Nacht über Tanger, Christine Mangan, gelesen von Bibana Beglau und
Frederike Kempter, Random House Audio.
Dieser Roman spielt in den 50er Jahren. Er beginnt mit der Collegezeit von
Alice Shipley und Lucy Mason, die das Schicksal als Zimmergenossinnen zusammen
bringt. Alice ist seit ihrer Kindheit Vollwaise und bei ihrer begüterten Tante
in England aufgewachsen. Sie selbst hat einen Fonds geerbt, auf den sie erst
mit ihrem 21. Geburtstag zugreifen kann, bis dahin steht sie unter der
Vormundschaft ihrer Tante. Lucy hingegen kommt aus der Nähe des
Mädchen-College, sie hat ein Stipendium für Literatur und kommt aus einfachen
Verhältnissen, auch ihrer Familie wäre gestorben sagt sie. Die Mädchen sind so
unterschiedlich wie nur möglich, allerdings jede auf ihre Art sehr attraktiv.
Sie werden beste Freundinnen, bis zu dem Tag, an dem Alice durch Zufall Tom,
einen Sohn aus besten Kreisen, kennen und lieben lernt. Es kommt zu einem
Bruch, der durch einen tödlichen Unfall noch verstärkt wird. Lucy verschwindet
und taucht erst 1956 nach Alice Hochzeit in Tanger auf und verhält sich als
wäre nichts geschehen. Die unsichere Alice, weiß nicht, wie sie mit der
dominanten Lucy umgehen soll und wird immer mehr in einen sich scheinbar
verselbstständigenden Strudel hineingezogen, der auf eine Katastrophe
zusteuert, während Marokko die Unabhängigkeit ansteuert.
Der Klappentext hat mich auf Anhieb angesprochen, ich vermeinte die Hitze
Marokkos, die würzige Luft, zu spüren und zu schmecken, während ich in einen
Strudel der Ereignisse hereingezogen würde. Leider war das ein Irrtum, ich
lauschte nicht gebannt, dabei bin ich durchaus nicht auf meine Erwartungen
fixiert. Wird mir Hochspannung versprochen und es wird gut gemachte Cosy Crime
präsentiert, bin ich noch durchaus zufrieden. Aber hier wurde ich mit den
Charakteren nicht warm. Sie konnten weder meine Sympathie, noch meine Abneigung
gewinnen. Sie waren mir beide zu apathisch/passiv bzw. zu extrem
dominant/besessen. Mit diesen Persönlichkeitsstrukturen kann man auch nicht
glücklich werden. Daher war für mich vieles vorhersehbar und die Entwicklung
der politischen Lage in Tanger, von der ich ein Brodeln und eine zusätzliche
Spannung erwartet habe, blieb für mich zu schematisch, faktisch präsentiert.
Obwohl ich die Stimmen der Sprecherinnen Bibiana Beglau und Friederike Kempter
mag und ich sie auch nicht als Fehlbesetzung wahrnahm, ließ mich ihr Schicksal
kalt. Hätte ich das Hörbuch verloren und ich nicht weiter hören können, hätte
es mich nicht weiter gestört. Das lag zum einen wohl daran, daß die
Protagonistinnen für meinen Geschmack zu eindimensional waren. Alice ist ein
Schaf und Lucy eine durchtriebene Manipulateurin und zum anderen die
Sprecherinnen, trotz ihrer angenehmen Stimmen mich nicht emotional nicht packen
konnten. Sie leierten ihre Texte nicht, sie betonten auch durchaus korrekt,
waren klar verständlich und setzen die Pausen gekonnt, aber die Interpretation
ließ die großen Emotionen vermissen, die durchaus hinter ihren Taten lauern
müssen. Die Interpretation eines hypnotischen Dramas hätte mich mir nicht so
nonchalant vorgestellt. Dass ich
enttäuscht bin von diesem Hörbuch liegt somit sowohl am Text als auch an der
Interpretation. Alice Ehemann John hätte als Gegenpart zu Lucy Feuer in die
Geschichte bringen können, aber dafür war er sich seiner selbst und der
Passivität seiner Frau zu sicher, als daß er für echte Highlights sorgte.
Selbst die wohl überraschend gedachten Wendungen konnten mich nicht
überraschend und ich glaube auch nicht, daß dies nur meinem routinierten
Krimileser-Ohr oder meiner juristisch geschulten Denkweise zuzuschreiben ist.
Auf CD 7 fing es an mich zu interessieren, als Alice versuchte die Schachzüge
von Lucy vorherzusehen und dagegen zu halten, aber sie ist halt zu viel Schaf,
um nicht die Zweideutigkeit einiger Verhaltensweise mit einzuberechnen. So
ebbte die aufkeimende Spannung recht schnell ab, da klar wurde, daß sie kein
gleichwertiger Gegner für Lucy ist. Das Ende kam auch nicht mit dem erwarteten
Knalleffekt und hätte meines Erachtens knapper auf den Punkt gebracht werden
können. Insgesamt, hätte für mich die Geschichte gestrafft werden dürfen.
George Clooney scheint meine Meinung übrigens nicht zu teilen, denn er
sicherte sich an diesem Erstlingswerk von Christine Mangan, daß sich in 20
Länder verkaufte, bereits die Filmrechte. Mit den richtigen Schauspielern und
Kameraperspektive ließe sich auch sicher etwas machen. So wie mich Camus „Der
Fremde“ dank des schneidigen, ausdrucksstarken Schauspielers, als Film deutlich
mehr überzeugte, als das Buch mit seiner nervenaufreibenden Gleichgültigkeit.
Nicht schlecht, aber leider nur unteres Mittelmaß, somit 2,5 Sterne
gerundet auf 3.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio für dieses ersehnte
Rezensionsexemplar.
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