Feuerwerk mit Todesfolge (Ein Fall für Wells & Wong 4), Robin Stevens,
Knesebeck Verlag
Für die Jungdetektivinnen Daisy Wells und Hazel Wong beginnt nach den
abenteuerlichen Ferien im Orient-Express ein neues Schuljahr im exklusiven
Deepdean Internat für höhere Töchter. Doch dieses Jahr ist alles irgendwie
anders. Die neue Schulsprecherin Elisabeth mit ihren 5 Aufsichtsschülerinnen
verbreitet unter den Mädchen Angst und Schrecken. Alle werden irgendwie
gemeiner und fieser, es wird nicht mehr gelacht, es wird sich gefürchtet. Auch
Hazel, die Tochter eines reichen Bankiers aus Hong Kong hat sich verändert. Sie
ist selbstbewußter und eigenständiger geworden und führt heimlich einen regen
Briefwechsel mit Alexander, mit dem sie sich bei ihrem letzten Abenteuer
angefreundet hat. Dies missfällt der jungen selbstbewußten Daisy aus bester
englischer Adelsfamilie umso mehr, als Hazel auch Details aus ihrem neuesten
Fall stets unverzüglich berichtet, heimlich natürlich. Denn während des Guy
Fawkes Feuers stirbt die verhasste Schulsprecherin Elisabeth. Während die neue
Schulleiterin dies als Unfall abzutun versucht, sind Daisy und Hazel fest davon
überzeugt, daß es Mord war. Erstmals werden ihre Schlafsaalgefährtinnen in die
Ermittlungen einbezogen, denn es gilt die fünf Aufsichtsschülerinnen zu
beschatten. Doch der Zwist zwischen Daisy und Hazel lastet schwer auf den
Ermittlungen.
Dieser Band steht unter dem Zeichen mieser Stimmung. Elisabeth hat es
binnen kürzester Zeit geschafft, die Stimmung an der Schule zu vergiften und
ein Terror-Regime aufzubauen, von dem die Lehrerinnen, genannt Fräuleins,
nichts mitbekommen. Der lange unausgesprochene Zwist zwischen Daisy und Hazel
schwelt vor sich hin und belastet die Atmosphäre des Schlafsaals. Mir gefällt
sehr gut, daß Hazel sich endlich wagt sich von Daisy zu emanzipieren und eigene
Wege geht. Sie hat ihre Meinung, hält sie für richtig und ist nicht bereit,
diese zu korrigieren, nur weil die zauberhafte Daisy Wells dies so wünscht.
Hazel ist in den letzten Fällen gereift, während Daisy noch immer Daisy ist,
mit allen Stärken und Schwächen. Denn in ihrer Detektei sind die Rollen klar
verteilt: Daisy ist der Kopf und Hazel ist Protokollantin, daher nennt Daisy
sie auch gerne Watson. Doch während Daisy eine brilliante Beobachterin und
scharfsinnige Kombiniererin ist, hat Hazel eine untrügliche Intuition, der sie
immer mehr lernt zu vertrauen, auch wenn sie nicht zu erklären mag warum. Dabei
ist auch Hazel alles andere als dumm. Doch wer vermag schon neben der
strahlenden Daisy zu bestehen? Genau das gefällt mir so an diesem Band. Daisys
unbestrittene Unfehlbarkeit wird angekratzt. Sie wird zwangsläufig gezwungen
ihr eigenes Urteil zu überdenken. Das ist absolut untypisch für sie. Dabei
sollten ja all ihre mentalen Kräfte auf den neuen Fall gerichtet sein, denn
dieser hat es durchaus in sich. Der Mord ereignete sich mal wieder in einer
geschlossenen Gesellschaft, quasi vor aller Augen. Nur die
Aufsichtsschülerinnen waren nicht in aller Blick und kommen daher als Täter in
Frage. Auch wenn sie einander nicht zu mögen zu scheinen, schweißt sie etwas,
daß größer und stärker ist als sie zusammen. Was kann das nur sein?
Sehr klassisch britisch, wunderbar nostalgisch, hilft Daisy und Hazel die
moderne Forensik nicht weiter im Jahre 1935. Es helfen ihnen nur ihr Hirn und
ihre fünf Sinne. Nebenbei lernen auch Nicht-Engländer die Tradition der Guy
Fawkes Night kennen, die jährlich am 5. November im Gedenken an den vereitelten
Sprengstoffanschlag auf König Jacob und das Parlament im Jahre 1605. So bekommt
man neben Ermittlungen Einblick in das soziale Gefüge zu Zeiten von Georg V.
Während Wells & Wong ermitteln, bereitet sich Nazi-Deutschland auf die
bevorstehenden olympischen Spiele in Berlin vor und die Lage der Juden wird
immer ernster. Auch dies spielt hier am Rande eine Rolle, eingebettet in die
Handlung, ohne erhobenen Zeigefinger. Während das Settin historisch ist, ebenso
wie die Ermittlungsmethoden, ist es der Stil nicht. Dieser ist frisch und jung
und ich habe diesmal wieder mit Hazel mitgelitten, die den Fall ja
dokumentiert, weshalb auch dieser Fall wieder aus ihrer Perspektive in der
Ich-Form erzählt wird. Diesmal war ich bei den Ermittlungen auf dem völligen
Holzweg und wurde von der Auflösung überrascht. Dabei ist es ja das Schöne bei
den klassischen Whodunnits, daß man immer eine Chance hat mitzurätseln und den
Fall vor den Detektiven zu lösen, da man als Leser seine eigenen Beobachtungen
macht und Schlüsse zieht.
Auch dieses Mal ist dem Fall ein Plan der Schule und ihres Geländes, sowie
ein Personenverzeichnis vorangestellt, damit man bei den Ermittlungen den
Überblick erhält. Sehr nostalgisch anmutend und sehr schön dargestellt
übrigens. Im Anschluß befindet sich wieder ein Glossar, in welchem Daisy
Deepdean-typische bzw. sehr englische Begriffe erläutert, was gerade für die
Junge Leserschaft sehr hilfreich ist.
Robin Stevens ist wieder ein wunderbarer historischer Jugendkrimi mit viel
Atmosphäre gelungen und so freue ich mich schon auf die weihnachtliche
Fortsetzung: Mord unterm Mistelzweig.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck-Verlag, der mich so
unmittelbar an den Abenteuern der Detektei Wells & Wong teilhaben lässt.
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