Herzenmacher, Akram El-Bahay, Ueberreuter Verlag
Seit dem Verschwinden seines Vaters vor einigen Jahren lebt der 14-jährige
Léo alleine mit seiner Mutter in dem kleinen Bergort Besancon. Seine Mutter ist
eine sehr geschätzte Spielzeugmacherin, die mechanische Männchen u.ä.
herstellt, wie zuvor auch sein Vater. Doch seit seinem vermutlichen Tod, hat
sie sich verändert, sie ist verschlossener, schottet sich auch Léo gegenüber
ab, verlässt den Ort nicht mehr und ist überbesorgt. Eines nachts taucht ein
Fremder heimlich in der Werkstatt auf. Er ist zwergenhaft klein und er fordert
von ihr, das letzte Werkstück des Vaters: ein silbernes, mechanisches Herz.
Léo, ist fasziniert von seiner Beobachtung und folgt dem Fremden heimlich bis
in die Kirche, durch den gesperrten Turm, durch ein heimliches Portal, in eine
Parallelwelt, die seiner Heimat unglaublich ähnelt, aber in der ein eisiger Frost,
statt herrlichem Sommer herrscht. In dieser Welt regulieren zwei
Hexenschwestern das Wetter. Während eine schläft, herrscht die andere. Doch
seit Jahren hindert die Winterhexe, die Sommerhexe am Aufwachen, durch einen
Deal mit dem Tod. Sie tauscht menschliche Lebenszeit gegen die Erfüllung von
Wünschen, und bleibt so länger wach. Dieser Wohlstand reicht aber nicht allen
und so formiert sich immer stärkerer Widerstand, gegen die ewige Kälte und die
Schreckensherrschaft der Hexe. Zwerge, begnadete Spielzeugmacher, die
mechanische Herzen zum Schlagen bringen und das Wächtervolk, schmieden schon
seit Jahren an einem Plan. Doch die Ankunft von Léo bringt so einiges
durcheinander...
Eine märchenhafte Fantasyumsetzung des Traums vom ewigen Leben. Wundervoll werden
Mythen, wie die russische Baba Jaga mit Fantasy Elementen wie bei C.S.Lewis
verknüpft, ohne dabei ihre Originalität zu verlieren. Die Idee, daß man
Spielzeuge mit einem mechanischen Herzen zum Leben erwecken kann, wenn man die
entsprechende Gabe besitzt ist faszinierend, insbesondere, wenn einige dieser
Wesen menschlicher als ein Mensch oder zwergiger als ein Zwerg sein mögen.
Geschickt wird reales mit dem Reich der Fantasy verknüpft, auf so poetische
Weise, daß ich am liebsten ständig Zitate notiert hätte wie z.B. „Selbstlosigkeit ist ein Schlüssel, der oft
passt“, aber leider, war dies nicht möglich. Dieses Buch ist einfach auf
märchenhafte Weise unglaublich spannend. Wie Léo das Problem des Anhaltens des
Herzens der Herzlosen meistern soll, schien für mich einfach unlösbar. Denn
jede Handlung hat ihre Konsequenzen und ist man bereit mit diesen zu leben? Ich
musste mich stets daran erinnern, daß es sich ja um ein Jugendbuch handelt und
das Ende schon so schlimm nicht sein wird und ich wohl nicht mit einer
Apokalypse rechnen muss. Das ist auch in der Tat nicht eingetreten. Nicht alle
Begleiter auf dieser Abenteuerreise schaffen es lebend in das letzte Kapitel,
doch kann der Tod auch Erlösung sein, Erlösung von den Qualen die man in der
Knechtschaft des Bösen erleiden muss, unter einem aufgezwungen Willen. Dabei
werden alle Fragen zufriedenstellend und stimmig gelöst, auch wenn mir das beim
Lesen unmöglich erschien.
Was mir sehr gut gefällt, ist der Gedanke, der Vergebung und der Erlösung,
die Befreiung der Welt, ohne dass es um Rache an der Winterhexe und ihren
Anhängern geht. Trotz der düsteren Zeiten die die andere Seite aktuell erlebt,
gibt es doch Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe. Auch wenn Armeen
aufmarschieren und die Bedrohung wächst, ist das Werk nicht von martialischen
Kampfszenen geprägt und somit absolut zielgruppengerecht. Es ist auch ein
Märchen über die Kraft der Liebe, daher gibt es durchaus auch eine Kussszene,
dennoch ist es nicht wirklich ein Liebesroman, es gehört nur zum Leben und
Erwachsenwerden dazu. Wer so viele schwierige Aufgaben zu erfüllen hat, wie Léo
mit seinen 14 Jahren, der wird auch früher erwachsen, aber ohne sein reines
Herz zu verlieren und ohne in Kitsch abzudriften.
Die Verknüpfung der Welten ist spannend, sowohl in ihren Gemeinsamkeiten,
als auch in ihren Unterschieden. Man taucht ganz tief ein, mit Gedanken und
Gefühlen in diese fremd-vertraute Welt, dank der Poesie der Sprache und der
Fesselung der Handlung, die die volle Bandbreite der Gefühle umfasst. Eine wunderbare
Entführung durch Zeit und Raum, doch bin ich sehr froh, derzeit keine Krähen in
der Nähe zu haben. Diese „Boten des Bösen“ würden mich wohl derzeit bei ihrem
Anblick zusammenzucken lassen.
Mit knapp 400 Seiten lässt es sich auch noch mitnehmen in die Bahn, oder
die Schule, da man es nicht aus der Hand legen mag. Nicht nur für Fans von
Fantasy, sondern auch von wunderschön erzählten Geschichten und Märchen oder
Abenteuern – auf den Anblick von Waschbrettbäuchen verzichtet der Autor
allerdings und auch Rockstars sind nicht zu finden ;) Übrigens gibt es auch
eine weibliche Heldin, so daß es Jungen und Mädchen ab mind. 12 Jahren packen
wird.
Eine märchenhafte Geschichte, die einen in den Bann zieht, berührt und so
schnell nicht wieder loslässt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen