Inspector Swanson und das schwarze Museum, Robert C. Marley,
Dryas
London 1894, eigentlich befindet sich Chief Inspector Donald
Sutherland Swanson schon auf seiner Abschiedsrunde in Scotland Yard, um seinen
14-tägigen Familienurlaub in Schottland anzutreten. Doch die Pflicht ruft und
er muß erst noch einen Abstecher zur heutigen Eröffnung des Kriminalmuseums,
dem sogenannten „schwarzen Museum“ im Keller des Gebäudes machen, wo er auch
den berühmten Schriftsteller Conan Doyle trifft und zahlreiche Journalisten.
Dies ist im Zug schon fast wieder vergessen, als dieser unvermittelt hält. Ein
wohlhabender Passagier in einem Schlafwagenabteil wurde ermordet und niemand
hat es mitbekommen. Die Tat ist äußerst rätselhaft. Ehe er erdolcht wurde,
explodierte eine Taschenuhr in seiner Weste und verletzte ihn schwer. In der
Jackeninnentasche befindet sich ein Brief in einem Freimaurercode. Swanson ist
der einzige Polizist vor Ort und selbst Freimaurer. Da muß der Familienurlaub
erst mal warten, denn er muß vor Ort die Spuren bewerten und einem Verdächtigen
folgen. Nicht lange und der Fall wird persönlich, wie persönlich ahnt Swanson
aber vorerst nicht. Nicht nur die Freimaurer tauchen bei diesem kniffeligen
Verbrechen immer wieder auf, auch der berühmte Kriminalautor hat immer wieder
kurze Gastauftritte.
Schon bei der Wahl der Vornamen Donald Sutherland seines
Inspectors hat Robert C. Marley Sinn für Humor bewiesen. So wie auch der
berühmte Schauspieler ist auch der Chief Inspector ein beeindruckender Mann,
aber ohne persönliche Skandale, er überzeugt durch sein können und seinen
scharfen Verstand.
Dieser viktorianische Krimi überzeugt vor allem durch sein
Zeitempfinden und seine Kniffeligkeit. Es gibt keine spektakulären
Verfolgungsjagden, bis zum Schluß, denn selbst der Täter, den Swanson verfolgt,
hat so viel Vorsprung, daß erst mal keine Gefahr droht. Es ist vor allem ein
Whodunnit. Bis zum Ende tappte ich im Dunkeln, was die Identität des Täters
anbelangte und das, obwohl ich eine Krimipause eingelegt hatte, weil mir der
Täter in den letzten Krimis viel zu früh offensichtlich oder unlogisch vorkam.
Während ich mir also den Kopf über die Identität des Täters zerbrach, erfreute
ich mich an den kleinen Details am Rande. Der Möchtegern-Autor Abraham Stoker
schleicht nachts über den Friedhof von Highgate, um für seinen geplanten großen
Vampirroman, der die Literarturwelt revolutionieren soll, die Atmosphäre zu
erspüren. Sir Arthur Conan Doyle, der vor Kurzem sein geistiges Kind Sherlock
Holmes, das Fluch und Segen zugleich für ihn war, literarisch hat sterben
lassen, um auch andere Romane schreiben zu können, hat immer wieder kurze, aber
nicht unbedeutende Auftritte. Oscar Wilde, Jack the Ripper und andere Größen
der damaligen Zeit finden Erwähnung am Rande. Zudem verschafft der Krimi
Einblick sowohl in die geheime Welt der Freimaurer, als auch in den
Verbreitungsgrad dieser Bruderschaft. Das Buch ist in 7 Teile unterteilt, die
alle mit einem Vorsatzpapier, das eine alte Dampflok zeigt die von links nach
rechts das Bild durchquert und einem jeweils wechselnden Zitat eines berühmten
Freimaurers (?) eingeleitet wird z.B. „Jedes zu große Übergewicht von einer
Seite stört die Freundschaft“ Adolph Freiherr von Knigge.
Dieser Band ist Teil der „Baker Street Bibliothek“, also der
viktorianischen Krimis, dieses Verlages der auf Krimis spezialisiert ist, die
in England spielen. Die Baker Street Bibliothek mag ich schon wegen ihrer
wunderbar nostalgischen Aufmachung sehr gerne. Es gibt einen farbigen Schnitt,
eine Vignette zu Beginn eines Kapitels, ein Glossar am Ende und oft auch Karten
und Skizzen. Eine Karte war hier entbehrlich, dafür wird der Winkelcode der
Freimauer skizziert und erläutert.
Robert C. Marley, Jahrgang 1971 ist Autor,
Kriminalhistoriker, Goldschmiedemeister und Mitglied des Syndikats – der
Vereinigung deutschsprachiger Krimiautoren. Natürlich liebt er seit seiner
Jugend Sherlock Holmes und Agatha Christie.
Ein kniffeliger Krimi mit Stil und Klasse, ein echtes
Lesevergnügen, das 5 von 5 Krimisternen verdient.
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