Donnerstag, 30. Januar 2020

Dog Man und Cat Kid, Dav Pilkey, Adrian Verlag



Dog Man und Cat Kid, Dav Pilkey, Adrian Verlag

Dies ist bereits das 4. Superhelden-Abenteuer von Dog Man! Die Dog Man Comics haben eine Rahmenhandlung: Harold und George, beide Schüler der 5. Klasse und gelangweilt vom Unterricht. In der Schule bekommen sie ständig Klassiker der Amerikanischen Literatur vorgesetzt, mit denen sie nichts anfangen können, außer dass es eigentlich nur um den Kampf von Gut gegen Böse geht, wie auch bei John Steinbecks „Jenseits von Eden“. Sie können das viel besser, drum entwerfen sie in ihrer Freizeit ihre eigenen Graphic Novels über den Kampf von Gut gegen Böse, oder ganz konkret, von Dog Man gegen den bösen Kater Pitey. Pitey will nun endlich die Herrschaft an sich reißen. Um Dog Man auszutricksen, hat er sich selbst geklont und seinen Kätzchenklon bei Dog Man eingeschleust. Von ganz Nahem soll nun ein neuer Bösewicht heranwachsen und Dog Man das Handwerk legen. Doch so ganz geht der Plan nicht auf. Der kleine Pitey ist zwar total clever und arbeitet ganz geschickt am Roboter 80 HD, aber er ist ein ganz netter. Dennoch soll er Dog Man nicht mit zur Arbeit begleiten, als Chef ihn sofort aufs Polizeirevier zitiert. Schnell engagiert dieser einen Katzensitter für den Kleinen, hinter dem sich kein anderer verbirgt, als der verkleidete Bösewicht Pitey. Chef erzählt stolz, dass ein Dog Man Film produziert wird und er als Superheld sollte als Berater dabei sein. Doch so ein Superheld am Filmset kann für ganz schön Chaos sorgen, vor allem, wenn der Bösewicht ihm auf dem Fuß folgt.

Meine Tochter fand es sehr lustig und besonders die Flipporama „Daumenkinos“ haben ihr großen Spaß gemacht. Sie hat das Buch sehr schnell durchgelesen, meinte aber auch, dass sie es etwas brutal fände. Das bezieht sich wohl auch darauf, dass ich meinen Kindern einen Comicroman den ich als Rezensionsexemplar hatte, nicht gab, weil ich ihn gewaltverherrlichend fand. Hier hält es sich für meinen Geschmack im üblichen Superhelden-Kinder-Geschichte Rahmen. Klar, die Guten müssen den Bösen das Handwerk legen, da fliegen schon mal die Fetzen, aber Dog Man und seine Freunde gehen mit Köpfchen und bisweilen Handtasche vor, wenden aber keine unnötige Gewalt an, d.h. es handelt sich stets um Verteidigungshandlungen, niemand greift hier aus Langeweile zu Gewalt und schon gar nicht zu Waffen. Das finde ich gerade in Kinderbüchern unverantwortlich, wobei ich es durchaus verantworten kann, meine Tochter diese Reihe lesen zu lassen.

Besonders witzig fand meine Tochter den Roboter 80 HD, der vom Bösewicht seinem Klon mit fiesen Hintergedanken mitgegeben wurde. Doch Kleinpetey verbessert ihn und schraubt ständig an ihm herum, mit für die Leser ungeahnten Folgen. Natürlich geschieht dies alles nicht im Sinne des Superschurken.

Die Geschichte ist lustig, mit vielen Pleiten, Pech und Pannen, wie dies auch in der Zeichentrickwelt gerne geschieht, mit Hund und Kätzchen als Pannenhelden. Dog Man ist in den USA ein riesiger Erfolg, der Kindermassen erreicht und fürs Lesen begeistert. Meine Tochter ist auch eher lesemuffelig und wenn sie sich mal dran gesetzt hat, ging es sehr schnell. In einigen der Sprechblasen stand ja auch allenfalls ein Laut. Der Illustrationsstil ist allerdings recht schlicht, soll er ja von 2 Kindern geschrieben worden sein. Ganz süß, aber ich denke, wäre es etwas ausgefeilter, hätte meine Tochter vielleicht häufiger Lust gehabt, das Buch zur Hand zu nehmen. Sobald sie zu Lesen anfing, hörte sie aber nicht mehr auf...

Dog man richtet sich vornehmlich an Jungen, die ja noch weniger lesen als Mädchen, macht aber wie gesagt auch Mädchen Spaß. In Dog Mans Team sind zudem noch Chef und die Journalistin Sarah Hatof, die gerne schon mal Handtasche schwingend eingreift. Außerdem tritt in dieser Folge noch eine super erfolgreiche Schauspielerin auf, die die Rollenclichés bedient und nicht zur starken Frauenfigur geeignet ist. Daran könnte Dav Pilkey noch arbeiten.

Insgesamt macht es aber Spaß und die Fliporamas sind wirklich eine tolle Idee, die meine Tochter wirklich begeistert hat. Für Lesemuffel gut geeignet, um die Abneigung vor Büchern zu verlieren.
 
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Buchcontact und dem Adrian Verlag für diesen kurzweiligen Comicspaß.

Mittwoch, 29. Januar 2020

Und dann kamst du, Heike Abidi, Oetinger Taschenbuch



Und dann kamst du, Heike Abidi, Oetinger Taschenbuch

Claire und ihr Zwillingsbruder Colin scheinen auf der  Sonnenseite des Lebens geboren zu sein. Ihre Eltern betreiben eine erfolgreiche Arztpraxis und so unterschiedlich sie auch sind, gemeinsam scheint ihnen alles zu gelingen. Daher wollen sie auch nach dem Abitur gemeinsam ins Medizinstudium starten, um die elterliche Praxis übernehmen zu können. Doch direkt nach dem glanzvollen Abitur zieht es den wagemutigen, lebenslustigen Colin zum Surfurlaub nach Hawaii, mit tödlichem Ausgang. Claire zieht sein Tod den Boden unter den Füßen weg. Ihre andere Hälfte fehlt, ihr Ausgleich zu ihrem grüblerischen, zögerlichen Ich. Sie hält es zu Hause nicht mehr aus und zieht spontan in eine Zweck-WG am Uniort. Sie betäubt sich durch Arbeit in einer Bar und lässt sich treiben, sofern sie nicht in sich selbst ertrinkt. Doch eines Nachts, nach einer Schicht in der Bar, versinkt sie für Sekundenbruchteile  in dem traurigen Blick eines Unbekannten, der seinen Rucksack im Bus liegen lässt. Sie durchsucht den Inhalt nach einem Hinweis auf seine Identität und findet ein gerade angefangenes Tagebuch. Der Fremde heißt Samuel und bekam gerade von seiner Traumfrau das Herz gebrochen. Sie beschließt ihn zu finden, da sie in ihm ihren Seelenverwandten gefunden zu haben glaubt. Eine Suche, die sich als gar nicht so einfach herausstellt und zu ihrer Mission wird.
Als ich den Klappentext las, dachte ich, dass so ein Plot auch richtig kitschig in die Hose gehen kann, aber bislang hat mich Heike Abidi noch nie durch triefige Geschichten enttäuscht. So war es auch diesmal, denn trotz des Titels ist es eine Geschichte über Trauerbewältigung und Selbstfindung. Durch ihre Suche bekommt Claires Leben endlich wieder einen Fokus und weil sie sich schwieriger als gedacht gestaltet, muss sie sich zwangsweise für neue Wege und neue Menschen öffnen. Dabei wird sie öfters als gedacht überrascht, auch durch sich selbst, aber auch von ihren Mitbewohnern. Wenn man den Menschen um sich herum die Chance gibt, sie wirklich kennenzulernen, können sie ganz erstaunliche Charakterzüge offenbaren.

