Bella Germania, Daniel Speck, gelesen von Marie Bierstedt, GoyaLit
Eine deutsch-italienische Familiengeschichte über 3 Generationen, die die
Höhen und Tiefen der Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg plastisch widerspiegelt.Die junge Modedesignerin Julia steht kurz vor dem großen Durchbruch. Da sucht sie ein Mann auf, der behauptet ihr Großvater Vincent zu sein. Ihren leiblichen Vater hat Julia nie wirklich kennen gelernt. Er gibt eben diesem Vincent die Schuld an dem Tod seiner geliebten Mutter Giulietta und war selbst nicht anwesend, als Julia aufwuchs. Er saß damals in Haft. Ihre Mutter Tanja, eine Journalistin, hat nie groß von ihm gesprochen. Julia lässt alles stehen und liegen, läßt ihren Kompagnon bei den anstehenden Vertragsverhandlungen um ihr gemeinsames Label alleine, um ihrem Herzen zu folgen und ihren Vater in Sizilien zu suchen. Das erste Treffen läuft nicht so wie sie sich das vorstellte. Ihr Großonkel versucht sie an der Abreise zu hindern, damit sie sich ihrer eigenen Geschichte stellt, die damit begann, daß der junge Deutsche Ingenieur Vincent nach Mailand zu den legendären Automobilwerkstätten reist, um die Rechte an der Isetta für BMW zu sichern. Dabei begegnet er der schönen, aber armen Giulietta, die bereits einem anderen versprochen ist. Dennoch wächst zwischen ihnen eine Liebe heran, die sie ihr Leben lang aneinander bindet, unabhängig von ihren jeweiligen Ehegelöbnissen.
Zum Glück hat diese Hörbuchbox ein Personenverzeichnis, denn durch die Erzählweise durch Rückblicke und Zeitsprünge kam ich manchmal ins Straucheln und war froh mal kurz nachschauen zu können, wer denn nun wieder Rosaria oder Conchita war. War Vincenzo nun der Vater oder der Großvater. Die verschachtelte Erzählweise fordert den Hörer zum Mitdenken auf und nicht zum nebenher plätschern lassen. Aber dafür wären die Themen auch zu schade. Denn neben den persönlichen Familiendramen und –tragödien bekommt man einen sehr plastischen Einblick in die deutsche und italienische Nachkriegsgeschichte. Deutschland das nach dem Krieg die Industrie aufbauen mußte und Arbeitskräfte brauchte. Der Anwerbestopp für Gastarbeiter, die Entwicklung von BMW, der Untergang der italienischen Traditionsmarke Iso, die Olympischen Spiele in München und die 68er Generation der freien Liebe ohne Ansprüche und Bindungen, die offenen Kommunen und der Terror, der Deutschland in Atem hielt.
Am faszinierendsten fand ich die Person des Vincenzo, auch wenn er völlig anders reagiert, als ich es wohl getan hätte. Durch Giuliettas Tod und dessen besonderen Umstände in seiner Jugend wurde sein ganzes Leben in Frage gestellt, ihm seine Identität entzogen. Er sein Leben gerät völlig aus den Fugen und er lässt sich immer wieder gehen, kommt auf die schiefe Bahn, fängt sich wieder und verstößt schon wieder gegen sämtliche Regeln. Anfangs fand ich ihn ziemlich furchtbar. Aber nach und nach lernt man sie alle besser kennen und man versteht die jeweiligen Reaktionen aus ihrem Charakter heraus viel besser. Eigentlich sind sie alle Getriebene auf der Suche nach ihrer Identität. Familie gibt Halt und vermag dem Menschen Wurzeln zu schenken, hilft das eigene-Ich zu erkennen. So geht es auch der jungen Julia, die mehr mit ihrer Großmutter gemein hat, als sie ahnt. Da ihre Mutter Giulietta nie kennen gelernt hat, konnte sie ihrer Tochter auch nie von ihrer Ähnlichkeit und Seelenverwandtschaft erzählen.
Es ist eine Geschichte für Familie, Heimat und die Suche nach sich selbst. Erst wenn man weiß, wer man wirklich ist, kann man in sich ruhen.
Die wohl als Enthüllung gedachte Todesursache von Giulietta hatte ich zwar schon vorher gesehen, aber eben nicht den turbolenten Werdegang ihres Sohnes. Mehre CD’s hinweg fragte ich mich, weshalb der denn nun inhaftiert gewesen sei.
Eigentlich sind Familiengeschichten ja eher Frauen-Themen, aber aufgrund der geschichtlichen Themen wie RAF, Wiederaufbau nach dem Krieg, Rennsport, die Entwicklung der Automobil-Industrie ist dieses Hörbuch auch durchaus männertauglich. Für eine gemeinsame Urlaubsfahrt insbesondere nach Italien oder München wirklich empfehlenswert!
Marie Bierstedt ist für mich eine angenehm junge, frische unverbrauchte Stimme, die lebendig und gut artikuliert mehr erzählt als liest. Es so schien bisweilen ein Hauch sizilianischer Lebenslust durch meine Küche zu wehen, oder der Staub der Münchner Baustellen ließ mich husten.
Mal was ganz anderes als meine üblichen Hörbücher, hat es mir wirklich Spaß beim Hören bereitet. Nicht nur für Frauen, wirklich unterhaltsam, interessant, ein bißchen spannend und mit Familiensinn.
Ich empfehle es gerne mit 4 von 5 Sternen weiter.
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