallorca ganz wunderbar. Tochter Kerstin hat natürlich gleich so ihre Bedenken, ob ihre Mutter das denn noch schafft, aber eine Renate Bergmann übersteht auch trotz künstlicher Hüfte einen Gesundheitscheck und das Sicherheitspersonal am Flughafen sollte sich besser in Acht nehmen, ehe sie zu zudringlich werden! Auch auf den Landgängen können die Einwohner so mit einigem rechnen.
 

Renate Bergmann, geb. Strelemann wohnt in Berlin-Spandau, kommt aus dem Osten, Trümmerfrau, vierfach verwitwet, eine Tochter Kerstin, die in Köln lebt, aber sie hat ja noch Neffen Stefan mit Familie vor Ort, den Senioren-Club, ihre Schulfreundin Ilse und ihren Mann Kurt und die Nachbarn.... Da ist natürlich immer was los, denn eine Renate Bergmann ist organisiert und will was erleben und nicht den ganzen Tag auf dem Sofa vor dem Fernseher hocken! Für Fans der Reihe werden viele der vertrauten Figuren nur am Rande vorkommen, was für diese wohl etwas schade sein dürfte, für Neueinsteiger wie uns, macht es den Start einfacher. Für zwei rüstige alte Damen ist es natürlich ein Abenteuer eine solche Reise anzutreten, aber sie haben ja schon viel erlebt in ihrem Leben, da bekommen sie das auch noch hin. Aber dieser neumodische Kram am Flughafen? Und wo steckt denn bloß Sascha Hehn, auf den sich doch Gertrud so gefreut hat?  Hier werden Stereotypen und Klischees wild durcheinander gewürfelt. Von meiner Oma, über meine Großtante, Schwiegermutter und Mutter, haben wir sie alle an verschiedenen Punkten wieder entdeckt. Womit ich allerdings nicht gerechnet habe ist, dass es den Kindern auch solchen Spaß macht, dabei ist ihnen weder das Traumschiff, noch Sascha Hehn ein Begriff. Aber Bastelkurse auf Kreuzfahrten kennen sie von Oma und Opa, die sie immer mit ihren Werken beglücken. Von einigen Exzessen abgesehen, sind die Beschreibungen also wirklich sehr treffend, auf humorige Art. Da eine Renate Bergmann nicht auf den Kopf und Gertrud nicht auf den Mund gefallen ist, sind die zwei patenten Frauen aus Spandau schon bald auf dem Schiff bei allen bekannt. Selbst Thrombosestrumpfhosen und Seekrankheit können die zwei nicht ausbremsen und was es da alles für interessante und merkwürdige Leute auf so einer Reise gibt! So isses halt das Leben!

Die Online-Omi hat meine Familie so gut unterhalten, daß sie sofort fragten, ob es denn auch noch weitere Folgen von ihr geben würde, und ob ich sicher sei, daß noch mehr Folgen erscheinen würde. Die Skepsis der Kinder liegt wohl in der Sorge um Renate Bergmanns Alter von 82 Jahren. Aber da konnte ich sie beruhigen, daß hinter Renate Bergmann ein Autor namens Torsten Rohde, Jahrgang 1974 steckt, der sich für seine Kunstfigur einmal einen Twitter-Account zulegte, der quasi über Nacht zum Erfolg wurde. Solange ihm die Ideen nicht ausgehen, ist ein Ende nicht abzusehen.

Carmen-Maia Antoni ist 1945 in Berlin geboren und Vollblutschauspielerin. Da sie jünger ist als Renate Bergmann ist auch hier nicht mit einem baldigen Ende der Vertonungen zu rechnen. Es ist nicht das erste Mal, daß sie mir als Sprecherin mit Leib und Seele auffällt, aber dieses Mal ist sie für mein Empfinden und das meiner Familie, die perfekte Besetzung mit ihrer resoluten etwas dunklen und sicher nicht zimperlichen Stimme. So klingt keine Zauderin, die Frau hat Power, das hört man sofort. Trotzdem kann sie ein Staunen und Wundern nicht immer verbergen. Absolut überzeugend und so ist sie nicht nur dem Publikum des Berliner Ensembles bekannt, sondern auch einem breiten Fernsehpublikum sei es aus dem Tatort, Rosa Rot, Mord mit Aussicht, Horst Krauses Schwester...

