Montag, 8. April 2019

Der Fall des verschwundenen Lords – Ein Enola Holmes Krimi, Nancy Springer, Knesebeck Verlag



Der Fall des verschwundenen Lords – Ein Enola Holmes Krimi, Nancy Springer, Knesebeck Verlag

Vor 10 Jahren verstarb der Vater des berühmten Privatdetektivs Sherlock Holmes und seines bürokratischen Bruders Mycroft. So lange schon waren die zwei nicht mehr auf dem Familiensitz Ferndall Hall. Ihre Vierzehnjährige Schwester Enola ist fest davon überzeugt, daß es daran liegt, dass sie sich für sie schämen, die Schande, die ihre Eltern so spät bekamen, immerhin war ihre Mutter damals schon 50! Doch als an ihrem Geburtstag ihre Mutter, eine freigeistige Künstlerin und Frauenrechtlerin, spurlos verschwindet, ohne ihre Tochter mitzunehmen oder ihr einen Brief zu hinterlassen, ruft sie ihre Brüder herbei. Nicht nur Enola staunt, als ihre Brüder ihr offenbaren, warum sie sich solange nicht haben blicken lassen, auch ihre Brüder staunen, über den Zustand des Gutes, des Herrenhauses, sowie des ungebändigten Zustands der Schwester. Ganz eindeutig muß Enola in ein Internat, doch dass sieht diese anders, sie muß ihre Mutter finden. Während Mycroft ihre Internatsgarderobe schneidern lässt, plant sie ihre Flucht und findet dabei immer wieder versteckte Hinweise ihrer Mutter, geheime Botschaften und Codes, speziell an sie gerichtet. Um ihre Spuren vor ihren logisch rationalen Brüdern zu verschleiern, geht sie bewußt planlos vor und stolpert so, in den Fall eines spurlos verschwunden Zwölfjährigen Lords, der die Presse in Atem hält.  Da kann sie ihre Familienspürnase leider nicht bremsen und geht der Sache nach.

Enola ist ein interessanter Charakter, ebenso wie ihre freigeistige Mutter, die sie so ganz anders erzogen hat, als es für Töchter der besseren Gesellschaft damals üblich war. Während dies reflektiert wird, ebenso wie die Eigenheiten und Schrullen von Lady Eudoria Holmes, wird einem doch deutlich wie weit die Frauenrechte inzwischen gediehen sind. Vieles was für uns heute selbstverständlich ist, war 1888 völlig undenkbar. Da es ein Jugendbuch ist, ist es auch unglaublich wichtig, dies den jungen Leserinnen vor Augen zu führen. Frauen wie Eudoria Holmes haben dafür gekämpft und einiges an Kritik und gesellschaftlicher Ächtung hingenommen, damit wir heute die Wahl haben zu sein wer wir sind und zu werden, wer wir wollen und nicht zwangsläufig Ehefrau und Mutter oder eben nicht nur. Das ist zwar wichtig und interessant, nimmt aber auch viel Raum in dem Roman ein, ebenso wie die Schilderung der Personen und Gegebenheiten, so daß erst auf S. 100 der titelgebende Fall beginnt. Das empfinde ich als ein typisches Problem von Reihenauftaktbänden, daß eben sehr viel Zeit und Seiten auf die Einführung in diese neue fremde Welt investiert wird. Das ist zwar für die folgenden Bände notwendig, sollen die Charaktere nicht wie bloße Abziehbilder wirken, aber für einen Krimi lässt der Fall schon sehr lange auf sich warten.
Als der Kriminalfall des verschwundenen Lords dann endlich begann, war ich etwas enttäuscht, daß er so schnell auch schon wieder vorbei war, aber das war ein Trugschluss. Denn das Blatt wendete sich erneut.Was später kam war wirklich unglaublich spannend, auch wenn es nicht so schwer zu erraten war, wer denn dahinter steckte. Das fand ich etwas schade. Sehr spannend fand ich aber immer wieder die Codes, die Lady Holmes für Enola hinterließ (so kann man ihren Vornamen auch rückwärts erlesen und erhält dann? Jawoll, ein Gefühl, daß sie oft überkommt).  Wie die Codes funktionieren, wird ausführlich erklärt. Auch die Frage, ob Enola letztendlich von ihren Brüdern erwischt wird und im Internat landet, ist immer und allgegenwärtig.

Nancy Springer schreibt flüssig und sehr anschaulich z.B. über die Qualen die die damalige Damenmode nicht nur durch ihre sperrigen Korsetts verursachte. Auch die gesellschaftlichen Probleme, die Dickens in seinen Gesellschaftsromanen anprangert, wie die Armut und Verelendung ganzer Stadtviertel, werden einen durch Enola und ihren kleinen Lord sehr plastisch vor Augen geführt. Vom Ausdruck und dem Erfahrungshorizont her, kann Nancy Springer sich hervorragend auf ihr junges Publikumab 12 Jahren einstellen. So bereichern sie ihren Horizont, mit einem nach Anlaufschwierigkeiten sehr spannenden Kriminalfall. Die Reihe ist in der amerikanischen Heimat der Autorin so erfolgreich, daß sie mit Millie Bobby Brown („Stranger Things“) in der Rolle der jungen Detektivin verfilmt wird. Nächstes Jahr soll der Film dann in die Kinos kommen.

Auf den zweiten Band, der direkter zur Sache kommen dürfte, bin ich schon jetzt gespannt und werde die Reihe sicherlich weiterverfolgen.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für dieses Rezensionsexemplar, auf das ich schon so gespannt war.

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