Die Alpen sehen und sterben – Isabella Archan, Emons Verlag
Maria Konstanze Schlager (29) korrigiert freiberuflich Texte jedweder Art.
Sie hat schon früh ihre Familie verloren und ist seitdem verschlossen und
bleibt gerne für sich. Als sie sich einen Urlaub in Kitzbühl gönnt und nachts
schlaflos am Fluss entlang spaziert, wird sie Zeugin eines Mordes. Doch der
Mörder trägt einen Cowboyhut und sie kann sein Gesicht nicht sehen. Lediglich
seine Abschiedsworte „Servus“ bleiben ihr im Ohr. Als sie die Polizei
verständigt, ist diese zunächst skeptisch. Es gibt keine Spuren, ihre Aussagen
sind wirr und alle die ein Motiv haben könnten, haben ein Alibi. Schnell
übernimmt die Kripo Innsbruck. Allerdings sieht die junge Kommissarin Agnes in
diesem Fall ihre Chance sich innerhalb des Teams zu beweisen. Sie kann den Fall
nicht vergessen. Auch ein anderer hat die Nachrichten über diesen Mord mit
Interesse gelesen. Der zuletzt in Frankfurt a.M. tätige Kriminalkommissar Heinz
Baldur, wittert eine Serie von Auftragsmorden zu welchen auch dieser Fall zu
gehören scheint. Allerdings nimmt seine Bedenken niemand wirklich ernst, denn
seit einer persönlichen Tragödie leidet er unter Halluzinationen. Dank der
Beurlaubung aus gesundheitlichen Gründen, hat er aber Zeit zu ermitteln, ganz
ohne Zeit- und Erfolgsdruck. Und sein Spürsinn juckt gewaltig!
Dies ist ein etwas anderer Krimi, denn er hat einen ungewöhnlichen Fokus:
Auf die Zeugin des Verbrechens, die den Mörder zwar sieht, aber dank des
Cowboyhuts, der nachts sein Gesicht verschattet, diesen nicht beschreiben kann,
sie nimmt ihn vielmehr wahr - als Gesamtpräsenz. Diese Beobachtung prägt sie,
denn es ist nicht der erste Todesfall, schon als Kind, mit 7 Jahren, musste sie
tragische Todeskämpfe beobachten, was ihr den Spottnamen Mörder-Mitzi
einbrachte. Diese traumatischen Erlebnisse haben sie geprägt und halten sie
gefangen. Als sie dem Täter wieder begegnet und ihn an der Stimme erkennt,
entwickelt ich eine merkwürdige Beziehung aus Faszination, Anziehung und
Abstoßung. Wie Katz und Maus umkreisen sie einander, während die Polizei im
Dunkeln tappt. Wirklich alle Ermittler? Naja die junge österreichische
Kommissarin Agnes will sich beweisen und spürt, daß Mitzi nicht alle Eindrücke
preis gibt. Sie kommt aus einer Intellektuellenfamilie und will es nicht nur
ihrem Team beweisen, was alles in ihr steckt, sondern auch ihrer Familie. Heinz
Baldur kämpft mit seinem inneren Dämon namens Luis und seiner Überzeugung, daß
ein Auftragskiller am Werk ist, seit Jahren. Eine Überzeugung, die leider
niemand hören will. Killer Sam hingegen scheint ebenfalls aus der Bahn geworfen
zu sein. Noch nie ist ihm ein Fehler unterlaufen, noch nie hat er auch nur eine
einzige Spur hinterlassen. So ist das Schicksal dieser vier untrennbar
miteinander verwoben. Mal schlägt das Pendel mehr in die eine, mal in andere
Richtung aus. Nicht alle können gewinnen. Sollte der Fall gelöst werden, ist
Sam enttarnt. Sollte Sam entkommen, treibt es Heinz in noch tiefere Abgründe
und Agnes steckt fest. Mitzi hingegen kann nicht gewinnen. Sie steckt in einem
Dilemma. Was sie braucht ist Halt, doch der scheint nirgends in Sicht. Es ist
nicht klar wie es ausgehen wird. Es menschelt, selbst beim Täter, denn man
bekommt tiefe Einblicke in die Gedanken und seelischen Abgründe der
Beteiligten. Das Dilemma entspinnt sich mehr und mehr und keine Lösung ist in
Sicht. Dabei sind die Charaktere ein Genuss in all ihrer Verschrobenheit, denn
sie sind so nachvollziehbar, so krank und doch so tapfer. Sie versuchen es,
ihre Ziele zu erreichen, auch wenn es unmöglich scheint.
Isabella Archan ist selbst Österreicherin und gelernt Schauspielerin.
Mittlerweile lebt sie schon seit einigen Jahren in Köln, so wie ihre beliebte
ermittelnde Zahnärztin Dr. Leocardia Kardiff, die mit ihrer neugierigen Nase
immer wieder dem attraktiven Kriminalhauptkommissar Jakob Zimmer in die Quere
kommt. Ihre Livelesungen sind ein echtes Schmankerl, daß man sich nicht
entgehen lassen sollte!
Ein Krimi, der unter die Haut geht, dankt der tiefen Einblicke in die
verstörten Seelen der Beteiligten und weil man sich immer wieder selbst dabei
ertappt, daß man den Mörder selbst auch ein wenig faszinierend findet, obwohl
seinen Taten abstoßen. Kann man das voneinander trennen? Kann ein Mörder sympathisch
sein, oder ist er einfach nur ein Monster? Die innere Zerrissenheit vor
traumhafter Kulisse fasziniert, es ist einfach kein alltäglicher Krimi, sondern
schon in seiner Erzählweise eine Überraschung für sich.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Emons Verlag für dieses
außergewöhnliche Rezensionsexemplar.
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