Sehr gut hat mir gefallen, dass Claire mit 19 alles andere als perfekt und eine gereifte Persönlichkeit ist. Sie kennt ihre Schwächen und nimmt sie als gegeben an, bis sie lernt, dass doch viel mehr in ihr steckt als sie dachte, und vieles was sie bislang nur Colin zutraute, kann auch sie. Nicht alle seine vermeintlichen Stärken waren dies auch, manchmal waren es doch eher Schwächen. Auf der Suche nach einem neuen Sinn geht sie ihre Stärken und Schwächen im Geiste durch. Da musste ich doch grinsen, wer so viele Schwächen hat, wie sie zu glauben meint, bekommt garantiert nicht auf Anhieb einen Studienplatz in Medizin (eine 17 jährige Verwandte von mir, musste sich wegen des schlechten Abischnitts von 1,2 für 10 Jahre als Landärztin verpflichten, um einen Studienplatz bei den “schlechten“  Noten zu bekommen).  Aber Claire geht es schlecht, alles fühlt sich grau an, da traut sie sich nicht viel zu. Ihre Eltern können ihr keine große Stütze sein, ihr Verlust ist nicht leichter. So findet sie Hilfe, da, wo sie nicht danach sucht. Das Glück kann auch langsam und leise kommen, wo man es am wenigsten vermutet. Es ist ein Seelenroadmovie, denn eigentlich spielt die ganze Geschichte innerhalb einer namenlosen Unistadt, aber vor allem in Claires Seelenleben, das nach und nach immer heller wird, bis sie wieder Lachen und das Leben genießen kann, ohne ihren Zwillingsbruder zu verraten.
Erzählt wird aus Claires Perspektive. Dabei kommt man ihren Gedanken und Gefühlen am nächsten, bei ihren Tagebucheinträgen, die immer von süßen kleinen Sternchen, wie selbstgekritzelt geziert werden und durch Kursivdruck gekennzeichnet sind. Das ist sehr schön durchdacht und umgesetzt. Diese Einträge wirken sehr persönlich und unmittelbar und verarbeiten bisweilen persönliche Erfahrungen der Autorin, die sich selbst einst für ein Studienfach entschied, bei dem der spätere berufliche Nutzen nicht offensichtlich ist und die sich selbst nie für eine Sportskanone hielt, bis sie mal anderen Sportarten eine Chance gab. Diese Verarbeitung von eigenen Erfahrungen macht diese Geschichte so glaubhaft und berührt. Dabei ist sie flüssig erzählt und kurzweilig.
Eine sehr schöne und emotionale Reise zum Mittelpunkt der Seele der jungen Protagonistin, die mir auch ein paar Tränen und Seufzer entrungen hat.
 
Vielen lieben Dank an Heike Abidi und den Oetinger Verlag für mein Rezensionsexemplar.

Montag, 27. Januar 2020

Die Helikopterbande und das Raubtier aus China, Christina Ebertz und Claudia Weikert, Beltz & Gelberg



Die Helikopterbande und das Raubtier aus China, Christina Ebertz und Claudia Weikert, Beltz & Gelberg

Fenja (5. Klasse, 10 Jahre) lebt in Berlin Friedenau und träumt davon mal mit ihrem Vater in dessen Helikopter zu fliegen oder mit ihrem Opa Nobby im Flugzeug. Doch ihre Mutter, die städtische Unfallschutzbeauftragte findet das viel zu gefährlich. Daher darf sie die Grenzen des Kiezes auch nicht überqueren. Dann werden sie und ihr bester Freund Aspi (eigentlich heißt er Wilhelm, aber der Name gefällt ihr nicht und wegen seines Asperger Syndroms nennt sie ihn Aspi) zu einem Chinesischkurs angemeldet. Dort treffen sie auf den quengeligen Noah und die fordernde Zoe. Eigentlich macht der Kurs Spaß, nur mit dem Lehrer stimmt was nicht, irgendwas verheimlicht er vor ihnen und seine Verletzungen sind auch merkwürdig. Außerdem soll ein Pandabär in Brandenburg gesichtet worden sein, den Opa Nobby wegen der Prämie unbedingt aufspüren will. Nun bricht das Ermittlerfieber aus und Fenja und Aspi geraten mit ihren Chinesischkameraden in ein aufregendes Abenteuer.


Dieses Buch hat meine Jüngste geschenkt bekommen, von zwei Berliner Psychotherapeuten, die in Brandenburg leben. Aspis Eltern sind auch beide Psychotherapeuten und im Laufe des Abenteuers geht’s von Berlin nach Brandenburg. Ja, Aspi ist anders, er nimmt die Welt anders wahr, aber so groß macht es in dieser Geschichte keinen Unterschied, denn der verwöhnte Noah und die berechnende Zoe sind da eine ganz andere Hausnummer und erst Fenjas überängstliche Mutter. Normal ist also irgendwie immer auch relativ, drum nimmt Fenja ihren besten Freund einfach so wie er ist. Bei Noah und Zoe ist das allerdings bisweilen ganz schön anstrengend und bei Zoe unvorhersehbar. Fenja ist irgendwo mit ihrer Familiengeschichte etwas in der Mitte. Aspi ist aufgrund der viel beschäftigten Eltern sehr selbstständig, aber keinesfalls vernachlässigt, Fenjas Mutter ist übervorsichtig, während ihr Vater ihr deutlich mehr Spielraum ließe, wenn er nur dürfte. Den Vogel schießt Noahs Mutter ab, die tatsächlich einem Helikopter gleicht und Noah fast schon die Luft zum Atmen nimmt bzw. diese gegen Süßigkeiten tauschen würde, ginge dies. Noah braucht nur zu knatschen, schon bekommt er seinen Willen und was Süßes, aber nur unter mütterlicher Aufsicht, dabei schlummert durchaus ein schlauer Kopf unter seiner Zuckerschnute. Zoe ist das das krasse Gegenteil zu diesen Wohlstandskids. Sie muss jeden Cent zweimal umdrehen, weil sie mit ihrer Mutter von Hartz IV lebt. Dennoch scheint sie fest entschlossen zu sein, das beste aus ihrer Situation zu machen und sich selbst zu fördern. Ihr Ehrgeiz und ihre Selbstständigkeit sind beeindruckend, auch wenn ihre Teamfähigkeit und Empathie durchaus ausbaufähig sind! Klar sind alle Kinder überzeichnet, aber das ist auch gut so, um die jungen Leser zur Selbstreflexion zu bewegen. Könnten sie nicht auch etwas selbstständiger werden? Würden sie sich das trauen? Quengeln sie nicht zu oft, um den eigenen Willen durchzusetzen?


Der Krimiteil ist etwas vorhersehbar, aber immerhin sind ihre Aktionen nicht abwegig und für Kinder in der Tat machbar. So können Kinder sich selbst an ihre Stelle träumen und auch einmal Helden in so einer Aktion sein wollen.

Der Stil ist frisch und zeitgemäß. Gut verständlich mit plastischen, aber nicht zu komplizierten Sätzen. Der Humor durch die starken Unterschiede der Charaktere frischt die Geschichte auf und macht sie leicht lesbar.

Die Illustrationen, die zu Beginn eines jeden Kapitels eine ganze Seite füllen sind sehr ausdrucksstark und ansprechend, aber leider gibt es keine weiteren Illustrationen, was aber gerade bei der Zielgruppe der 9 – 11 Jährigen aus unserer Sicht wünschenswert wäre.

Ein schönes Buch mit ungewöhnlichen und inklusiven Helden, denn irgendwie sind sie ja alle nicht ganz „normal“ und das zeigt ganz klar: „Was ist schon normal?“ Ist nicht eh jeder Jeck anders? Drum lebe lieber ungewöhnlich!

Samstag, 25. Januar 2020

Der Hof der Wunder, Kester Grant, gelesen von Marie Bierstedt, Random House Audio, 2 MP3 9 h 25 min.



Der Hof der Wunder, Kester Grant, gelesen von Marie Bierstedt, Random House Audio, 2 MP3 9 h 25 min.

1823 in einem alternativen Paris, in dem die Revolution gescheitert ist. Der Hof schlemmt, während das Volk weiterhin hungert. Es hat sich eine Parallelgesellschaft der vom Kömogshof Vergessenen gebildet: Der Hof der Wunder, nennt sich das Regiment der Verbrecher, es hat ein eigenes Gesetz, eigene Regeln und eigene Strukturen geglieder in 9 Verbrechensgilden und Grundsätze. Die zwölfjährige Nina ist ausgemergelt, zierlich und unterernährt, dafür flink und geschickt, wird sie von ihrem versoffenen Vater Tabernier, einem Herrn der Diebesgilde für Einbrüche missbraucht und um in seiner Schänke zu arbeiten. Ihre geliebte Schwester Azelma, die sie anstelle der durchgebrannten Mutter großzog, ist am Boden zerstört und weint seit Tagen. Sie vertraut Nina ihrem Geliebten an und empfiehlt ihr sich als Junge zu kleiden und auf den Schutz des Boten der Gilden, ihres Geliebten zu vertrauen. Der übergibt sie der Obhut von Thomasis, dem Meister der Gilde der Diebe. Schnell zeigt sich ihr besonderes Geschick zu klettern und in gesicherte Räum einzudringen. Sie wird eine Katze und wird unter dem Namen „Die schwarze Katze“ bewundert. Doch sie vergisst nie, dass ihr Vater ihre Schwester an den grausamen Tiger, den Meister der Gilde des Fleisches in die Prostitution verkauft hat. Sie überlegt fieberhaft, wie sie sie befreien kann. Wegen der scheinbaren Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens nimmt sie die schöne und wehrlose, junge Ettie unter ihre Fittiche. Sie würde alles dafür tun, um sie vor der Gier des Tigers zu schützen. Diese Mission riskiert nicht nur einen Krieg unter den Gilden, sondern einen Auffuhr in ganz Paris.


Es beginnt mit einem Zitat aus dem Dschungelbuch und es werden noch einige folgen, denn für Nina steht das Leben im alternativen Paris 1823 einem Überlebenskampf im Dschungel gleich. Sie als kleines, hilfloses Menschenmädchen muss lernen, in diesem Urwald zwischen Verbrechen und Maßlosigkeit zu überleben. Doch erinnert es mich eigentlich mehr an eine alternative Erzählung von Victor Hugo's „Les Misérables“. Es gibt eine Vielzahl von Personen und Gesellschaften. Sehr interessant finde ich den alternativen königlichen Hof kennenzulernen, an dem der Dauphin (Thronfolger) in völliger Ignoranz des Leids seines künftigen Volkes in Pomp und Überfluss aufwächst. Er ist unendlich einsam und ahnt nichts von den rücksichtslosen Intrigen seiner Eltern und deren Beratern. Neben dem Adel geht es dem Bürgertum auch recht passabel, so dass sich die Studenten den Luxus leisten können, einen erneuten Aufstand zu planen, der die herrschenden Strukturen beenden soll. Soviel Idealismus können sich die Elenden der Gilden nicht leisten. Wobei man durchaus einräumen muss, dass es den Meistern der Gilden nicht an Materiellem fehlt, doch die Nahrung wird knapp und das bekommen auch sie zu spüren. Es fällt ihnen schwer ihr Gefolge zu ernähren, Hunger und Verzweiflung zeichnet die Kinder der Gilden. Einzig Nina gelingt es scheinbar mühelos zwischen all diesen Kulturen und Strukturen zu wandeln und sich deren Wünsche zu nutze zu machen, in ihrem Bestreben nach Freiheit für ihre Schwestern. Eigentlich ist in dieser Welt Freundschaft nicht möglich, da zu gefährlich, doch ist es genau das, wonach sich viele heimlich sehnen und was sie in Nina sehen. So schart Nina Verbündete um sich, die sich eigentlich niemals unterstützen würden, doch Nina macht das Unmögliche möglich.

Zuerst hat mich Ninas allzu leichte Bereitschaft zu stehlen und ihr Stolz auf ihr Geschick, abgestoßen, ebenso wie ihre scheinbare Rücksichtslosigkeit. Wieso nur hat ihre Schwester sich für sie geopfert? Doch Nina ist klug, listig, mutig und loyal. Dadurch hat sie nicht nur Verbündete erobert, sondern auch mein Zuhörerherz. Aber selbst als ich Nina noch nicht mochte, war ich irgendwie vom Hörbuch gefesselt und wollte immer wissen wie es weitergeht. Kann Nina eigentlich schaffen, was sie sich vornimmt, wo es doch unmöglich ist? Ihre Pläne sind ja nur halbgar und nicht wirklich zu Ende gedacht, aber da kommt letztendlich immer ihre persönliche Überzeugungskraft und ihre Fähigkeit sich Verbündete zu machen ins Spiel. Die Unterwelt des Hofes der Wunder, fasziniert und stößt gleichzeitig ab. Es gibt jede Menge Regeln, die es zu lernen gibt und Nina lernt schnell, was ihr von viel größerem Nutzen ist, als es Schönheit wäre. Doch muss sie eine enorme Anziehungskraft dank ihrer Ausstrahlung und Persönlichkeit haben, so wie ihr das Undenkbare gelingt. Ich habe mich keine Minute gelangweilt, bisweilen fand ich diese Welt der Elenden aber sehr hart und grausam.


Die schlanke Pappklapphülle finde ich sehr ansprechend und geschmackvoll gestaltet. Allerdings hätte ich mich hier eine Übersicht über die Gilden und auch den königlichen Hof und die Sûreté gewünscht. Gerade bei Hörbüchern kann man schon mal durcheinander kommen, wobei das auch tatsächlich eine Frage des Geschicks des Autors ist. Ich hatte mal ein Hörbuch mit einer unendlich langen Personenliste aller im Hotel Vorkommenden und hatte daher Hemmungen zu beginnen, habe sie jedoch nie benötigt, es war mir immer klar, um wen es sich handelte. Hier musste ich während des Zuhörens bisweilen nachdenken und währenddessen ging die Handlung natürlich weiter.

Marie Bierstedt empfinde ich als hervorragende Wahl! Die Intrigen am Hof der Wunder werden ausschließlich aus der Sicht der jungen Nina und in der Ich-Form erzählt. Marie Bierstedt klingt jung, entschlossen, unwiderstehlich, freundlich, erzürnt und doch auch verletzlich. Ausdrucksstark unterstreicht sie die Spannung, so sehr, dass ich sie bisweilen kaum aushalten konnte und erst mal auf „Pause“ drückte. Sie spricht klar und verständlich und durch die zahlreichen Tracks, kommt man immer wieder gut an die letzte Stelle zurück. Der Sound ist kristallklar und gut ausbalanciert.

Ein wirklich guter und spannender Start in eine neue Fantasy-Triologie, bei der ich auf die Fortsetzung gespannt bin.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio und Lovelybooks für das Hörexemplar.

Donnerstag, 23. Januar 2020

Interview mit Andrea Nagele



Liebe Andrea, vielen lieben Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, mir ein paar neugierige Fragen zu beantworten.
 1. Maddalena Degrassi ist Genießerin und liebt gutes Essen und Wein. Was ist Dein Lieblingsgericht?
Ich koche und esse gern. Daher habe ich einige Lieblingsgerichte. Ich orientiere mich an der italienischen Küche, bin aber auch inspiriert von der asiatischen. Wenn ich etwas Indisches bestelle, ist es immer Palak Paneer- extra scharf.

2. Du bist Paartherapeutin. Viele der Personen in Deinen Romanen leben in disfunktionalen Beziehungen. Lässt Dich Deine Arbeit nicht bisweilen an der Liebe zweifeln?

An der Liebe zweifeln lässt mich meine Arbeit nicht. Denn wenn ich in der Ordination bin, arbeite ich mit unterschiedlichen Menschen deren Probleme auf. Wenn ich die Praxis verlasse, bin ich aber einfach nur privat. Und in meinem Leben gibt es zum Glück Liebe.

3. Magst Du Liebesromane? Je mehr Ehen ich scheide, desto schwerer tue ich mich mit Liebesromanen, mit reiferen Protagonisten ;)

Es kommt darauf an. Auch in Thrillern oder in Krimis, oder in historischen Romanen werden Liebesgeschichten erzählt. Und ja, mich faszinieren Liebesgeschichten, egal ob ich sie lese oder sie mir ansehe.

4. In Grado im Sturm verwendest Du persönliche Eindrücke, die Du während eines Tornados 2008 in Grado gesammelt hat. Gibt es auch ein derartiges Schlüsselerlebnis in dem bald erscheinenden Folgeband „Grado im Mondschein“?

Außer dass ich die Wasserschlösser in Strassoldo bezaubernd finde, und Grado plus Umgebung als meine zweite Heimat erlebe, zum Glück nicht. 

5. Es gibt den Ausdruck „die Stille vor dem Sturm“, den Du in „Grado im Sturm“ geradezu greifbar machst. Bleiben Dir manchmal Begriffe oder Bilder im Kopf und reifen in Dir zu einem Roman heran? Wenn ja, geistert Dir gerade etwas im Kopf herum?

Ich habe gerade das Lektorat zu meinem im Herbst bei Emons erscheinenden Top-Titel aus dem Vierten Stock beendet und werde jetzt am nächsten Grado Roman arbeiten. Also zuerst mal am Plot und dann beginnt die Recherche. Erst danach sitze ich vor meinem PC. Ideen dazu habe ich schon seit dem Fertigschreiben von ‚Grado im Mondschein‘.

6. Auf der Frankfurter Buchmesse 2019 hast Du erzählt, dass Du Dich gerne von realen Personen und Erlebnissen inspirieren lässt, was war Dein nachhaltigster Moment der letzten Buchmesse?

In Frankfurt war es sicher die familiäre Stimmung im Verlag und das gemeinsame Auftreten mit Bernhard Hofer und Michi Kastel. Auf der Buch Wien war es die gelungene Überraschung von Ulrike und Hejo Emons mir eine Signierstunde vorzubereiten. Wir drei hatten sehr viel Spaß. 

7. Welches Genre liest Du persönlich sehr gerne? 

Psychothriller aus GB, USA, Australien und Deutschland, aber auch zeitgenössische Literatur.

8.  lebst mal in Klagenfurt, mal in Grado, gibt es für Dich noch einen Ort, an dem Du Dir vorstellen könntest zu leben?

Ja, in St. Ives Cornwall. Dahin fahren wir oft und wandern auf den Hügeln und Klippen über dem Meer, oder beobachten die Ebbe und Flut im Hafen. Manchmal liegen die Boote lange Zeit auf Sand und wir können weit hinaus ins Meer spazieren.

9. Deine Bücher erscheinen auf Deutsch und Italienisch, schreibst Du in beiden Sprachen, oder werden sie übersetzt?
Mein Verlag in Rom hat professionelle Übersetzer, und ich habe das Glück eine dieser renommierten Übersetzerinnen zugeordnet bekommen zu haben. Präsentieren, in Italien, dh. auf dem Podium bei Lesungen Interviewfragen beantworten, oder im Radio oder FS mache ich immer selbst. Im Mai bin ich in Turin auf der Buchmesse Saline die libri mit ‚Grado nella nebbia‘ zur Erstpräsentation. 
Vielen Dank für Deine Geduld Dani!

