Ahrweinkönigin, Ahr-Krimi, Gabriele Keiser, Gmeiner Verlag
In dem heißen Spätfrühling 2018 macht Kommissarin Franca Mazzari mit ihrer
jungen Kollegin Clarissa und der etwas älteren Karin einen Ausflug ins Ahrtal,
ohne zu ahnen, dass sie diese Strecke von Koblenz aus in der nächsten Zeit noch
oft werden fahren müssen. Alljährlich findet im Ahrtal die Wahl der Weinkönigin
statt, die das Ahrtal national und international vertreten soll. Pfingstfreitag
wurde für die mindestens ebenso charmante wie beliebte Melanie Dellinger ein
Kindheitstraum wahr. Doch nur wenige Tage nach ihrem Sieg, wurde die attraktive
junge Frau nicht mehr gesehen. Niemand nimmt die Sorgen ihrer gluckenhaften
Mutter ernst, bis Melanie von Geocachern tot in einem abgelegenen Teil der Ahr
tot aufgefunden wird. War es ein Unglücksfall oder doch ein gewaltsamer Tod?
Noch ehe die Todesursache fest steht, hören sich die Kommissarinnen um. Sie
stoßen auf eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung, aber keine Neider, nur
Bewunderer, für die fröhliche, hilfsbereite und aktive junge Frau.
Dies ist ein Ahr-Krimi, der wirklich wunderbare Eindrücke zu Geschichte,
Geographie, Weinanbau und kulturellen Besonderheiten des idyllischen Ahrtals
vermittelt. Doch bei aller Ahr-Romantik geht es um viel mehr. Es geht ums
Denken und Besinnen. Es geht um Geschichte, die sich nie wiederholen soll und
doch fangen kleine böse Gedanken schon wieder an, sich in den Köpfen
festzusetzen, zumindest versuchen sie es, wenn man sich nicht dagegen wehrt.
Sehr eindrücklich beschreibt Gabriele Keiser, wie leicht es den meisten fällt,
sofort den afghanischen Schützling des Opfers zu verdächtigen. Einfach weil es
so einfach ist und die Schuld so schön weit weg weist. Dabei wird angeregt über
die Wurzeln nachzudenken und die aktuelle Situation in Afghanistan, über die
sich die meisten Menschen nicht genug informieren, oder sie sich nicht genug
Gedanken machen, was Flucht und Neuanfang für die Betroffenen aus den
Krisensituationen bedeutet. Nachplappern ist einfacher, als selbst zu denken.
Das findet sich auch im Ermittlungsstab wieder. Denn die Kommissarinnen Franca
und Clarissa treffen nicht nur auf Vorurteile Flüchtlingen gegenüber, sondern
auch Frauen. Aber da sind die Kollegen bei ihnen an der falschen Adresse. Sehr
sympathisch, wie die zwei unterschiedlichen Frauen sich ergänzen und es durch
gegenseitige Achtung und Respekt vor der Erfahrung und der Kenntnis der
technischen Neuerungen es somit wirklich weit bringen. Während die junge, unangepasste
Clarissa sich mit Dingen wie Geocaching, Instagram, Scramming und Co. auskennt,
verfügt Franca über einen großen Erfahrungsschatz aus vergangenen Mordfällen,
hat schon viel gesehen und gelesen und kann auch auf großes geschichtliches
Wissen zurückgreifen, welches diesen Roman sehr bereichert. So konnte ich mal
wieder eine Menge über meine Heimat lernen, obwohl ich gerade diesen
Ahrsteigweg schon gegangen bin. Oh ja, er ist nicht ohne und mutet bisweilen
alpin an und ist anstrengend. Nicht unbedingt eine Rentnerrunde aber sehr
erlebnisreich und beeindruckend. Absolut treffend beschrieben. Die historischen
Denk- und Mahnmäler werden wir aber noch aufsuchen. Der beschriebene
Regierungsbunker ist übrigens wirklich eine Reise wert! Aber keine Sorge, dieser
Roman ist wirklich ein Kriminal-Roman und kein Werbeprospekt des
Fremdenverkehrsamtes. Was ich diesmal wieder sehr überzeugend fand, war die
logische und psychologische Schlüssigkeit der handelnden Personen. Ich kann
nachvollziehen, wenn auch nicht nachempfinden, warum tat, was getan wurde und
der Tathergang ist schlüssig und logisch. Durch den Dialog zwischen Franca und
Clarissa lernt man aber nicht nur die Gegend und ihre Geschichte kennen,
sondern ältere Leser bekommen von Clarissa, ebenso wie die ahnungslose Franca,
klar und verständlich „neumodischen Schnickschnack“ wie Geocaching und die
Gefahren der social media erklärt.
Gabriele Keiser nimmt einen mit in die Abgründe unsicherer Seelen. Hinter
manch scheinbar unauffälligem Mitbürger vermag es doch zu brodeln, durch Qualen
in der Kindheit oder Überempfindlichkeit und vermeintliche Verletzungen. Dabei
überzeugt dieser Krimi sowohl durch seine elegante Sprache, als auch durch
seine interessante Struktur. Während man den Kommissarinnen bei den Ermittlungen
über die Schulter schaut und auch der Mutter und der Familie ihrer besten
Freundin in die gute Stube, weiß der Leser aber noch mehr. Er liest die
geheimen Nachrichten, die Melanie auf ihrem Handy hatte, das Handy, das
verschwunden ist, wie auch ihre Schlüssel. Eine Kommunikation, die immer
persönlicher wird und von Melanie streng gehütet wurde. Hierdurch wird man
immer wieder daran erinnert, dass doch jeder Mensch, egal wie gut wir ihn zu
kennen glauben, seine Geheimnisse hat. Geheimnisse, die zum Tod führten oder
nur das Leben spannender machten?
Überzeugend und tiefgründig vermochte mich der siebte Fall von Franca
Mazzari wieder voll zu überzeugen, nachdem ich den sechsten Fall etwas
schwächer fand, aber auch nicht schlecht. Er ist übrigens auch für Neueinsteiger
der Reihe geeignet.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Gmeiner Verlag für dieses anregende und
spannende Rezensionsexemplar.
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