Vergnügliche Familienunterhaltung, wunderbar kurzweilig für lange Autofahrten, mit Beobachtungen rund um das Leben.... ab 10 Jahren und ohne sprachliche Entgleisungen oder Anzüglichkeiten, dafür steht eine Renate Bergmann mit ihrem guten Namen.

Seit kurzem sogar als günstige Doppelfolge Besser als Bus fahren/Das kann man doch noch essen!

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Der Audio Verlag für diese vergnügliche Familienurlaubsunterhaltung!

Mit Hörprobe:

Sonntag, 21. Juli 2019

Tod am Strand – Miss Fishers mysteriöse Mordfälle, Kerry Greenwood, Insel Taschenbuch



Tod am Strand – Miss Fishers mysteriöse Mordfälle, Kerry Greenwood,  Insel Taschenbuch

Miss Fishers mysteriöse Mordfälle ist eine Kultkrimireihe aus Down Under und spielt in den wilden Zwanzigern. Obwohl die Serie auf ZDF neo läuft, haben sie auch schon mehrere meiner Freundinnen für sich entdeckt. Ich schaue sie zeitverzögert, wenn die Kinder im Bett sind und schlafe dabei gelegentlich ein! So auch bei diesem Fall, der bereits ausgestrahlt wurde und bei dem ich mich fragte, wer denn all diese Leute sind, die nicht unbedingt alle in den übrigen Folgen der Staffeln vorkamen. Da hilft nur nachlesen! Tatsächlich weiß ich nun, wer wer ist und wie alles zusammenhing:
Die ehrenwerte Miss Phryne Fisher ist eine mondäne, unabhängige englische Aristokratin, die sich den gesellschaftlichen Erwartungen ihrer Zeit nicht beugen möchte. Nach ihrem Einsatz als Rettungswagenfahrerin im großen Krieg, hat sie es auf dem väterlichen Schloss in England nicht ausgehalten und sich als Detektivin selbstständig gemacht. Als eine Mordermittlung sie nach Australien verschlug, gefiel es ihr, so weit von ihrem Vater entfernt, und sie ließ sich nieder. Inzwischen hat sie sich einen Ruf in der besseren Gesellschaft erarbeitet, zwei Adoptivtöchter Jane und Ruth, eine Assistentin Dorothy genannt Dot, und das Ehepaar Mr. und Mrs. Butler runden neben Hund Molly und Katze Ember den Haushalt ab. Die schöne Phryne liebt ihre Freiheit und genießt die hingebungsvollen Besuche ihres Liebhabers Lin Chung, überlässt ihn für den Alltag aber gerne seiner frisch gebackenen Ehefrau Carmellia.
Das alljährliche Blumenfest steht an und da sie sich als äußerst großzügige Spenderin für den Wohltätigkeitsfond des neuen Bürgermeisters erwiesen hat, soll dieses Jahr Phryne die Ehre haben, als Blumenkönigin den Festumzug, begleitet von 4 Blumenprinzessinnen, zu krönen. Leider sind ihre Blumenprinzessinnen nicht ganz nach ihrem Geschmack, oberflächlich, bisweilen sogar einfältig und boshaft. Doch dann verschwindet ausgerechnet die labilste von ihnen und Phryne bekommt den Auftrag das Mädchen aus gutem Hause zu finden, um einen Skandal zu vermeiden. Allerdings interpretiert sie ihre Aufgabe recht eigenwillig im Sinne des Mädchens, als sie merkt, das viel mehr dahinter steckt, als eine Backfischlaune...
Der englische Originaltitel heißt übrigens übersetzt: Die Blumenkönigin, ein für meinen Geschmack viel passenderer Titel, da am Strand keine Leiche gefunden wird und auch sonst kein gewaltsamer Tod zu verzeichnen ist, nur der Versuch... Es verschwinden zwei Mädchen, dem einen wird nach dem Leben getrachtet, das andere soll gegen ein Lösegeld frei gelassen werden, aber es ist vor allem ein Roman, mehr als ein blutiger Krimi. Bis das erste Mädchen verschwindet muß man daher auch ca. 1/3 des Buches lesen. Setzt man den Schwerpunkt auf Roman, macht dies nichts, denn die doch recht eigene Welt der ebenso exzentrischen wie klugen Miss Fisher ist durchaus unterhaltsam und interessant. Die Charaktere bekommen sehr viel Zeit sich vorzustellen und zu entwickeln, was mir in der TV-Serie bisweilen zu kurz kommt, sofern man sie nur gelegentlich schaut.
Bis auf den Titel finde ich die Übersetzung übrigens ausgesprochen gelungen und mit viel Gefühl für den damaligen Zeitgeist, die Sprache und die Sitten. Die zarte Ironie und die Distanz mit der Phryne das Leben betrachtet, sich ihre Freiräume schafft und sich bisweilen zum Wohle anderer zurücknimmt, wird pointiert geschildert. Das verleiht dem Roman trotz der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen, denen Phryne auf den Grund geht, eine gewisse Leichtigkeit, ohne die moralische Verdorbenheit der verschiedenen Täter herunter zu spielen. Auch wenn Phryne bisweilen andere moralische Werte als das Bürgertum pflegt, so respektiert sie stets den freien Willen ihrer Mitmenschen, diesen zu brechen ist für sie tabu. So darf man sie zu den amtierenden Unterweltgrößen von Melbourne begleiten, verfolgt die Veränderung von St. Kilda, einem Hafenstadtteil, der inzwischen wieder schwer angesagt ist, auch wenn er sich vor 100 Jahren dank der zunehmenden Automobilisierung auf dem absteigenden Ast befand und taucht in die Welt der Schausteller und Zirkusleute ein. In die einzelnen Kapitel werden immer wieder Briefe eingeflochten, die Hinweise auf die Hintergründe der Taten geben, wobei ich mir auch am Ende noch nicht ganz sicher bin, ob die Detektivin diese Briefe je selbst zur Kenntnis genommen hat, oder ob diese dem reinen Gedankenkitzel des Lesers dienen sollen.

