Sonntag, 21. Juli 2019

Tod am Strand – Miss Fishers mysteriöse Mordfälle, Kerry Greenwood, Insel Taschenbuch



Tod am Strand – Miss Fishers mysteriöse Mordfälle, Kerry Greenwood,  Insel Taschenbuch

Miss Fishers mysteriöse Mordfälle ist eine Kultkrimireihe aus Down Under und spielt in den wilden Zwanzigern. Obwohl die Serie auf ZDF neo läuft, haben sie auch schon mehrere meiner Freundinnen für sich entdeckt. Ich schaue sie zeitverzögert, wenn die Kinder im Bett sind und schlafe dabei gelegentlich ein! So auch bei diesem Fall, der bereits ausgestrahlt wurde und bei dem ich mich fragte, wer denn all diese Leute sind, die nicht unbedingt alle in den übrigen Folgen der Staffeln vorkamen. Da hilft nur nachlesen! Tatsächlich weiß ich nun, wer wer ist und wie alles zusammenhing:
Die ehrenwerte Miss Phryne Fisher ist eine mondäne, unabhängige englische Aristokratin, die sich den gesellschaftlichen Erwartungen ihrer Zeit nicht beugen möchte. Nach ihrem Einsatz als Rettungswagenfahrerin im großen Krieg, hat sie es auf dem väterlichen Schloss in England nicht ausgehalten und sich als Detektivin selbstständig gemacht. Als eine Mordermittlung sie nach Australien verschlug, gefiel es ihr, so weit von ihrem Vater entfernt, und sie ließ sich nieder. Inzwischen hat sie sich einen Ruf in der besseren Gesellschaft erarbeitet, zwei Adoptivtöchter Jane und Ruth, eine Assistentin Dorothy genannt Dot, und das Ehepaar Mr. und Mrs. Butler runden neben Hund Molly und Katze Ember den Haushalt ab. Die schöne Phryne liebt ihre Freiheit und genießt die hingebungsvollen Besuche ihres Liebhabers Lin Chung, überlässt ihn für den Alltag aber gerne seiner frisch gebackenen Ehefrau Carmellia.
Das alljährliche Blumenfest steht an und da sie sich als äußerst großzügige Spenderin für den Wohltätigkeitsfond des neuen Bürgermeisters erwiesen hat, soll dieses Jahr Phryne die Ehre haben, als Blumenkönigin den Festumzug, begleitet von 4 Blumenprinzessinnen, zu krönen. Leider sind ihre Blumenprinzessinnen nicht ganz nach ihrem Geschmack, oberflächlich, bisweilen sogar einfältig und boshaft. Doch dann verschwindet ausgerechnet die labilste von ihnen und Phryne bekommt den Auftrag das Mädchen aus gutem Hause zu finden, um einen Skandal zu vermeiden. Allerdings interpretiert sie ihre Aufgabe recht eigenwillig im Sinne des Mädchens, als sie merkt, das viel mehr dahinter steckt, als eine Backfischlaune...
Der englische Originaltitel heißt übrigens übersetzt: Die Blumenkönigin, ein für meinen Geschmack viel passenderer Titel, da am Strand keine Leiche gefunden wird und auch sonst kein gewaltsamer Tod zu verzeichnen ist, nur der Versuch... Es verschwinden zwei Mädchen, dem einen wird nach dem Leben getrachtet, das andere soll gegen ein Lösegeld frei gelassen werden, aber es ist vor allem ein Roman, mehr als ein blutiger Krimi. Bis das erste Mädchen verschwindet muß man daher auch ca. 1/3 des Buches lesen. Setzt man den Schwerpunkt auf Roman, macht dies nichts, denn die doch recht eigene Welt der ebenso exzentrischen wie klugen Miss Fisher ist durchaus unterhaltsam und interessant. Die Charaktere bekommen sehr viel Zeit sich vorzustellen und zu entwickeln, was mir in der TV-Serie bisweilen zu kurz kommt, sofern man sie nur gelegentlich schaut.
Bis auf den Titel finde ich die Übersetzung übrigens ausgesprochen gelungen und mit viel Gefühl für den damaligen Zeitgeist, die Sprache und die Sitten. Die zarte Ironie und die Distanz mit der Phryne das Leben betrachtet, sich ihre Freiräume schafft und sich bisweilen zum Wohle anderer zurücknimmt, wird pointiert geschildert. Das verleiht dem Roman trotz der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen, denen Phryne auf den Grund geht, eine gewisse Leichtigkeit, ohne die moralische Verdorbenheit der verschiedenen Täter herunter zu spielen. Auch wenn Phryne bisweilen andere moralische Werte als das Bürgertum pflegt, so respektiert sie stets den freien Willen ihrer Mitmenschen, diesen zu brechen ist für sie tabu. So darf man sie zu den amtierenden Unterweltgrößen von Melbourne begleiten, verfolgt die Veränderung von St. Kilda, einem Hafenstadtteil, der inzwischen wieder schwer angesagt ist, auch wenn er sich vor 100 Jahren dank der zunehmenden Automobilisierung auf dem absteigenden Ast befand und taucht in die Welt der Schausteller und Zirkusleute ein. In die einzelnen Kapitel werden immer wieder Briefe eingeflochten, die Hinweise auf die Hintergründe der Taten geben, wobei ich mir auch am Ende noch nicht ganz sicher bin, ob die Detektivin diese Briefe je selbst zur Kenntnis genommen hat, oder ob diese dem reinen Gedankenkitzel des Lesers dienen sollen.

Es ist ein kultivierter KriminalRoman, bei dem die Erzählung und die Entwicklung das Ziel sind. Wunderbar für eine genussvolle Lektüre am Strand und eher nicht für schlaflose Nächte. Wer emanzipierte Frauen in den roaring Twenties mag, der wird hier seine Freunde haben, denn Phryne Fisher ist eine große Vorreiterin der Frauenbewegung, wenn auch ohne großes Tamtam. So lässt sie gerne ihre Probleme von ihrer Anwältin lösen und ich wette, daß diese damals die einzige Frau dieses Berufstandes in Melbourne war.....

Dieser Kriminalroman ist ein sprachlicher und gesellschaftlicher Genuss. Ich weiß zwar immer noch nicht, wie eine englische Adelige zu einem so profanen Namen wie Fisher kommt, aber ansonsten habe ich einiges über Phrynes Vergangenheit gelernt.

Wunderbar historisch und modern zugleich, für Liebhaber von Krimis, die ihren Plot ohne Hektik entfalten.

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