Mittwoch, 22. Januar 2020

Grado im Sturm, ein Adria Krimi, Andrea Nagele, Emons Verlag



Grado im Sturm, ein Adria Krimi, Andrea Nagele, Emons Verlag

Es liegt eine unerträgliche Hitze über Grado. Es weht kein Lüftchen.Als dann doch ein Gewitter heran bricht, fällt der Strom aus. Der 14 jährige Emmanuele ist währenddessen gerade in einem kleinen Supermarkt und belauscht ein Gespräch, dass ihm trotz der Hitze das Blut in den Adern gefrieren lässt. Hat er da wirklich eine Morddrohung mitangehört? Eilig rennt er zur Polizei, um von dem Belauschten zu berichten, doch er wird als Dieb bezichtigt, seine Aussage und Daten nicht aufgenommen und er fortgeschickt. Am nächsten Mittag ist wird der Junge von seiner Mutter als vermisst gemeldet und die Dienststelle hat ein echtes Problem. Während Maddalena mit Nachdruck nach dem Vermissten sucht, versucht ein passionierter Meteorologe eine Sturmwarnung zu verbreiten. Doch sein Chef meint, er würde die Bevölkerung nur unnötig in Schrecken vor einem Jahrhundertsturm versetzen, der nur in seiner Fantasie aufzöge und nimmt die Warnung aus dem Netz. Eine deutsche Familie baut ihr Zelt nahe der Lagune auf. Eine Krankenschwester geht endlich ihrem persönlichen Albtraum nach und stellt sich der Vergangenheit, ohne zu ahnen, was sie damit lostritt. Der Wellnessurlaub von zwei alten Schulfreunden, läuft alles andere als entspannt...

Dies ist der 4. Band um die attraktive Commissaria Maddalena Delgrassi aus Grado, mit dem sehr eigenwilligen Chef, der mittlerweile mit ihrer Mutter verbandelt ist. Für mich war es der Einstieg, der problemlos gelang, auch wenn mir bei der Lektüre bewusst wurde, dass es einige Komplikationen aus ihrem Privatleben gibt, die ich nicht kenne, die soweit erforderlich angerissen werden, aber nicht so weit ausgeführt werden, dass man keine Lust mehr auf die Vorgängerbände bekommt.


Jedes Kapitel wird aus einer anderen Sicht geschildert, von Paaren oder Familien, die scheinbar nichts verbindet, außer, dass sie derzeit eine persönliche Krise durchleben. Man spürt dadurch wie sich der Sturm in ihrem Innern zusammenbraut, während sich das Wetter dem Siedepunkt nähert, von den meisten unbeachtet. Zu sehr sind sie in ihren eigenen Sorgen und Gedanken verhaftet. Das ist eine ungewöhnliche Erzählweise, auch weil sich der Mord erst anzukündigen scheint, aber keine Leiche auftaucht, deren Herkunft geklärt werden müsste. Ein Krimi ohne Tat, nur mit vibrierender Vorahnung in der Luft?

Mit dem Sturm scheint sich der Zorn Gottes zu entladen und es kommen ungeahnte Leichen ans Licht, während sich andererseits persönliche Krisen Bahn brechen. Ein Gewitter kann reinigend sein, dieser Tornado richtet Verwüstung an.

Am Ende fügt sich alles für den Leser zusammen. Die Ermittler haben einen Plan und eine Ahnung, die Feinheiten werden sich noch zusammenfügen, dessen ist man sich gewiss, das Wie wird der Vorstellungskraft des Lesers überlassen, weil dies eigentlich nur noch langweilige Routine ist. Das Spannende, die persönlichen Verwicklungen und Triebfedern sind offenbart. Das Unwetter bringt nicht nur alte Sünden zu Tage, sondern offenbart auch die Abgründe der menschlichen Seele, die nicht immer nur schlecht sind. So werden einige zu Helden, denen man es nie zugetraut hätte, während andere, sich zeitlebens nach dieser Nacht vor sich selbst fürchten werden, da sie wissen, wozu sie in der Lage sind.

Die Autorin hat nicht nur ihren Zweitwohnsitz in Grado und spricht fließend Italienisch, sie ist auch  Paartherapeutin und kennt sich daher mit disfunktionalen Beziehungen und menschlichen Miseren bestens aus.

Dieser Krimi bezieht seine Spannung aus der Atmosphäre des aufziehenden Unwetters, dass mit den persönlichen Krisen der zahlreichen Protagonisten korreliert. Ähnlich einer griechischen Tragödie spitzt es sich zu, doch endet es nicht für alle schlecht. Einige werden gelöst und erlöst aus diesem Sturm hervorgehen und andere werden innerlich zerstört sein.

Die Commissaria hat ihre eigenen Grenzen kennengelernt, ihre Prioritäten erfahren und wird nun auch mit den übrigen Unannehmlichkeiten des Lebens klar kommen. Diese vermögen ihr aber nicht den Genuss am Leben zu nehmen und daher gibt es zum Abschluss noch ein Rezept für mehr Adria Feeling: Spaghettoni aus Gragnano mit Lagunen-Sardinen und wildem Fenchel.

Ein psychisch sehr eindrucksvoller und außergewöhnlicher Krimi.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Emons Verlag für mein Rezensionsexemplar.

Dienstag, 21. Januar 2020

Hirschhornharakiri, Oliver Kern, gelesen von Michael Schwarzmeier, Radomhouse Audio, 6 CDs, 420 Minuten



Hirschhornharakiri, Oliver Kern, gelesen von Michael Schwarzmeier, Radomhouse Audio, 6 CDs, 420 Minuten

Fellingers 3. Fall hat es in sich! Nach dem Fest zum 150. Geburtstag der freiwilligen Feuerwehr hat der Hygieneinspektor einen Filmriß und offensichtlich irgendwie Stress mit seiner Liebsten, der Hollmüllerin. Franziska. Wie konnte er nur so viel Trinken, dass er sich an nichts erinnern kann? Was wollte er unbedingt vergessen? Es steht sein alter Spezi der Polizeihauptinspektor Lechner vor der Tür und wirft ihn aus seinem komatösem Schlaf. Der Rosenberger Horst ist erstochen im Wald aufgefunden worden. Die Tatwaffe, ein halbes Geweih, steckte noch in seinem Leib und auf diesem befinden sich zahlreiche Fingerabdrücke vom Fellinger. Auch dessen Jacke mit Ausweisen lag in unmittelbarer Nähe des toten Jägers im Wald. Drum nimmt der Lechner den Fellinger auch gleich mit aufs Revier, zur Befragung. In Bruchstücken kommt die Erinnerung zurück. Immer mehr Konflikte des recht eigensinnigen Rosenbergers mit anderen Gästen fallen ihm ein. Den Motiven müssen sie nachgehen. Es sind erstaunlich viele andere, die in Betracht kommen, das macht es nicht leichter, den Mörder zu finden, ehe der Kriminaler aus der Großstadt eingetroffen ist und ihn wohl inhaftieren wird.