Es ist ein kultivierter KriminalRoman, bei dem die Erzählung und die Entwicklung das Ziel sind. Wunderbar für eine genussvolle Lektüre am Strand und eher nicht für schlaflose Nächte. Wer emanzipierte Frauen in den roaring Twenties mag, der wird hier seine Freunde haben, denn Phryne Fisher ist eine große Vorreiterin der Frauenbewegung, wenn auch ohne großes Tamtam. So lässt sie gerne ihre Probleme von ihrer Anwältin lösen und ich wette, daß diese damals die einzige Frau dieses Berufstandes in Melbourne war.....

Dieser Kriminalroman ist ein sprachlicher und gesellschaftlicher Genuss. Ich weiß zwar immer noch nicht, wie eine englische Adelige zu einem so profanen Namen wie Fisher kommt, aber ansonsten habe ich einiges über Phrynes Vergangenheit gelernt.

Wunderbar historisch und modern zugleich, für Liebhaber von Krimis, die ihren Plot ohne Hektik entfalten.

Freitag, 19. Juli 2019

Interview mit Gabriele Keiser zu dem Krimi „Ahrweinkönigin“



Interview mit Gabriele Keiser zu dem Krimi „Ahrweinkönigin“

Liebe Gabi, Dein neuer Krimi „Ahrweinkönigin“ konnte mich diesmal wieder voll und ganz überzeugen. Wie bist Du auf die Idee gekommen? Stand zuerst die Tat, das Thema oder der Tatort fest?


Hast Du Dir zur Vorbereitung selbst auch die Wahl zur Weinkönigin angeschaut?


Diesmal verknüpfst Du Afghanistan mit dem Ahrtal. Zwei Orte, die man nicht unbedingt miteinander in Verbindung bringt, was hat Dich daran gereizt?


Weißt Du schon, wohin es Franca und Clarissa das nächste Mal verschlagen wird, oder hast Du noch keine konkrete Vorstellungen?


Was verbindet Dich mit Deiner Kommissarin Franca? Beim Lesen hatte ich durchaus manchmal das Gefühl, daß Du Dich in ihr ein wenig selbst mit einbringst.



