Teestunde mit Todesfall – Ein Fall für Wells & Wong (2), Robin Stevens,
Knesebeck Verlag
Fallingford April 1935: Die Osterferien des Internats Deepdean verbringt
die 13 jährige Hongkong Chinesin Hazel Wong wieder auf dem Landsitz der Familie
Wells, gemeinsam mit ihrer Freundin Daisy, deren 14. Geburtstag ansteht. Wie
schon in den Weihnachtsferien hat auch Daisys älterer Bruder Bertie seinen
Schulfreund Stephen wieder aus Eton mitgebracht. Außerdem sollen Großtante
Saskia, Onkel Felix, ihre Schulfreundinnen Kitty und Küken zur Feier erscheinen
und gänzlich unerwartet für Daisy erscheint der ebenso gutaussehende wie
dreiste und unverschämte Mr. Curtis, ein viel zu guter Freund ihrer schönen
Mutter Lady Hastings. Ebenso überraschend wurde eine neue Gouvernante Miss
Alston eingestellt, um die Mädchen zu beschäftigen und ihnen auch während der
Ferien etwas bei zu bringen. Während der Unterricht bei ihr außergewöhnlich
viel Spaß macht, ist sie dennoch irgendwie keine rechte Gouvernante und gibt
den Mitgliedern der Detektei Wells & Wong echte Rätsel auf. Diese treten
allerdings in den Hintergrund, als Mr. Curtis bei Daisys
Geburtstagskaffeekränzchen vor aller Augen vergiftet wird. Da es in Strömen
regnet und niemand ohne eine Wasserspur zu hinterlassen ins Haus käme, kann der
Täter nur aus dem Kreis der Hausbewohner stammen. Dieser Fall ist so
persönlich, daß selbst Daisy nicht immer einen kühlen Kopf behalten kann, doch
da kommt Hazels große Stunde.
Dies ist der zweite Fall der streng geheimen Internatsschülerinnen-Detektei
Wells & Wong, mit einem weiteren Mord in den höheren Kreisen – wie
ungebührlich!
Zu Beginn lernt der Leser Daisys Familie und die Dienstboten kennen. Die
Stimmung ist gut, auch wenn Daisy sich ärgert, daß ihre Mutter sie behandelt
wie ein Kind und offensichtlich dicke Luft zwischen ihren Eltern herrscht. Dies
steigert sich noch, als Mr. Curtis auftaucht, der jedem außer Lady Hastings
absolut unangenehm ist. Es ist ein Fall
einer geschlossenen Gesellschaft. Eigentlich kann es doch keiner der Anwesenden
gewesen sein! Daisy und ihre Freundinnen standen zu weit entfernt, weil Daisy
schmollte, daß ihre Mutter einen Kindergeburtstag zu ihrem 14. organisiert
hatte, aber sonst hätte es jeder in diesem dichten Gedränge um die Kaffeetafel
sein können und somit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß es jemand ist, der
Daisy am Herzen liegt. Miss Alston verhält sich nun noch verdächtiger als
bisher schon, aber welches Motiv könnte sie haben? Auch Onkel Felix, der
unbedingt die Polizei heraushalten will wird immer undurchsichtiger. Tante
Saskia stiehlt wie eine Elster, aber tötet sie deshalb auch gleich? Butler
Chapmann scheint etwas beobachtet zu haben, was Lord Hastings tat und wird
immer fahriger und Lord Hastings sieht immer schuldiger aus....Selbst Daisys
Bruder und dessen Freund kommen als Täter in Betracht, hat doch besonders
Bertie seine Mutter wegen Mr. Curtis zur Rede gestellt und sogar angebrüllt.
Irgendwie scheint es diesmal besonders schwierig einen kühlen Kopf zu bewahren
und rein logisch zu denken, wenn man persönlich betroffen ist.
Dieses Mal müssen Daisy und Hazel ihre Zimmergenossinnen Küken und Kitty
einweihen. Dadurch bekommen sie viel mehr Kontur und Persönlichkeit als im
Auftaktband im Internat, in dem die Anzahl der Verdächtigen deutlich größer
ist. Das gefällt mir umso besser, da diese beiden auch noch im Halloween-Fall
an der Deepdean wieder mitspielen werden. Besonders mag ich den ironischen
Blick hinter die verstaubten Kulissen von Fallingford. Die angestaubte Pracht
und in die Jahre gekommene Eleganz, des alten Adels, der so ein völlig anderes
Selbstverständnis inne hat, als der Protz der Neureichen. Auch wenn der Fall
vor fast 100 Jahren spielt und auf technische Ermittlungsmethoden verzichtet
werden muss, ist Robin Stevens Sprache zwar nicht modern schnodderig, aber auch
für heute Kinder und Jugendliche gut verständlich und leicht zu lesen, ohne
dafür das Gespür für die Zeit zu verlieren, in welcher die Handlung spielt. Um
dem Leser die eigenen Ermittlungen zu erleichtern, hat Hazel wieder einen Plan
vom Grundstück und einen Grundriss der Stockwerke gefertigt, sowie ein
Personenverzeichnis mit knapper Charakterisierung. Während der einzelnen
Ermittlungsphasen erstellen Daisy und Hazel immer wieder Listen ihrer
Verdächtigen mit Motiv und Gelegenheit und streichen nach und nach entlastete
Hausbewohner ab. Manchmal stimme ich den beiden in ihrer Einschätzung nicht zu,
aber sie haben ja auch kaum forensische Beweise. So macht es wieder richtig
Spaß selbst mit zu rätseln und vielleicht sogar die Denkfehler der fast
unfehlbaren Daisy, die sich hier sehr menschlich zeigt, aufzudecken.
Ein höchst vergnüglicher Fall, der dieses Mal keine besonderen historischen
Bezüge zum Weltgeschehen hat, außer daß Hazel immer wieder darauf hinweist, wie
offensichtlich unenglisch sie überall wegen ihres Aussehens auffällt und
angestarrt wird. Die Größe des Empires ließ sich damals noch nicht so an der
Vielfalt der Hautfarben der Bewohner Englands ablesen.
Ich liebe diese Reihe von Band zu Band mehr und wollte daher auch unbedingt
noch den zweiten. Ob ich diesen Fall auch richtig gelöst hätte, wenn ich die
Nachfolgebände nicht schon kennen würde, weiß ich nicht. Aber es ist wieder sehr
kniffelig, die Hinweise sind alle eingestreut, da heißt es: mitknobeln!
Wieder ein gelungener kurzweiliger Band dieses eigenwilligen Ermittlerduos
aus den Spuren von Sherlock und Watson.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für dieses
Rezensionsexemplar und freue mich nun umso mehr auf den neuen Band „Mord hinter
den Kulissen“ der im September erscheinen wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen