Lotti & Otto, Eine Geschichte über Jungssachen und Mädchenkram, Collien
Ulmen-Fernandes, Illustr. Carola Siverding, Edel Kids
Lotti ist ein kleines Otter-Mädchen, das immer eine lustige rote
Bommelmütze trägt und das Abenteuer sucht! Am liebsten in Form von Monstern,
denen sie gerne Fallen stellt, um sie zu fangen. Bisher hatte sie da aber wenig
Glück, anders als beim Angeln, wobei sie großes Geschick beweist. Otto ist ein
kleiner Otterjunge mit blauer Bommelmütze, der gerne mit backt und aus alten
Gardinen ein Zelt näht, da er ins Ferienlager soll, wo er doch ein wenig Schutz
vor Monstern möchte, die er absolut fürchtet. Deswegen möchte er auch gar nicht
dorthin! Aber er muss und trifft dort auf Lotti, die nicht nur genauso aussieht
wie er, sondern auch all die Dinge liebt, die er fürchtet, dafür aber Backen
und Nähen nichts abgewinnen darf. Leider werden die Tierkinder nach
Geschlechtern getrennt in Gruppen eingeteilt und nicht nach Interessen. Wie
soll Lotti nun um das Backen herumkommen, für das sie nun so gar kein Talent
hat und sich Otto vor dem Angeln drücken?
Ein Bilderbuch über Geschlechterrollen, das fand ich cool, denn um die
Gesellschaft zu ändern, muss man mit den Gedanken in den Köpfen beginnen. Also
war ich sehr neugierig, fand allerdings die gewählten Beispiele jetzt nicht
krass genug. Ich kenne genügend Jungs die Backen, im Nähkurs meiner Töchter war
auch ein Junge, aber Jungs die Angeln kenne ich nicht so viele (das ist ja auch
langweilig, mit dem vielen rumsitzen), dafür sind aber auch im Grundschulalter
Teddybären noch eine Selbstverständlichkeit. In sämtlichen Ferienfreizeiten
meiner Töchter waren die Gruppen durchmischt und es gab Angebote, die jeder
wahrnehmen konnte, auch wenn einige Angebote mehr Jungs anlockten als Mädchen.
So der ganz krasse Mädchenkitsch wie Barbies, Prinzessinnenkostüme, Glitzerkram
und Schminke fehlten hier in der Tierwelt ebenso wie Roboter, Waffen,
Mondraketen, Technik, Schnitzmesser..... Daher brauchte ich dringend eine
Kindermeinung für dieses Buch mit der Altersempfehlung 4 – 6 Jahre.
Die fast 4 jährige Emilia fand offensichtlich den Textanteil zu hoch, nach
1,5 Seiten im öden Schwimmbadcafé schaltete sie ab. Der nächste Versuch
scheiterte ebenso schnell. Nein, ich habe ein Kind aus einer lesebegeisterten
Akademikerfamilie gewählt, daß durchaus eine positive Einstellung zu Büchern
hat, aber auch die wirklich zauberhaften Illustrationen von Carola Sieverding
konnten ihre Aufmerksamkeit nicht lange fesseln. Das Text-Bild-Verhältnis ist
wohl für 4 Jährige noch zu textlastig, daher würde ich es für die Altersgruppe
5 – 7 Jahre empfehlen.
Da in der turbolenten Vorweihnachtszeit mir einfach kein Kinder der
entsprechenden Altersgruppe mehr begegnete und meine Jüngste (9) immer wieder
nach dem Buch schielte, wurde sie meine nächste Zuhörerin. Ihre
Konzentrationsspanne war kein Problem. Ihr Urteil: nein, das darfst Du nicht
verschenken, das will ich behalten! - Warum? - Weil es cool ist, es erklärt
ganz klar, dass nicht alle gleich sind und jeder mögen darf was er will. Als
ich sie fragte, ob das mit den typischen Rollenbildern in der
Geschlechterverteilung gut rübergekommen wäre, schaute sie mich nur fragend an.
Die Sprache ist gut verständlich, wenn auch die Sätze für 4 Jährige noch zu
lang und der Textanteil zu hoch. Die Begriffe sind bekannt, die Gedanken für
die meisten Kinder aber so nicht relevant, weil in der Praxis die Gesellschaft
doch sehr viel offener ist, als man es meinen mag. Die Akzeptanz von
Querdenkern fand meine Tochter aber sehr deutlich und hilfreich.
Collien Ulmen-Fernandes ist Mutter einer kleinen Tochter (jetzt 5) und gibt
Erziehungsratschläge gemeinsam mit Jesper Jul und Kirsten Fuchs im Familientrio
der Süddeutschen Zeitung. Meistens tendiere ich zu den Ansichten von Kirsten
Fuchs und am Wenigsten zu Jesper Jul, die mir zu realitätsfern sind. Daher war
ich auf diese Bilderbuchumsetzung sehr gespannt. Man muss natürlich überlegen,
daß die Umsetzung durch die Wahl der Tiere als Erklärmedium beschränkt ist.
Backende oder angelnde Otter kann man sich wohl besser vorstellen als Barbie
spielende und PC-zockende Otter.
Optisch hat Carola Sieverding die Geschichte wunderbar umgesetzt, mit
herrlich leuchtenden und fröhlichen Farben. Mit ganz vielen liebevollen Details
gibt es jede Menge zu entdecken und so werden Kinder das Buch auch immer wieder
gerne zur Hand nehmen, es durchblättern und die Geschichte durch den Kopf gehen
lassen. Die Gestaltung finde ich ausgesprochen gelungen.
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