Clarissas freche T-Shirts und kessen Sprüche bringen mich immer wieder zum Grinsen? Ist sie reine Fiktion, oder gibt es für sie menschliche Vorbilder?


Welches der angesprochenen Themen in diesem Krimi liegt Dir am meisten am Herzen?


Vielen lieben Dank für Deine Geduld!

Mittwoch, 17. Juli 2019

Ahrweinkönigin, Ahr-Krimi, Gabriele Keiser, Gmeiner Verlag



Ahrweinkönigin, Ahr-Krimi, Gabriele Keiser, Gmeiner Verlag

In dem heißen Spätfrühling 2018 macht Kommissarin Franca Mazzari mit ihrer jungen Kollegin Clarissa und der etwas älteren Karin einen Ausflug ins Ahrtal, ohne zu ahnen, dass sie diese Strecke von Koblenz aus in der nächsten Zeit noch oft werden fahren müssen. Alljährlich findet im Ahrtal die Wahl der Weinkönigin statt, die das Ahrtal national und international vertreten soll. Pfingstfreitag wurde für die mindestens ebenso charmante wie beliebte Melanie Dellinger ein Kindheitstraum wahr. Doch nur wenige Tage nach ihrem Sieg, wurde die attraktive junge Frau nicht mehr gesehen. Niemand nimmt die Sorgen ihrer gluckenhaften Mutter ernst, bis Melanie von Geocachern tot in einem abgelegenen Teil der Ahr tot aufgefunden wird. War es ein Unglücksfall oder doch ein gewaltsamer Tod? Noch ehe die Todesursache fest steht, hören sich die Kommissarinnen um. Sie stoßen auf eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung, aber keine Neider, nur Bewunderer, für die fröhliche, hilfsbereite und aktive junge Frau.

Dies ist ein Ahr-Krimi, der wirklich wunderbare Eindrücke zu Geschichte, Geographie, Weinanbau und kulturellen Besonderheiten des idyllischen Ahrtals vermittelt. Doch bei aller Ahr-Romantik geht es um viel mehr. Es geht ums Denken und Besinnen. Es geht um Geschichte, die sich nie wiederholen soll und doch fangen kleine böse Gedanken schon wieder an, sich in den Köpfen festzusetzen, zumindest versuchen sie es, wenn man sich nicht dagegen wehrt. Sehr eindrücklich beschreibt Gabriele Keiser, wie leicht es den meisten fällt, sofort den afghanischen Schützling des Opfers zu verdächtigen. Einfach weil es so einfach ist und die Schuld so schön weit weg weist. Dabei wird angeregt über die Wurzeln nachzudenken und die aktuelle Situation in Afghanistan, über die sich die meisten Menschen nicht genug informieren, oder sie sich nicht genug Gedanken machen, was Flucht und Neuanfang für die Betroffenen aus den Krisensituationen bedeutet. Nachplappern ist einfacher, als selbst zu denken. Das findet sich auch im Ermittlungsstab wieder. Denn die Kommissarinnen Franca und Clarissa treffen nicht nur auf Vorurteile Flüchtlingen gegenüber, sondern auch Frauen. Aber da sind die Kollegen bei ihnen an der falschen Adresse. Sehr sympathisch, wie die zwei unterschiedlichen Frauen sich ergänzen und es durch gegenseitige Achtung und Respekt vor der Erfahrung und der Kenntnis der technischen Neuerungen es somit wirklich weit bringen. Während die junge, unangepasste Clarissa sich mit Dingen wie Geocaching, Instagram, Scramming und Co. auskennt, verfügt Franca über einen großen Erfahrungsschatz aus vergangenen Mordfällen, hat schon viel gesehen und gelesen und kann auch auf großes geschichtliches Wissen zurückgreifen, welches diesen Roman sehr bereichert. So konnte ich mal wieder eine Menge über meine Heimat lernen, obwohl ich gerade diesen Ahrsteigweg schon gegangen bin. Oh ja, er ist nicht ohne und mutet bisweilen alpin an und ist anstrengend. Nicht unbedingt eine Rentnerrunde aber sehr erlebnisreich und beeindruckend. Absolut treffend beschrieben. Die historischen Denk- und Mahnmäler werden wir aber noch aufsuchen. Der beschriebene Regierungsbunker ist übrigens wirklich eine Reise wert! Aber keine Sorge, dieser Roman ist wirklich ein Kriminal-Roman und kein Werbeprospekt des Fremdenverkehrsamtes. Was ich diesmal wieder sehr überzeugend fand, war die logische und psychologische Schlüssigkeit der handelnden Personen. Ich kann nachvollziehen, wenn auch nicht nachempfinden, warum tat, was getan wurde und der Tathergang ist schlüssig und logisch. Durch den Dialog zwischen Franca und Clarissa lernt man aber nicht nur die Gegend und ihre Geschichte kennen, sondern ältere Leser bekommen von Clarissa, ebenso wie die ahnungslose Franca, klar und verständlich „neumodischen Schnickschnack“ wie Geocaching und die Gefahren der social media erklärt.