Der Einstieg beginnt schon sehr witzig, mit dem schlecht gelaunten Riesenkater, den der Hygienekontrolleur inzwischen bei sich aufgenommen hat, nachdem dieser ihm im letzten Fall das Leben gerettet hat. Dabei ist das Tier nicht freundlicher zu ihm, als der gleichnamige Brummschädel. Der Ort ist klein und jeder kennt jeden, weswegen sich schon schnell herumgesprochen hat, was denn geschehen sein soll. Nach und nach fällt dem Hauptverdächtigen ein, wen er denn alles am Tag zuvor im Dienst kontrolliert und wem er die Gaststätte geschlossen hat. Ja, da kommen auch einige in Frage, die auf ihn nicht gut zu sprechen sind, auch wenn er nur seine Arbeit gemacht hat. Er ist halt von Natur aus neugierig und geht den Dingen auf den Grund. Das Ermitteln steckt ihn im Blut und bei der Polizei haben sie ihn ja wegen seines Knieproblems nicht haben wollen, nur seine Fingerabdrücke, die haben sie behalten. Dabei ist er im Kopf deutlich fixer und flexibler als einige der örtlichen Hilfssheriffe! Weil dies auch dem Lechner klar ist, fährt dieser auch vorschriftswidrig mit dem Fellinger los (ohne Handschellen), um alternativen Tatabläufen, zu den augenscheinlichen, auf den Grund zu gehen. Zu Tage treten unerwartete Verwicklungen amouröser und mafiöser Natur. Aus Zeitdruck fordert der Hygieneinspektor auch die ein oder andere Schuld ein und geht neue Verpflichtungen recht eigentümlicher Natur ein. Hier tritt dann auch mein Lieblingsspezi auf den Plan, der Aschenbrenner Albi. Ich habe das Hörbuch beim Kochen gehört und als ich Lachen musste, sah mich meine Jüngste mit gerunzelter Stirn erstaunt an und meinte, warum lachst Du? Den Humor verstehe ich nicht. Ja, derart kauzige Faktoten gibt es in kleinen Gemeinden und in Niederbayern vielleicht ganz besonders. Es ist witzig, aber kein Humor für die ganze Familie, aber man kann es dennoch gut hören an Orten und in Situationen, in denen Kinder gerne mal dazu kommen, es ist nicht jugendgefährdend.

Der Spaßfaktor ergibt sich aus der bisweilen leicht pedantischen Art des Fellingers und auch den anderen recht verschrobenen Charakteren, die z.T. in jedem Fall erneut auftauchen, die sich darin weiter entwickeln und die man bald schon selbst zu kennen glaubt.

Diesmal entsteht die Spannung sowohl aus dem Element des Zeitdrucks. Schafft er es nicht nur den Fall zu lösen, sondern rechtzeitig? Anfangs kann er ja noch nicht mal vor die Tür um zu Schnüffeln, da er ja unter polizeilicher Beobachtung steht. Als auch aus der Frage, die immer im Hintergrund herumspukt, was ihm wohl so zugesetzt haben könnte, dass er entgegen seiner Natur, das Bedürfnis verspürte sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen. Das wird als Bonbon zum Schluss geklärt, versprochen.

Die Wahl des Sprechers ist wieder 1a. Michael Schwarzmeier passt wie die Faust aufs Auge. Mal grantelt er, mal klingt er pedantisch, mal derb oder urig und immer irgendwie bayrisch, ohne dass man Probleme hätte ihn zu verstehen. Seine Stimme hat sogar das richtige Alter für diesen peniblen Möchtegern-Polizisten, der nicht mehr ganz jung, und auch nicht alt ist, mit 43 ein gestandenes Mannsbild in den besten Jahren... meinen Männer ja so. Er atmet mit jedem Satz bayrische Provinz aus und schafft eine urige Zuhöratmosphäre. Sehr gelungen, wie er auch immer wieder so kleine running gags locker gekonnt einbaut, dass man ihm am Ende einfach nur eine neue Jacke wünscht... Sehr trocken, spitzt er die Pointen zu.

Ein humoriger Krimi mit viel Lokalkolorit, bei dem es menschelt und es bei der Vielzahl der Verdächtigen richtig Spaß macht mitzurätseln. Ich bin gespannt, was ihm das nächste Jahr für ein Dilemma bringen wird.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Bloggerportal und randomhouse audio für dieses kurzweilige Krimivergnügen.

Montag, 20. Januar 2020

Ich will das nicht, Susanne Fülscher, Carlsen Clips



Ich will das nicht, Susanne Fülscher, Carlsen Clips

Die 15 jährige Zoe ist vor 4 Monaten mit ihrer Mutter von Augsburg nach Norddeutschland in die Heimat ihrer Mutter gezogen, nachdem ihr Vater sich neu verliebt hat. Ihre Mutter ist glücklich, wieder in der Nähe ihrer Eltern zu leben und bei ihren alten Schulfreundinnen. Doch genau das fehlt Zoe. Ihre beste Freundin seit der ersten Klasse, Emily vermisst sie ebenso wie ihre Leistungsturntruppe. Was soll sie hier, wo sie nur geärgert wird und sich einfach nur fehl am Platz fühlt? Doch das ändert sich, als ihre Sportlehrerin, die von ihrem turnerischen Können beeindruckt ist, ihr vorschlägt, sich doch mal die Zirkus-AG der Schule anzusehen. Skeptisch geht sie hin und ist sofort begeistert von der für sie neuen Akrobatik. Die Mädchen sind nett, besonders die gleichaltrige Fatou und auch Trainer Timo ist glücklich über den Neuzugang. Endlich fühlt sie sich zu einer Gruppe zugehörig, doch Timo gibt ihr Rätsel auf. Sind seine Berührungen Zufall, oder ist er zudringlich? Sie weiß nicht, wie sie reagieren soll und fürchtet die AG zu gefährden.

Zoe mit ihrer zurückhaltenden Art und ihrer Unsicherheit, seit dem Verlust ihrer gewohnten Umgebung ist einem sofort sympathisch. Um so mehr freut mach sich mit ihre, dass es ihr in der Akrobatik-Gruppe so gut gefällt. Anfangs scheint alles super, aber langsam schleichen sich Zweifel ein, besonders als Emily, ihre beste zu Freundin in den Ferien zu Besuch kommt und von ihren Beobachtungen berichtet. Sensibel und doch eindringlich kippt die Stimmung. Das junge Glücksgefühl kommt ins Wanken, aber noch könnte alles nur ein Missverständnis sein.

