Tod am Strand – Miss Fishers mysteriöse
Mordfälle, Kerry Greenwood, Insel
Taschenbuch
Miss Fishers mysteriöse Mordfälle ist eine
Kultkrimireihe aus Down Under und spielt in den wilden Zwanzigern. Obwohl die
Serie auf ZDF neo läuft, haben sie auch schon mehrere meiner Freundinnen für
sich entdeckt. Ich schaue sie zeitverzögert, wenn die Kinder im Bett sind und
schlafe dabei gelegentlich ein! So auch bei diesem Fall, der bereits
ausgestrahlt wurde und bei dem ich mich fragte, wer denn all diese Leute sind,
die nicht unbedingt alle in den übrigen Folgen der Staffeln vorkamen. Da hilft
nur nachlesen! Tatsächlich weiß ich nun, wer wer ist und wie alles
zusammenhing:
Die ehrenwerte Miss Phryne Fisher ist eine
mondäne, unabhängige englische Aristokratin, die sich den gesellschaftlichen
Erwartungen ihrer Zeit nicht beugen möchte. Nach ihrem Einsatz als
Rettungswagenfahrerin im großen Krieg, hat sie es auf dem väterlichen Schloss
in England nicht ausgehalten und sich als Detektivin selbstständig gemacht. Als
eine Mordermittlung sie nach Australien verschlug, gefiel es ihr, so weit von
ihrem Vater entfernt, und sie ließ sich nieder. Inzwischen hat sie sich einen
Ruf in der besseren Gesellschaft erarbeitet, zwei Adoptivtöchter Jane und Ruth,
eine Assistentin Dorothy genannt Dot, und das Ehepaar Mr. und Mrs. Butler
runden neben Hund Molly und Katze Ember den Haushalt ab. Die schöne Phryne
liebt ihre Freiheit und genießt die hingebungsvollen Besuche ihres Liebhabers
Lin Chung, überlässt ihn für den Alltag aber gerne seiner frisch gebackenen
Ehefrau Carmellia.
Das alljährliche Blumenfest steht an und da
sie sich als äußerst großzügige Spenderin für den Wohltätigkeitsfond des neuen
Bürgermeisters erwiesen hat, soll dieses Jahr Phryne die Ehre haben, als
Blumenkönigin den Festumzug, begleitet von 4 Blumenprinzessinnen, zu krönen.
Leider sind ihre Blumenprinzessinnen nicht ganz nach ihrem Geschmack,
oberflächlich, bisweilen sogar einfältig und boshaft. Doch dann verschwindet
ausgerechnet die labilste von ihnen und Phryne bekommt den Auftrag das Mädchen
aus gutem Hause zu finden, um einen Skandal zu vermeiden. Allerdings
interpretiert sie ihre Aufgabe recht eigenwillig im Sinne des Mädchens, als sie
merkt, das viel mehr dahinter steckt, als eine Backfischlaune...
Der englische Originaltitel heißt übrigens
übersetzt: Die Blumenkönigin, ein für meinen Geschmack viel passenderer Titel,
da am Strand keine Leiche gefunden wird und auch sonst kein gewaltsamer Tod zu
verzeichnen ist, nur der Versuch... Es verschwinden zwei Mädchen, dem einen
wird nach dem Leben getrachtet, das andere soll gegen ein Lösegeld frei
gelassen werden, aber es ist vor allem ein Roman, mehr als ein blutiger Krimi.
Bis das erste Mädchen verschwindet muß man daher auch ca. 1/3 des Buches lesen.
Setzt man den Schwerpunkt auf Roman, macht dies nichts, denn die doch recht
eigene Welt der ebenso exzentrischen wie klugen Miss Fisher ist durchaus
unterhaltsam und interessant. Die Charaktere bekommen sehr viel Zeit sich
vorzustellen und zu entwickeln, was mir in der TV-Serie bisweilen zu kurz
kommt, sofern man sie nur gelegentlich schaut.
Bis auf den Titel finde ich die Übersetzung
übrigens ausgesprochen gelungen und mit viel Gefühl für den damaligen
Zeitgeist, die Sprache und die Sitten. Die zarte Ironie und die Distanz mit der
Phryne das Leben betrachtet, sich ihre Freiräume schafft und sich bisweilen zum
Wohle anderer zurücknimmt, wird pointiert geschildert. Das verleiht dem Roman
trotz der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen, denen Phryne auf den Grund geht,
eine gewisse Leichtigkeit, ohne die moralische Verdorbenheit der verschiedenen
Täter herunter zu spielen. Auch wenn Phryne bisweilen andere moralische Werte
als das Bürgertum pflegt, so respektiert sie stets den freien Willen ihrer
Mitmenschen, diesen zu brechen ist für sie tabu. So darf man sie zu den
amtierenden Unterweltgrößen von Melbourne begleiten, verfolgt die Veränderung
von St. Kilda, einem Hafenstadtteil, der inzwischen wieder schwer angesagt ist,
auch wenn er sich vor 100 Jahren dank der zunehmenden Automobilisierung auf dem
absteigenden Ast befand und taucht in die Welt der Schausteller und Zirkusleute
ein. In die einzelnen Kapitel werden immer wieder Briefe eingeflochten, die
Hinweise auf die Hintergründe der Taten geben, wobei ich mir auch am Ende noch
nicht ganz sicher bin, ob die Detektivin diese Briefe je selbst zur Kenntnis
genommen hat, oder ob diese dem reinen Gedankenkitzel des Lesers dienen sollen.
Es ist ein kultivierter KriminalRoman, bei dem
die Erzählung und die Entwicklung das Ziel sind. Wunderbar für eine genussvolle
Lektüre am Strand und eher nicht für schlaflose Nächte. Wer emanzipierte Frauen
in den roaring Twenties mag, der wird hier seine Freunde haben, denn Phryne
Fisher ist eine große Vorreiterin der Frauenbewegung, wenn auch ohne großes
Tamtam. So lässt sie gerne ihre Probleme von ihrer Anwältin lösen und ich
wette, daß diese damals die einzige Frau dieses Berufstandes in Melbourne
war.....
Dieser Kriminalroman ist ein sprachlicher und
gesellschaftlicher Genuss. Ich weiß zwar immer noch nicht, wie eine englische
Adelige zu einem so profanen Namen wie Fisher kommt, aber ansonsten habe ich
einiges über Phrynes Vergangenheit gelernt.
Wunderbar historisch und modern zugleich, für
Liebhaber von Krimis, die ihren Plot ohne Hektik entfalten.
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