Samstag, 3. Juni 2017

Mord auf Entzug, Werner Gerl, Allitera



Mord auf Entzug, Werner Gerl, Allitera
Die burschikose Kommissarin Irene Rosen ist seit 5 Jahren von ihrem Ex-Mann Karl, einem untreuen korrupten jetzt Ex-Polizisten getrennt. Ihre Onlinedates sind sehr ernüchternd und nüchtern wohl nur schwer zu ertragen, daher hört sie das Telefon nicht, als sie zum Einsatz in die Nobelentzugsklinik Katharsis gerufen wird. Ihr gedanklich schon pensionierter Kollege übernimmt den frischen Tatort rund um den Leichnam des ermordeten Klinikleiters und als sie mit deutlicher Verspätung dort ankommt, scheinen sich ihre schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten. Neben der alternden Diva Lola Ries trifft sie dort auch auf den Verschwörungsautor Ferner, Popstar und Frauenschwarm Thommy Martin und ihren damaligen Trennungsgrund Topmodel Diana Hofer. Obwohl sich die vier Patienten gegenseitig nicht ausstehen können verbünden sie sich jedoch gegen die toughe Kommissarin, deren Zuspätkommen anhand des Knutschflecks am Hals Anlass für lautstarke Spekulationen gibt. Wie gut, daß der neue Kollege Andrea Popolo dies nicht miterleben muss, da er vorerst der trauernden Witwe einen Besuch abstatten soll und anschließend deren Anwalt. Auch wenn die Witwe ein wasserdichtes Alibi hat, so scheint mit ihr etwas nicht zu stimmen. Dafür verrät die Klinikpsychologin Irene Rosen sofort, was wohl ihrer Meinung nach nicht mit ihr stimmt. Daran hat die Kommissarin erst einmal zu knabbern, während sich der Kommissaranwärter Popolo über einen Undercovereinsatz hautnah an seinen Lieblingspromis freut.
Kommissarin Rosen ist burschikos und hält alle durch Ironie auf Distanz. Dennoch finde ich sie sehr liebenswert und mag ihren Humor, er ist so angenehm anders, als dieses Gezicke zwischen den weiblichen Patientinnen des Kartharsis oder die Übersexualisierung der lustigen Witwe. Besonders gefallen hat mir, daß sie auch bereit war sich selbst in Frage zu stellen. Und wenn sie einmal eine Witterung aufgenommen hat, lässt sie nicht locker, sehr zum Missfallen des Herrn Kriminalrats.
Ich hatte ja bei diesem Buch etwas Angst, es könnte so Clichée überladen sein, daß es mich so langweilen würde wie die Filme Rossini und Late Night Show. Zum Glück war dem nicht so.
Auch wenn die süchtigen Promidamen natürlich die gängigen Vorurteile bedienen, sind sie dennoch keine Abziehbilder, sondern klar charakterisiert, wenn auch nicht sehr sympathisch.
Lola Ries würde mir im wahren Leben wohl total auf den Geist gehen, aber hier finde ich ihre Sprüche doch bisweilen sehr lustig.
Es sind aber auch Kleinigkeiten, die mir an diesem Buch so gefallen. Als Irene Rosen sich auf Anraten der Psychologin Laura Groß versucht auf ihre weibliche Seite zu besinnen, folgen interessante Gedanken zu Make up, Maniküre und Styling. Die ließen mich grinsen. Gibt es wirklich Männer, die auf künstliche Nägel stehen? Wahrscheinlich schon, denn wie dieses Buch zeigt, ist ja auch der Geschmack hinsichtlich des bevorzugten Frauentyps zum Glück nicht bei allen Männern gleich.
Aber nein, dies ist nicht unbedingt ein Frauen Krimi, anfangs dachte ich gar, es sei ein echter Männerkrimi.
Sehr gut fallen hat mir, daß alle Dreck am Stecken haben. Dadurch sind die Fährten sehr verwirrend, die Kommissarin muß ermitteln, welche verwirrenden Ungereimtheiten oder Indizien zu welcher Tat oder welchem Geheimnis gehören. Im Katharsis lauert das Böse quasi hinter jeder Ecke und auch wenn die Kommissarin eigentlich „nur“ einen Mord aufklären soll, findet sie noch deutlich mehr größere und kleinere Straftaten. Dabei befällt mir, daß die Taten nicht nur von den Promis begangen wurden und nicht einfach weil Promis böse und überheblich sind. Es ist oft die Sucht die aus Verzweiflung oder vermeintlicher Ausweglosigkeit zu den Taten trieb.
Ein wirklich toller Krimi der von mir ganz klar 5 von 5 Sternen erhält, von denen ich aber leider einen wieder abziehen muss, weil die Druckqualität, das Lektorat und das Einbandmaterial qualitativ zu wünschen übrig lassen. Druckfehler kommen in fast allen Büchern vor, aber hier standen öfters mal falsche oder zu viele Wörter (Wortverdoppelungen) in einem Satz. Das hat gerade bei der spannenden Aufklärung echt genervt, daher „nur“ gute 4 von 5 Sternen für einen 5 Sterne Krimi.

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