Freitag, 21. Dezember 2018

Lotti & Otto, Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram, Collien Ulmen-Fernandes, Illustr. Carola Siverding, Edel Kids



Lotti & Otto, Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram, Collien Ulmen-Fernandes, Illustr. Carola Siverding, Edel Kids

Lotti ist ein kleines Otter-Mädchen, das immer eine lustige rote Bommelmütze trägt und das Abenteuer sucht! Am liebsten in Form von Monstern, denen sie gerne Fallen stellt, um sie zu fangen. Bisher hatte sie da aber wenig Glück, anders als beim Angeln, wobei sie großes Geschick beweist. Otto ist ein kleiner Otterjunge mit blauer Bommelmütze, der gerne mit backt und aus alten Gardinen ein Zelt näht, da er ins Ferienlager soll, wo er doch ein wenig Schutz vor Monstern möchte, die er absolut fürchtet. Deswegen möchte er auch gar nicht dorthin! Aber er muss und trifft dort auf Lotti, die nicht nur genauso aussieht wie er, sondern auch all die Dinge liebt, die er fürchtet, dafür aber Backen und Nähen nichts abgewinnen darf. Leider werden die Tierkinder nach Geschlechtern getrennt in Gruppen eingeteilt und nicht nach Interessen. Wie soll Lotti nun um das Backen herumkommen, für das sie nun so gar kein Talent hat und sich Otto vor dem Angeln drücken?

Ein Bilderbuch über Geschlechterrollen, das fand ich cool, denn um die Gesellschaft zu ändern, muss man mit den Gedanken in den Köpfen beginnen. Also war ich sehr neugierig, fand allerdings die gewählten Beispiele jetzt nicht krass genug. Ich kenne genügend Jungs die Backen, im Nähkurs meiner Töchter war auch ein Junge, aber Jungs die Angeln kenne ich nicht so viele (das ist ja auch langweilig, mit dem vielen rumsitzen), dafür sind aber auch im Grundschulalter Teddybären noch eine Selbstverständlichkeit. In sämtlichen Ferienfreizeiten meiner Töchter waren die Gruppen durchmischt und es gab Angebote, die jeder wahrnehmen konnte, auch wenn einige Angebote mehr Jungs anlockten als Mädchen. So der ganz krasse Mädchenkitsch wie Barbies, Prinzessinnenkostüme, Glitzerkram und Schminke fehlten hier in der Tierwelt ebenso wie Roboter, Waffen, Mondraketen, Technik, Schnitzmesser..... Daher brauchte ich dringend eine Kindermeinung für dieses Buch mit der Altersempfehlung 4 – 6 Jahre.

Die fast 4 jährige Emilia fand offensichtlich den Textanteil zu hoch, nach 1,5 Seiten im öden Schwimmbadcafé schaltete sie ab. Der nächste Versuch scheiterte ebenso schnell. Nein, ich habe ein Kind aus einer lesebegeisterten Akademikerfamilie gewählt, daß durchaus eine positive Einstellung zu Büchern hat, aber auch die wirklich zauberhaften Illustrationen von Carola Sieverding konnten ihre Aufmerksamkeit nicht lange fesseln. Das Text-Bild-Verhältnis ist wohl für 4 Jährige noch zu textlastig, daher würde ich es für die Altersgruppe 5 – 7 Jahre empfehlen.

Da in der turbolenten Vorweihnachtszeit mir einfach kein Kinder der entsprechenden Altersgruppe mehr begegnete und meine Jüngste (9) immer wieder nach dem Buch schielte, wurde sie meine nächste Zuhörerin. Ihre Konzentrationsspanne war kein Problem. Ihr Urteil: nein, das darfst Du nicht verschenken, das will ich behalten! - Warum? - Weil es cool ist, es erklärt ganz klar, dass nicht alle gleich sind und jeder mögen darf was er will. Als ich sie fragte, ob das mit den typischen Rollenbildern in der Geschlechterverteilung gut rübergekommen wäre, schaute sie mich nur fragend an.

Die Sprache ist gut verständlich, wenn auch die Sätze für 4 Jährige noch zu lang und der Textanteil zu hoch. Die Begriffe sind bekannt, die Gedanken für die meisten Kinder aber so nicht relevant, weil in der Praxis die Gesellschaft doch sehr viel offener ist, als man es meinen mag. Die Akzeptanz von Querdenkern fand meine Tochter aber sehr deutlich und hilfreich.

Collien Ulmen-Fernandes ist Mutter einer kleinen Tochter (jetzt 5) und gibt Erziehungsratschläge gemeinsam mit Jesper Jul und Kirsten Fuchs im Familientrio der Süddeutschen Zeitung. Meistens tendiere ich zu den Ansichten von Kirsten Fuchs und am Wenigsten zu Jesper Jul, die mir zu realitätsfern sind. Daher war ich auf diese Bilderbuchumsetzung sehr gespannt. Man muss natürlich überlegen, daß die Umsetzung durch die Wahl der Tiere als Erklärmedium beschränkt ist. Backende oder angelnde Otter kann man sich wohl besser vorstellen als Barbie spielende und PC-zockende Otter.

Optisch hat Carola Sieverding die Geschichte wunderbar umgesetzt, mit herrlich leuchtenden und fröhlichen Farben. Mit ganz vielen liebevollen Details gibt es jede Menge zu entdecken und so werden Kinder das Buch auch immer wieder gerne zur Hand nehmen, es durchblättern und die Geschichte durch den Kopf gehen lassen. Die Gestaltung finde ich ausgesprochen gelungen.

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