Die Grenzen zwischen Missbrauch und Zufällen sind oft fließend und gerade unsichere Menschen, was bei Teens meistens der Fall ist, tun sich schwer mit dem Deuten der Anzeichen. Niemand will so selbstverliebt erscheinen, dass jemand so beliebtes und bewundertes wie der sympathische, gutaussehende Trainer etwas von einem will. Doch dieses Buch bestärkt darin, lieber einmal skeptischer zu sein, als sich in Gefahr zu bringen und im Zweifel auch mal eine Unhöflichkeit in Kauf zu nehmen. Sehr schön kann man in Zoes Seelenleben blicken, fühlt ihr hin- und hergerissen sein. Man kann sie so gut verstehen!

Zoe hat Glück im Unglück, denn als sie sich traut, sich zu wehren, findet sie Unterstützung und ihr wird geglaubt. Das macht sie stark. Doch nicht jedem Opfer geht es so und so stellt Autorin Susanne Fülscher klar, dass es Sache der Opfer ist zu entscheiden, ob sie Anzeige erstatten wollen, oder nicht. Natürlich ist es wichtig, solche Typen zu stoppen und somit auch weitere Mädchen zu schützen, doch nicht jedes Opfer kann dies und hat dazu sie Kraft. Sie urteilt nicht und das ist wichtig. In solchen Situationen sind Verständnis, Glaube und Unterstützung gefragt. Es ist nicht der böse Unbekannte, der im Dunkeln lauert, die Opfer sind nicht Schuld, weil sie sich zu freizügig kleiden oder geben. Es sind die Täter, die die Schuld tragen, die Grenzen überschreiten. Ihnen stark entgegenzutreten ist wichtig, denn sie suchen sich die Schwachen aus und bringen ihre Opfer in Situationen, in denen sie sich schwach und verletzlich fühlen. Das kann jeder passieren, dessen sollte man sich stets bewusst sein, ohne deswegen überängstlich zu werden und das Leben an sich vorbei gehen zu lassen. Man spürt genau wie wichtig Susanne Fülscher dieses Thema ist, das sie bereits in ihrem Roman #fingerweg, in einer längeren Form angesprochen hat.

Das Besondere an diesem Buch ist neben dem Thema seine Kürze. Auf knapp etwas über 100 Seiten wird Zoes Geschichte erzähl. Kurz und doch nicht zu kurz, es gibt so viel Raum für Emotionen! Es ist ein unglaublich wichtiges Thema für Heranwachsende, da sie besonders verletzlich und verwundbar sind, aber leider auch oft echte Lesemuffel. Die Reihe Carlsen Clips widmet sich daher Themen für Teens im Hosentaschenformat, die man jederzeit mit sich rumschleppen kann und einfach durch den packen Stil und die altersgerechten Themen auch Nichtleser fesseln können. Nach 100 Seiten können sie feststellen, das Lesen gar nicht weh tut, sie aber nun etwas haben, was ihnen auf der Seele brennt und worüber sie vielleicht gerne mit ihren Freunden sprechen möchten. Ein tolles Konzept und ein tolles Format, gerade auch für Schüler die viel Zeit mit Warten an Bushaltestelle o.ä. Verbringen.

Ich liebe dieses Buch und bin so begeistert von dieser Reihe, dass ich meiner Großen auch welche zustecken werde. Mit 12,5 Jahren, ist sie aber noch etwas zu jung und sollte noch so ein bis anderthalb Jahre warten...

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Susanne Fülscher und dem Carlsen Verlag für unser Rezensionsexemplar.

Sonntag, 19. Januar 2020

Die magischen Sechs – Wendel Wispers unheimliche Puppe, Neil Patrick Harris & Alec Azam, Illustrationen Lissy Marlin & Kyle Hilton, Schneiderbuch Egmont



Die magischen Sechs – Wendel Wispers unheimliche Puppe, Neil Patrick Harris & Alec Azam, Illustrationen  Lissy Marlin & Kyle Hilton, Schneiderbuch Egmont

Die Magischen Sechs sind ein Club bestehend aus sechs jungen Nachwuchstalenten der bühnenreifen Illusion. Jeder Band wird aus einem anderen Blickwinkel erzählt. Diesmal steht Theo der farbige Geiger und Meister des Schwebens im Mittelpunkt. Theo kommt aus einer sehr großen und sehr musikalischen Familie und seine älteren Geschwister sind alle schon erfolgreiche Musiker. Sie finden, dass ihr Nesthäkchen mit seinen Freunden und Zaubertricks nur seine Zeit verschwendet und er sich doch mehr auf sein Instrument und ernsthaftes Üben konzentrieren sollte. Doch Theo übt mit seinen Freunden, sehr eifrig für die alljährlich Talentshow von Mineral Wells. Gemeinsam wollen sie die Bewohner verzaubern. Doch im Berghotel ist ein neuer Künstler abgestiegen. Der Bauredner Wendel Wisper mit seiner Puppe Darling Daniel. Recht schnell sind Carter und Leila überzeugt, dass es sich bei ihm um ein ehemaliges Mitglied des Rubinrings, des legendären Zauberclubs einiger ihrer Väter handeln muss. In ihrer Überzeugung fühlen sie sich bestärkt, als Dante Vernon, Leilas Vater und ehemaliges Mitglied des Rubinrings, plötzlich mit geheimnisvollen Worten abreist. Sicher führt Wendel Wisper Übles im Schilde und wurde von dem gefährlichen Kalagan geschickt. Allmählich tauchen überall Darling Daniel Puppen im Ort auf, die ein Geheimnis verbergen.

Beim zweiten Band hat meine Große geschwächelt, aber diesen fand sie wieder total spannend. Als sich das Geheimnis um die Puppen offenbarte gab es für sie kein Halten mehr. Die sechs Freunde sind absolut verschieden, so dass sich die ganze Leserschaft in ihnen wiederfinden kann. Theo ist farbig, Ridley sitzt im Rollstuhl, Carter ist Waise, Leila hat zwei Väter und Izzy und Olly sind blonde Zwillinge. Nun lernen sie auch noch Emily Meridian kennen, die Tochter des Musikladenbesitzers. Sie ist ganz schön wehrhaft, denn dank ihrer Kampfsportkünste, rettet sie die Freunde aus ernsten Schwierigkeiten. Theo und sie verstehen sich auf Anhieb. Sie spielte bislang keine Rolle, da sie normalerweise bei ihrer Mutter lebt und nur die Sommerferien bei ihrem Vater verbringt. Die Kinder sind also so bunt gemischt wie das Leben. Ihre Talente sind ungewöhnlich, doch sie sind nicht vom Himmel gefallen, zu ihren Talenten, die sie haben, müssen sie dennoch stetig üben, üben, üben…… und niemals damit aufhören. Im Buch verrät der Autor und Schauspieler, der auch passionierter Zauberer ist, einige Tricks. Diese sind gut erklärt, funktionieren aber überzeugend erst nach Übung und Training der entsprechenden Fingerfertigkeit. Da es die Helden des Buches aber vormachen, ist die Motivation bei den Kindern höher. Dabei ist dieses Buch ab 9 Jahren auch zahlreich und wirklich eindrucksvoll illustriert.
Wieder kündigt sich ein Abenteuer an, dass auf die Zeit des magischen Clubs ihrer Elterngeneration zurückgeht. 
 
