Mattis und das klebende Klassenzimmer, Silke Schlichtmann, Maja Bohn,
Hanser
Mattis ist 8 Jahre alt und geht in die 2. Klasse. Eigentlich ist er mit
sich und der Welt im Reinen. Doch da belauscht er seine Eltern, wie seine
Mutter zu seinem Vater sagt, daß er sicher mal ein Schwerverbrecher würde, bei
all den Briefen über ihn, die sie bekämen. Seine Vater lacht aber nur und
meint, daß niemand, der sich stets an die Regeln halten würde, die Welt
verändern würde. Mattis fragt seinen großen Bruder, was denn eigentlich ein
Schwerverbrecher sei. Die Antwort stimmt ihn nachdenklich. Ist er wirklich so
schlimm? Sollte er all die Briefe, die ihm seine Mutter immer mit dem
Versprechen, so etwas nie wieder zu machen, ernster nehmen? Heimlich liest er
den letzten Brief seines Lehrers und ist empört! So war das doch alles gar
nicht! Das schreit nach einer Gegendarstellung und Mattis setzt sich hin und
schreibt auf, wie es denn wirklich war und warum er getan hat, was er tat.
Danach hat ihn nämlich bislang noch gar keiner gefragt!
Dieses Buch richtet sich an geübte Leseanfänger. Es ist in Fibelschrift,
aber die Schrifttypen sind größer, aber nicht groß und pro Seite ist schon eine
beachtliche Textmenge und nicht jede Seite ist illustriert. Es ist also ein
kleiner Roman (auf 61 Seiten) für Leseanfänger und daher auch aus der Sicht
eines solchen erzählt. Das finde ich prima, denn so ist sichergestellt, daß die
Wortwahl das Lesevermögen und -verständnis der Zielgruppe nicht übersteigt. Bei
schwierigen Wörtern fragt Mattis nach und lässt sie sich von seinem Bruder
erklären. So fühlen sich die Leseanfänger ernst genommen und sind nicht auf
Hilfe der Eltern angewiesen. Ganz prima, da es das Erfolgserlebnis der Kinder
stärkt!
In Mattis Klasse ist es leider nicht so ruhig, wie der fantasielose Lehrer
Herr Storm es gerne hätte. Kathi hat ein ausgeprägtes Bewegungsbedürfnis, daher
kann sie nicht still sitzen, sondern steht im Unterricht gerne mal auf und
läuft auf den Händen oder macht Handstandüberschlag, Marvin ruft immer rein und
Mattis bester Freund... na ja, wer ist schon ohne Fehler. Dennoch bekommen die
Kinder immer wieder Ärger von ihrem Lehrer. Das tut Mattis furchtbar leid und
er überlegt, wie er Kathi helfen kann. Als kreativer Kopf fällt ihm etwas ein
und so bitten ihn seine Schulfreunde ihn, ihnen wie geplant zu helfen. Diese
Lösung gefällt dem Lehrer natürlich auch wieder nicht, und so bekommt Mattis
ganz fürchterlichen Ärger. Leider hat ihn und die Kinder, die Mattis gar nicht
böse sind, keiner gefragt, wie es zu diesem Chaos kam. Es geht ihm ähnlich wie
Michel aus Lönneberga. Er hatte keinen Unsinn geplant, Unsinn wird es von
alleine. Denn wie Michel hat Mattis das Herz am rechten Fleck und ist kein
übler Bursche. Daher bin ich wie Mattis Vater auch ganz zuversichtlich, daß
Mattis genau wie Michel seinen Weg gehen wird. Denn er hat Recht, wer die Welt
verändern will, muss auch mal was riskieren, aber eben aus den richtigen
Motiven.
Mattis hatte keine Streich geplant, sondern helfen wollen. Dennoch, nicht
alles was gut gemeint ist, wird auch immer von Erwachsenen als gut gewürdigt.
Manchmal geht es dennoch schief und ich bin zuversichtlich, daß die Kinder nun
nach anderen Lösungen suchen. Ein Nachahmungseffekt ist meines Erachtens nicht
zu befürchten, nicht nur, weil Mattis solchen Ärger bekommt, sondern auch weil
die Zielgruppe ja durchaus schon zur Reflexion in der Lage ist. Mattis und Co.
zeigen deutlich, daß es wenig bringt am Symptom herum zu doktern, man muss an
die Ursachen.
Die Geschichte ist wirklich richtig witzig, wobei ich mit den Kindern echt
mitfühle, die einen Lehrer haben, der anscheinend kein Herz für Kinder hat.
Mattis ist so kreativ, daß er mehr als einmal Grund zum Lachen schenkt. Bei so
viel Spaß fliegen die 61 Seiten nur so dahin, da lohnt sich die Anstrengung!
Sehr schön ist das Ende, als Mattis mit seiner Gegendarstellung fertig ist
und nun die nächsten völlig ungerechtfertigten Vorwürfe in Angriff nimmt. Wir
sind sehr gespannt, was er denn noch so alles angestellt hat!
Die farbigen Illustrationen von Maja Bohn haben meine Nachbarn Jonathan (8)
und Debbie (6) sofort gepackt. Jonathan hat sofort angefangen zu lesen (das
kann er allerdings sensationell gut) und hat sofort mit seiner Schwester
gestritten, die mitgucken wollte... besonders gut gefiel Jonathan das Bild vom
Superman-Mattis und dem Lehrer, der sich so aufregt, daß er sich in einen Krebs
verwandelt. Jonathan fand die Geschichte super, gerade auch mit den
Lügenbriefen und daß alles klebt. Als die Geschichte seiner Schwester
vorgelesen wurde, kam er auch sofort angelaufen und hörte mit zu und war ganz
aufgeregt, wenn eine seiner Lieblingsstellen kam. Auch Schwester Debbie und
ihre Mutter waren ganz begeistert und sind schon gespannt auf seine nächste
Gegendarstellung. Eine Nachahmungsgefahr sehen auch Jonathan und seine Mutter
nicht.
Ein sehr schöner Erstleseroman, Roman deshalb, weil es eine richtige
vollwertige Geschichte ist, mit leichtverständlichen Sätzen, aber echter
Substanz. Absolut empfehlenswert von Silke Schlichtmann, die für „Bluma und das
Gummischlangengeheimnis“ 2018 für den Jugendliteraturpreis nominiert war und
deren Pernilla Romane ich noch lieber mag.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen