Meine Ökokrise und ich, Illona Einwohlt, Arena Verlag
Sina ist inzwischen 16 Jahre alt und von ihrem Sandkastenfreund und
Nachbarn Yannis getrennt. Nun schwebt sie im 7. Himmel mit Carlos, dem
Mitbewohner ihrer besten Freundin Kleo. Dieses Glück wird unterbrochen, als sie
mit ihren Eltern in den Nordseeurlaub muss! Doch als sie bei einer einsamen
Wanderung eine Kegelrobbe in Not entdeckt und rettet, lernt sie den
Umweltschützer Ben kennen, der ihr bisheriges Weltbild ganz schön erschüttert.
Fortan kreisen ihre Gedanken um den Umweltschutz, der schon im Kleinen beginnen
kann. Als sie mit Kleo aber zufällig eine verletzte Katze aus ihrem Hauswald
zur Tierärztin bringt, erfährt sie, daß diese eine geschützte Wildkatze und der
Wald von einer Umgehungsstraße akut bedroht ist. Davon hatte sie keine Ahnung
und erzählt es empört ihrer Familie und ihren Nachbarn. Diese werden auch
sofort aktiv, nur Carlos, der eigentlich Umwelttechnik studieren will, ist mit
seinen Gedanken ganz woanders. Sina, Kleo und Yannis treten einem
Aktionsbündnis bei und stellen fest, daß Mut und Ideenreichtum gefragt sind,
wenn man etwas ändern will. Allerdings stürzt die ihr immer bewusster werdende
Umweltbedrohung Sina in eine echte Sinnkrise.
Sina ist ein nettes, intelligentes Mädchen, sehr hübsch, aber mit großen
Füßen, großem Herz und großem Freundeskreis und einer intakten Familie (auch
ganz erfrischend in einem Buch mal wieder von einer intakten Familie zu lesen).
Sina und ihre Freundinnen und Familie kann man in einer ganzen Buchreihe durch
die Pubertät mit ihren Hormonwirren begleiten und ihre Höhen und Tiefen mit
allen Teeniefragen und -dramen verfolgen. Dies ist der letzte Band, empfohlen
ab 12 Jahren, aber auch für Einsteiger verständlich. Dieses Thema hätte meine
12 jährige Tochter auch wirklich interessiert, vor allem da es super
aufbereitet ist, mit Infokästen zu den einzelnen Themen, auf die Sina immer
wieder stößt, während sie mit offenen Augen durchs Leben geht, allerdings ist
Sina beziehungs- und jungstechnisch auf einer Stufe, die für meine Tochter zu
erwachsen ist. Oder eben „iiiih, Knutschi, Knutschi“. Sina, hält nicht nur
Händchen, sie knutscht auch nicht nur, sie will bei Carlos übernachten, was
ihre Eltern nicht wollen, obwohl der Rest ja eh schon läuft... Die
Altersempfehlung hängt also ein wenig vom hormonellen Reifegrad und dem
Interesse an Beziehungen ab. Wobei mir gut gefällt, daß Sina schon weiß, warum
ihre Eltern dagegen sind, nämlich weil sie Carlos nicht kennen, ein Umstand
über den Sina dann beginnt nachzudenken... Neben den Umweltaspekten, sind auch
Beziehungswarnsignale eingearbeitet und sehr einfühlsam aufgearbeitet, so daß
ich dieses Buch älteren Leserinnen so um die 14 Jahre sehr gut empfehlen kann.
Dieser Band erschien 2014, d.h. die Zahlen sind nicht nicht mehr alle ganz
aktuell, heute ist es meistens noch viel drastischer, so sind nicht mehr nur 50
% des deutschen Waldes geschädigt, sondern sogar 90 % auf Grund der trockenen
Sommer und der immer stärkeren Unwetter, nicht mehr gesund. Dennoch sind auch
die Aspekte gedanklich aktuell, was der Einzelne tun kann, auch wenn ich 2019
eher zur LED-Lampe als zur Energiesparlampe greifen würde. Solche technischen
Gedankenanpassungen schaffen Leser aber durchaus selbst. Sehr schön, fand ich
auch die Autodiskussion von Sinas Eltern, über die Anschaffung eines neuen
Dienstwagens, der noch vor dem Dieselskandal stattfand, aber durchaus Feinstaub
und Co. berücksichtigt. In diesem Punkt finde ich es eher erschreckend, wie
wenig sich in den letzten 5 Jahren getan hat, trotz der Konsumhaltung immer
neues und immer mehr haben zu wollen. Wirklich saubere Autos gibt es immer noch
nicht, denn der Strom kommt ja nicht aus der Steckdose! Auch die Stromgewinnung
und die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden ist Stoff für einen
Infokasten. Wer sich also für das Thema Umwelt interessiert, findet viele Infos
und Anregungen, die auch den eigenen Alltag beeinflussen können. Wer sich mehr
für Sina und ihr Liebesleben und ihre Freundinnen und sonstige Teeniesorgen
interessiert, kann sie auch überlesen, was ich aber nicht empfehle. Die
Infokästen stören die Lesbarkeit überhaupt nicht und die Geschichte bleibt
weiterhin packend!
Als die Tierärztin die Wildkatze als solche entlarvt und auf die Chance des
Nabu hinweist, dachte ich sofort: Oh ja, jetzt wird vor dem Verwaltungsgericht
geklagt, das kann und darf der Nabu nämlich! Es werden zwar die juristischen
Konsequenzen bei Demos und das Versammlungsrecht (so gut habe ich es in keinem
meiner Bücher im Grundstudium erklärt gefunden) erörtert, aber die
Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden fehlt leider gänzlich. Gerade bei einer
bedrohten Tierart wäre dies im Eilverfahren sehr vielversprechend für einen
vorläufigen Baustopp. So ist die Rodung des Hambacher Forstes juristisch gestoppt
worden und das Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich ging nach nur 100 Tagen vom Netz,
weil von der Genehmigung abgewichen wurde, und der Bau wegen einer tektonischen
Platte um 1 m von der Genehmigung abweichend errichtet wurde. Manchmal, kann
man große Umweltdinge, auch rechtlich lösen und erreichen. In der Liste der
Öko-Berufe, über die Sina nach dem Abi nachdenken könnte, fehlt also eindeutig
der Umweltrechtler (dafür braucht man einen langen Atem, es ist ein sehr
trockenes und sehr langwieriges Rechtsgebiet, das dafür manchmal wahre Wunder
wirken kann). Engagement lohnt sich, wie Sina und Yannis beweisen, ich habe nur
etwas Bauchschmerzen, bei dem von ihnen gewählten Weg und legalere Mittel wären
mir lieber gewesen. Der Zweck heiligt für mich nicht immer die Mittel. Für
einen Roman ist so ein Rechtsstreit aber sicherlich etwas trocken und wenig
mitreißend, da ist die gewählte Handlung schon interessanter. Im Übrigen gibt
es aber sonst keinen Umweltaspekt der nicht behandelt wird.
Mit diesem Band wird die Geschichte von Sina abgeschlossen und abgerundet.
Es ist klar, daß Sina, nach all ihren Umwegen und Krisen und Problemen schon
ihren Weg finden wird und es wird ein guter sein. Pubertät ist eben auch die
Zeit der Selbstfindung und das ist ihr gelungen. Ein toller Mix aus
persönlicher Entwicklungsgeschichte und Ökoaufklärung - ein Thema, das uns alle
angeht und die Generation „Fridays for future“ besonders bewegt.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ilona Einwohlt für dieses Gewinnexemplar, bei dem auch ich noch einiges gelernt habe.
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