Donnerstag, 14. März 2019

Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte, von Kirsten Boie, gelesen von Karl Menrad, ill. Barbara Scholz, Jumbo Verlag



Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte, von Kirsten Boie, gelesen von Karl Menrad, ill. Barbara Scholz, Jumbo Verlag

Während eines Gewitters schlägt der Blitz in einen Baum ein und schon steht ein kleines Wäldchen in Flammen. Die Tiere fliehen und bringen sich in Sicherheit. Dabei verliert der kleine Fuchs jedoch seine Familie. Unglücklich hockt er unter einer Hecke am Feldrand neben dem abgebrannten Wald und schluchzt. Die umstehenden Tiere sind verwirrt. Was kann das kleine graue puschelige Wesen wohl sein? So genau weiß das erst mal keiner, bis Papa Dachs einschreitet, der sich mit Füchsen schon den Bau geteilt hat. Nun haben die anderen Tiere Angst vor ihm, denn sie sind ja die Beute von Füchsen, auch wenn dieser noch ganz klein und grau ist. Letztendlich erbarmt sich Mama Reh vorerst und nimmt ihn und ihre 3 Jungtiere Langbein, Vielpunkt und Glanzfell mit aufs Feld, um sich eine neue Schlafstätte zu suchen. Das ist sehr ungewohnt für das kleine Tier, daß sonst immer im Dunkeln schläft. Aber er ist froh nicht mehr allein zu sein und strengt sich mächtig an, um alles so zu machen wie sie. Doch ein Fuchs ist ein Fuchs und kein Reh, daher klappt es nicht so ganz. Der liebenswerte Vielpunkt bewundert seine Anstrengungen und schon bald sind sie beste Freunde. Aber das Misstrauen der anderen gegenüber dem Findelkind bleibt, so wie auch dessen Sehnsucht nach seiner Familie.

Kirsten Boie ist wieder eine Geschichte für die Ewigkeit gelungen. Sprachlich wunderschön und voller Wahrheit, ist es gespickt mit zitierenswerten Aussprüchen wie: „Es gibt immer verschiedene Wege, um ans Ziel zu kommen.... Man muss nur herausfinden, welcher Weg für einen selbst der richtige ist“. So ausgedrückt verstehen es auch schon Kinder. Die Brillianz von Sprache zeigt sich oft erst beim Vorlesen und da bewährt sich dieses Buch eindeutig. Für Kinder unbekannte Begriffe oder Zusammenhänge werden, von älteren oder erfahreneren Tieren den Jungtieren erklärt und so erweitert sich der Wortschatz der Zuhörer und ihr Wissen über das Leben in Wald und Feld. Wir wussten z.B. alle nicht, daß Jungfüchse noch nicht rot, sondern grau gefärbt sind.
Die Geschichte kombiniert die kindliche Urangst vor dem Verlust der Familie mit ihrer größten Sehnsucht, der nach echten Freunden und Abenteuern. Das wird wunderbar thematisiert, ganz nach dem Motto des Uhus, der Kirsten Boie diese Geschichte erzählt hat: So muss eine gute Geschichte mindestens 1.000 Wörter haben, spannend sein, lustig und an einigen wenigen Stellen ein kleines bisschen traurig, wobei am Ende alle wieder fröhlich sein müssen.
Das ist hier ausgezeichnet gelungen. Gerade wenn der kleine Fuchs mal wieder merkt, daß er ein Fuchs ist und niemals wie seine Rehfamilie sein wird, ist es ein wenig traurig. Aber dann erinnert die Erzählerin daran, was eine gute Geschichte ausmacht und stellt das Happy End in Aussicht, ebenso wie einen tröstenden Freund, der schon hinter dem nächsten Gebüsch auf ihn wartet.
Es geht um Andersartigkeit, Neugierde den Andersartigen gegenüber, Zusammengehörigkeit, Mut und Übermut, Vorsicht und das Annehmen von Ratschlägen und darum niemals aufzugeben.
Aus ihrem Wald vertrieben, wagen sich die Tiere in den Garten eines einsamen Hauses. Dort finden die Rehe in den Rosen echte Delikatessen, für den kleinen Fuchs ist es ein echtes Abenteuer, erfährt er doch dort einiges über die Menschen. Die Sichtweise der Tiere auf die Menschen ist einfach lustig, zeigt aber auch kritische Einblicke in unser Verhalten und es macht den Zuhörern einfach Spaß aus den Umschreibungen der Tiere, das jeweilige Verhalten oder Objekt aus der Menschenwelt zu erraten. Dieser immerwährende Perspektivwechsel der Einblicke in die verschiedenen Tiereigenheiten und die Distanz zur Menschenwelt zeigt, zeugt von großer Empathie.

Barbara Scholz schafft es mit ihren freundlichen, farbigen Illustrationen die Stimmung einzufangen und die Handlung noch zu unterstreichen. Schon als meine Jüngste die Abbildung mit der Hörbuchankündigung sah, war ihr klar, dass sie diese Geschichte hören wollte, so sehr sprach sie das Cover an. Auch die drei Tonträger zieren drei unterschiedliche Illustrationen aus dem Buch.

Auf 3 CDs knurrt und zwitschert Karl Menrad die Geschichte des kleinen Fuchses. Dabei scheinen ihm die verschiedenen Tierstimmen wie selbstverständlich über die Lippen zu kommen. Ganz lebendig schlüpft er in die verschieden Rollen und bleibt dabei doch stets gut verständlich. Seine Stimme ist warm und angenehm und selbst weibliche Stimmen klingen bei ihm nie übertrieben oder verstellt. Besonders die kleine Amsel mit ihrem Sprachfehler hat es uns angetan. Durch den Konsonantentausch muss man richtig mitdenken, was sie denn zu erzählen hat, es ist einfach witzig und toll umgesetzt.
Jede einzelne CD ist länger als eine Stunde. Die Kinder sollten also schon an längere Geschichten gewöhnt sein. Auch wenn die Geschichte sehr kurzweilig ist, benötigen die Kinder eine gewissen Ruhe, um der Geschichte lange genug folgen zu können. Die Altersangabe ab 6 Jahren empfinden wir daher und wegen der Komplexität der Darstellung der Themen als absolut angemessen, auch wenn das Cover sicher auch schon jüngere Kinder anspricht.

Autorin Kirsten Boie ist selbst Mutter, erfahrene Lehrerin und promovierte Literaturwissenschaftlerin. Daher schafft sie es auch hier gekonnt, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich auf den kindlichen Wahrnehmungs- und Verständnishorizont einzugehen. Emotional spricht sie an, ohne den Kindern zu viel zuzumuten und auch sprachlich erklärt sie, ohne belehrend zu wirken oder den Zuhörern den Eindruck zu vermitteln, sie wären noch zu klein um etwas zu wissen. Egal für welche Altersgruppe sie schreibt, ist ihre Sprache dieser angemessen und ihr Schreibstil einfach wunderschön. Es liest sich fast von allein und so klingt Karl Menrad auch. Die Tierstimmen kommen klingen natürlich und lebendig, als könnte es gar nicht anders sein.

Eine echte Kinderhörbuchperle, die es wert ist, mehr als einmal gehört zu werden. Absolut empfehlenswert!

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Jumbo Verlag für diese Hörbuchperle.

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