Gabriele Keiser nimmt einen mit in die Abgründe unsicherer Seelen. Hinter manch scheinbar unauffälligem Mitbürger vermag es doch zu brodeln, durch Qualen in der Kindheit oder Überempfindlichkeit und vermeintliche Verletzungen. Dabei überzeugt dieser Krimi sowohl durch seine elegante Sprache, als auch durch seine interessante Struktur. Während man den Kommissarinnen bei den Ermittlungen über die Schulter schaut und auch der Mutter und der Familie ihrer besten Freundin in die gute Stube, weiß der Leser aber noch mehr. Er liest die geheimen Nachrichten, die Melanie auf ihrem Handy hatte, das Handy, das verschwunden ist, wie auch ihre Schlüssel. Eine Kommunikation, die immer persönlicher wird und von Melanie streng gehütet wurde. Hierdurch wird man immer wieder daran erinnert, dass doch jeder Mensch, egal wie gut wir ihn zu kennen glauben, seine Geheimnisse hat. Geheimnisse, die zum Tod führten oder nur das Leben spannender machten?

Überzeugend und tiefgründig vermochte mich der siebte Fall von Franca Mazzari wieder voll zu überzeugen, nachdem ich den sechsten Fall etwas schwächer fand, aber auch nicht schlecht. Er ist übrigens auch für Neueinsteiger der Reihe geeignet.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Gmeiner Verlag für dieses anregende und spannende Rezensionsexemplar.

Dienstag, 16. Juli 2019

Achtsam Morden, Karsten Dusse, gelesen von Matthias Matschke Random House Audio 7 h 22 min gekürzt


 

Achtsam Morden, Karsten Dusse, gelesen von Matthias Matschke Random House Audio 7 h 22 min gekürzt

Björn Diemel ist nun seit 10 Jahren Strafverteidiger in einer mittelgroßen Kanzlei, dennoch ist er noch immer kein Partner, andere, die nach ihm kamen aber schon. Gut, Diemel hat nur einen Mandanten Dragan, mit viel Geld. Er bezahlt auch, aber dafür hält er Björn Tag und Nacht auf Trab und gut für's Image ist so ein Boss der o.K. (organisierte Kriminalität) nicht. Das findet auch seine Frau Katharina, die die Nase voll davon hat, daß der Verteidiger per Handyanruf bei Fuß stehen muss und sich doch sehr verändert hat (ob sie sich auch verändert hat, fragt sie aber nicht). So ein Gesocks will sie nicht in der Nähe ihrer Tochter haben. Das muss sich ändern, Björn muss sich ändern. Wenn die Ehe noch eine Zukunft haben soll, soll er Achtsamkeitskurse besuchen. Widerwillig und deutlich zu spät taucht er bei seinem Coach auf. Aber klar, noch sind ihm die Regeln der Achtsamkeit kein Begriff, doch er lernt schnell. Noch schneller findet er Gefallen daran und versucht sie zu Gunsten seiner Work-Life-Balance auf alle Bereiche seines Lebens zu übertragen. Daher trennt er sich erst mal von seiner Frau und führt Zeiten nur für seine Tochter ein. Aus Unachtsamkeit vergisst er jedoch einmal das Handy auszustellen und Dragan hat kein Verständnis für die Papizeit. Da muss er halt am eigenen Leibe spüren, was sein Anwalt für Fortschritte gemacht hat, denn Achtsamkeit hilft bei allem, auch beim Morden!

