Herzensbruder – Bruderherz, Andrea Schomburg, Illus. Dorothee Mahnkopf,
Tulipan Verlag
Luise meint, sie wäre eine ganz normale Zwölfjährige, zwar Einzelkind, aber
mit netten Freundinnen und liebevollen Eltern. Nun gut, sie sind etwas übervorsorglich,
aber sie meinen es ja nur gut, auch wenn sie es manchmal übertreiben. Doch dann
geschehen zwei Dinge die ihr Leben verändern: Ihre Mutter will, daß sie für den
Besuch eines Freundes des Vaters das Haus aufräumen, wobei sie ein altes Fotoalbum
findet. Dabei entdeckt sie, daß sie einen Zwillingsbruder namens Felix hatte,
der wohl kurz nach der Geburt gestorben ist. Ist das der Grund für ihre Sorge
um sie? Warum haben sie ihr nichts davon erzählt? Die Frage beschäftigt sie
unentwegt. Auch noch als sie sich heimlich zum Jugendtheater-Workshop anmeldet,
den ihre Eltern ihr aus Angst vor seltsamen Subjekten am Theater verboten
haben. Als dort alle bei der Vorstellungsrunde nach Geschwistern gefragt
werden, erzählt sie von ihrem coolen Zwillingsbruder Felix, dem
Jugendtheaterstar und Hip-Hop-Champion. Alle wollen ihn kennen lernen und so
gerät Luise in echte Erklärungsnot, aus der sie ausgerechnet Viktor, ihr
verschlossener Klassenkamerad befreit.
Eine unglaublich einfühlsame und humorvolle Geschichte über den Mut zur
Wahrheit und dem Mut seine Träume zu verwirklichen. Es ermuntert die
Gedankenmauern einzureißen und als die Kreidestriche zu entlarven, die sie
eigentlich nur sind. Ja, Luise lügt ganz schön viel, aber erst, nachdem sie
merkt, daß ihre Eltern ihr etwas verheimlichen und sie fühlt sich dabei immer
und immer unwohler, vor allem weil sie merkt, daß jede Lüge die nächste
hinterher zieht. Meine Tochter (10) mag eigentlich keine Romanhelden, die
lügen, betrügen oder stehlen, aber bei Luise geschieht dies mit so vielen
Gewissensbissen und auch nur, weil sie etwas unbedingt machen möchte, daß ihr
zwar verboten wurde, aber völlig zu unrecht. Sie ist eine gute Schülerin und
erfüllt all ihre Pflichten, hat nette Freundinnen und eigentlich spricht nichts
gegen eine Teilnahme. Das Schauspiel als solches ist weder verboten, noch hat
es einen schlechten Einfluss, ihre Eltern machen sie nur Sorgen, weil die
Gruppe nicht direkt in der Nachbarschaft probt. Doch wer in der Großstadt lebt,
muss seinen Kindern auch mal etwas zu trauen, wenn sie älter werden. So erfüllt
sich Luise ihren eigenen Traum, den vom Theater, den davon mal etwas ganz
alleine auf die Beine zu stellen, und den von einem großen Bruder, auch wenn
Viktor nicht älter ist als sie. Aber Viktor hat Lebenserfahrung und sie kann
nicht nur ihn kennenlernen, sondern auch viel von ihm. Für beide ist es ein
Gewinn und beide gewinnen durch den Anderen an Mut und Selbstvertrauen.
Allerdings müssen sie feststellen, daß ehrlich doch am längsten währt, da selbst
in der Großstadt man solch eine Posse nicht unendlich durchziehen kann, ohne
aufzufliegen und es ist auch ganz schön anstrengend! Das hat uns beiden sehr
gut gefallen. Kinder und Eltern werden ermutigt: miteinander zu reden, ehrlich
zu sein, einander mehr zu zutrauen und die Ängste im Kopf zu besiegen!
Als Mutter musste ich mal wieder grinsen, über die schier unvermeidliche
Unordnung im Akademikerhaushalt – zu gerne würde ich mir diese Seiten einrahmen.
Dabei ist der Schreibstil von Andrea Schomburg wunderschön leicht und
selbstverständlich, trotz des ernsten Themas. Meine Tochter wollte immer
wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Wie das Theaterstück sich entwickelt und
ob Luise und Viktor auffliegen. Die Autorin hat jahrelang als Gymnasiallehrerin
gearbeitet, was sich an der guten Lesbarkeit der Geschichte zeigt. Kein
unbekanntes Wort, nichts, was ein Kind nicht auf Anhieb versteht, dafür aber
Gefühle, die direkt ins Kinderherz gehen. Diese Geschichte ist in Prosa
geschrieben, was bei der Lyrik liebenden Autorin ungewöhnlich ist. Dafür sind
die Liedtexte von dem selbstgeschriebenen Musical als Anhang abgedruckt, zu
singen nach einer Melodie der eigenen Wahl!
Auch wenn dieser Roman schon für ältere Kinder ab 10 Jahren ist, ist er
dennoch zweifarbig illustriert. Mit präzisen Strichen fängt Dorothee Mahnkopf
die Stimmungen und Situationen ein, egal ob Kuscheltier oder die patente
Nachbarin Frau Krauseminze, die uns richtig ans Herz gewachsen ist.
Ein kleiner Roman, der sich für uns zum Herzensbuch entwickelt hat.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Tulipan Verlag für dieses wunderbare
Rezensionsexemplar.
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