Wendel Wisper und die Vielzahl der überall auftauchenden Puppen ist echt gespenstig, dennoch ist es für die Leser absolut unklar, was von der Situation zu halten ist. Man merkt nur, dass sich ein Unheil ankündigt, doch welches? Das ist sehr spannend und diesmal wirklich nicht vorhersehbar. Auch die Freundschaft verändert sich, inwiefern wollen wir nicht verraten, sicher ist nur, dass es weitergehen wird und sie bei diesem Rätsel ebenso wenig aufgeben werden, wie bei dem Üben ihrer Show! Mit den Lesern reifen auch die Helden dieses Buches. Neben den Illustrationen sind auch Schriftgröße und Zeilenabstand sehr ansprechend für junge Leser.

Ein sehr spannendes Buch über Abenteuer, Illusionen, Freundschaft und Geheimnisse. Wir wollen unbedingt wissen wie es weitergeht!

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Buchcontact und Schneiderbuch Egmont für unser Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 16. Januar 2020

Die Zeitdetektive (13) Freiheit für Richard Löwenherz, Fabian Lenk, gelesen von Stephan Schad, Jumbo Verlag, 1 CD 76 Minuten



Die Zeitdetektive (13) Freiheit für Richard Löwenherz, Fabian Lenk, gelesen von Stephan Schad, Jumbo Verlag, 1 CD 76 Minuten

Die Freunde Kim, Julian, Leon und die ägyptische Katze Kija besuchen einen Mittelaltermarkt. Der Troubadour hat es Julian angetan, aber Leon findet ihn ein Weichei. Da kann Julian natürlich gegenhalten, denn es gab da mal einen berühmten, der hieß Blondel und soll sogar Richard Löwenherz befreit haben, als er nach einem abgebrochenen Kreuzzug auf der Burg Trifels Ende 1192 überfallen und inhaftiert wurde. Doch was steckte eigentlich wirklich hinter der Geiselnahme und Lösegeldforderung? War es wirklich dem Barden zu verdanken, dass der legendäre Herrscher gerettet wurde? Um dass zu erfahren begeben sie sich in den Zeitreiseraum Tempus, um durch Zeit und Raum sich vor Ort ihr eigenes Bild zu machen. Als mittellose Waisen ziehen sie umher und treffen ziemlich schnell auf Blondel, der ihnen von der immensen Lösegeldforderung des Kaisers Heinrich VI und Erzherzog Leopold für die Freilassung des Königs berichten. Ursprünglich nahm der Erzherzog den englischen Herrscher gefangen, doch aufgrund seines geringeren Standes, musste er sich zur vordergründigen Legitimierung der Unterstützung des Kaisers vergewissern. Auch damals war solch eine Aktion ein gewagtes Abenteuer!

Zur Enttäuschung meiner Tochter war diese Folge ganz ohne Robin Hood. Nicht sehr verwunderlich, denn er wird im Klappentext ja auch nicht erwähnt. Ja, Richard hatte auch seine ganz eigenen Legenden und sein Bruder John, zu Deutsch Johann Ohneland, sowieso. Johann, das ist doch Sir John aus der Robin Hood Legende! Ja, so ist es, dann wurde es ja doch interessant, auch weil sie mehr über den Bruderzwist erfuhr und nebenbei einem spannenden Abenteuer mit jungen Helden in ihrem Alter folgen konnte. Kinder als Helden klingt oft unglaubwürdig, aber hier klingt alles so natürlich, weil Kinder oft unterschätzt und dadurch übersehen werden. Das gibt ihnen natürlich ganz andere Möglichkeiten für List und Tücke statt Waffen und Gefahr. Es sich schön zu hören, wie Kinder sich auf ihre eigenen Stärken besinnen und das Gewalt meistens nicht weiterhilft. Richard Löwenherz kommt letztendlich frei, aber der Held der Herzen ist bei uns eindeutig Barde Blondel geworden.


Dieser Teil der Richard Löwenherz Saga war mir selbst völlig unbekannt. Ich wusste immer nur, dass Richard fort war und John sein Land sehr schlecht und gierig während seiner Abwesenheit für ihn verwaltete. Neben seinem jüngeren Bruder kommt hier auch noch seine Mutter die ebenfalls berühmte Eleonore von Aquitanien vor. Über den Rest seiner Familie kann man noch einiges wirklich interessantes im Booklet lernen. Denn der sonst immer so verehrte Richard Löwenherz war groß und stark, aber er hatte nicht nur Schwächen, wie eine sehr undiplomatische Art, er kannte bisweilen selbst wenig Skrupel. Das ist wirklich packend aufbereitet, doch selbst ich kenne nicht alle verwendeten Begriffe und kann sie leider auch nicht im Glossar im Anschluss finden. Es wäre sehr schön, wenn der Text etwas simpler geschrieben wäre, oder noch besser, das Glossar um weitere nicht ganz so gebräuchliche Begriffe erweitert würde.
Sowohl das Hörbuch als auch das dazugehörige Booklet machen aber Lust auf Geschichte und wecken das Interesse. Kinder werden angeregt zu hinterfragen, was denn eigentlich der wahre Kern an den Legenden ist, die sie kennen und selbst mal zu „ermitteln“ und sei es im Internet. Für Kinder ab 9 Jahren ein gelungener Einstieg in diese ferne Zeit.

Stephan Schad hat eine sehr angenehme wohlmodulierte Stimme. Er spricht klar verständlich und ausdrucksstark. So baut er den Spannungsbogen stimmlich geschickt auf und vermittelt dennoch die Gewissheit, dass alles gut werden wird. Er klingt wie der Erzähler, der alles miterlebt hat und berichtet.
Dadurch dass regelmäßig in kürzeren Abständen Tracks gesetzt werden, können Kinder auch kurz mal anhalten und einen Track noch mal hören, sollte ihnen etwas entgangen sein, oder nach einer Pause wieder schneller an das zuletzt gehörte anknüpfen.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Jumbo Verlag für das Rezensionsexemplar.

Hier könnt Ihr reinhören:
http://www.jumboverlag.de/data/media/me1040.mp3