Zu Beginn finde ich die Beteiligten alle sehr unsympathisch, bis auf Diemels Tochter. Doch der Kollege lernt und verinnerlicht das Gelernte. Dabei erklärt er die Regeln dann auch ganz verständlich für die Hörer, wenn auch an bisweilen völlig absurden Beispielen. Ja, ich gebe zu, ich konnte bislang mit diesem Begriff nichts anfangen, irgendso ein fancy-life-style-Begriff... Eigentlich soll man sich auf das Wesentliche konzentrieren und dem, was man gerade tut, seine volle Aufmerksamkeit schenken, dabei vermeidet man auch Fehler. Dummerweise ist Björn bei der Beseitigung seiner ersten Leiche mal kurz unaufmerksam und schon entstehen die Probleme. Ja, die erste Leiche, denn es werden ganz schnell mehr! Wenn man erst mal anfängt, gibt es kein Halten mehr, könnte man meinen, aber nein, so ist es nicht. Er ist einfach in eine ganz dumme Situation hineingeschlittert und nun ist sein Leben bedroht, von echten Profis. Das kann er doch nicht einfach so auf sich zu kommen lassen. Als planvoll strukturierter Mensch, sieht er die Gefahren kommen und entwickelt ganz wertfrei erstaunliche Lösungsansätze. Dabei geht es nicht nur darum den Mord zu vertuschen, den Streit mit seiner alten Kanzlei zu seinen Gunsten zu drehen, sondern auch noch nebenbei seiner Frau und seiner Tochter was Gutes zu tun und den Geschäftsbereich der Organisation dann doch mehr in eine erfreulichere Richtung zu schieben....

Karsten Dusse ist Rechtsanwalt und kennt die Leiden dieses Standes. Die Absurdität dieser Kanzleien beschreibt er wunderbar und sehr treffend, ebenso wie die wirtschaftlichen Zusammenhänge des hippen Startups für Weltverbesser. Überhaupt bringt er die Dinge auf dem Punkt, nur eben mit bisweilen einem sehr schrägen Blickpunkt. Das macht es sehr vergnüglich. Kein Wunder, immerhin hat er auch schon den Deutschen Comedypreis gewonnen! So ist ihm ein herrlich schräger Mordsspaß gelungen. Die meisten lustigen Krimis sind ja eher gemütlich. Das ist dieser nicht. Hier fließt Blut, da fliegen menschliche Teile und die Handgranaten werden großzügig eingesetzt. Klar, schließlich gibt’s die ja zum Einkaufspreis. Also nicht unbedingt etwas für zarte Seelen, aber sehr schwarzer Humor, wenn auch moralisch nicht ganz korrekt. Aber was kann man von einem Anwalt schon anderes erwarten? Großes Vergnügen bereitet es einfach Matthias Matschke zu zu hören, wie er seine Beobachtungen von sich gibt und dabei nicht für jeden (weniger achtsamen Menschen) offensichtlicheSchlüsse zieht. Gekonnt spielt er mit der trockenen Überlegenheit des analytischen Anwaltsverstandes, in bedächtig nachdenklichen Ton, der bisweilen auf den brutal, hitzigen Prollton des Mafioso trifft. Doch auch Luxus-Muttis, vermeintliche Weltverbesserungshipster und Sekretärinnen bekommen ihr Fett weg! In seiner achtsamen Anwaltsstimme klingt er dabei ganz ruhig und besonnen. Da er jedoch auf ganz unterschiedliche Menschen trifft, wird es nie monton, denn auch diese vermag der Comedian und Schauspieler gekonnt zu intonieren. Schade nur, daß er nicht immer die gleiche Lautstärke beibehält, man kann dieses Hörbuch daher schlecht ganz leise hören. Es sind aber keine starken Schwankungen, also durchaus autotauglich.

Am Ende weiß man den Achtsamen in seinem neuen Leben angekommen und in sich ruhend. Fragt sich nur, ob noch weitere achtsame Morde von Hörern und Lesern bezeugt werden können?

Nicht unbedingt ein Familienhörbuch und vielleicht auch nicht für die Tee-Damen, aber herrlich schwarz und unkorrekt.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio und dem Bloggerportal für diesen rabenschwarzen Spaß.