Perfekte Rache, Susanne Rößner, Edition M
Dies ist Lukas Zieringers zweiter Fall nach Tiefe Stille. KHK Zieringer war
der Shootingstar der Münchner Mordkommission, ehe ihn ein traumatisches
Erlebnis völlig aus der Bahn warf und er ein Jahr komplett dienstunfähig war.
Anschließend ließ er sich in die oberbayrische Provinz versetzen, in der
Annahme, dort vor Kapitalverbrechen sicher zu sein. Dies stellt sich auch
dieses Mal als Irrtum da. Ein Bergwanderer wird abgestürzt, eingenässt und mit
gefesselten Händen an einem schwer zugänglichen Abhang gefunden. Seine
fröhliche Witwe hat zumindest keine offensichtlich finanziellen Motive, da sie
durch ihre bewegte Vergangenheit selbst wohlhabend ist. Doch dann stirbt ein
Versicherungsagent, der ebenfalls ein leidenschaftlicher Golfer ist, wie die
Witwe des ersten Opfers. Lukas setzt seine wohlhabende Tante Maria als
Geheimwaffe ein und lässt sie einen Golfkurs buchen, um Kontakt zur lustigen
Witwe aufzunehmen und an verborgene Hintergründe zu gelangen. Eigentlich
scheinen die Opfer nichts gemeinsam zu haben, aber der Modus Operandi ist schon
auffallend ähnlich und Lukas Zieringer wird von seinem Bauchgefühl getrieben.
Ich bin eigentlich ein großer Fan von zweiten Bänden, da einem die
mühselige Einführung erspart bleibt. In diesem Falle leider nicht, aus verschiedenen
Gründen: 1. war mir eigentlich schon nach 40 % des Buches klar, wer der Täter
war und warum 2. hat mich immer wieder gestört, daß der Psychologe als Arzt
bezeichnet wurde. Ein Pschologe mit Approbation ist ein Psychotherapeut, aber
kein Arzt. Der entsprechende Arzt ist der Psychiater. Beide fallen unter die
Schweigepflicht, wie auch Anwälte und Pastöre in ihrer seelsorgerischen
Funktion. Das zieht sich so stark durch den Fall, daß es kein einmaliges
Versehen ist, sondern schlecht recherchiert. 3. Strafprozessual kräuseln sich
meine Fußnägel vor Beweisverwertungsverboten. 4. Ja, es ist ein Amazonprodukt,
damit habe ich an und für sich kein Problem, aber die Schleichwerbung im Krimi,
wenn Tante Maria als Primekundin kostenlose exklusive Prime-Serien schaut, hat
mich schon genervt. Es hätte völlig gereicht zu sagen, welche Serie sie schaut,
immerhin kommt in anderen Büchern auch Netflix vor, aber nicht dessen Preis ;)
Sprachlich gefällt mir der Stil von Susanne Rößner, von der ich bereits
mehrere Krimis mit Begeisterung gelesen habe, aber der Fall war mir diesmal
nicht spannend genug und zu vorhersehbar und nicht immer schlüssig. Warum, mag
ich wegen einer Spoilergefahr nicht offen legen. Es gibt zwar manchmal
spannende Szenen, aber ich mag es lieber, wenn die Spannung aus dem Fall als
solches erwächst und nicht aufgrund einer riskanten Autofahrt durch unwegsames
Gelände. So autoaffin bin ich einfach nicht.
Auch die Charaktere gefielen mir im ersten Band besser. Es konzentriert
sich für meinen Geschmack zu viel auf Super-Lukas. Das kurze Aufblitzen von
guten Reaktionen von Tante Maria und der jungen Uniformierten Kira ist mir da
einfach zu wenig. Sehr gut gefiel mir jedoch Tante Marias Einstellung Menschen
nach Charakter und nicht nach ihrem Status zu beurteilen. Mir ist Lukas
Zieringer nicht plötzlich unsympathisch geworden, aber die Verschiebung des
Fokusses hat mir nicht so gefallen. Dafür habe ich mich gefreut, viele bekannte
Personen aus dem Vorgängerband wieder zu lesen, auch wenn z.B. die Pathologin
diesmal etwas kurz kam und der dritte Hobbyermittler aus dem Auftaktband ganz
fehlte. Tante Maria erinnert mich immer ein wenig an „Mord ist ihr Hobby“ und
gibt den ansonsten nicht auf gemütlich gemachten Fällen einen cosy-touch.
Auch wenn mich dieser Band nicht überzeugen konnte, mag ich die Personen
und die bisherigen Bücher der Autorin doch so gerne, daß ich einem 3. Fall noch
eine Chance geben würde.
2,5 Sterne gerundet auf 3.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei #netgalley für die Erfüllung meines
sehnlichen Lesewunsches.
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