Elitewahn, Biggi Rist/Liliane Skalecki, Gmeiner Verlag
Dies ist der 2. Fall für die selbstständige Gärtnerin Malie Abendroth und
ihre Freundin, die Archivarin und Umweltaktivistin Lioba Hanfstängl.
Malie ist glücklich über ihren neuen Auftrag, den Park der Schlossanlage
des Eliteinternats Schloss Waldesruh am Bodensee umzugestalten. Die Schüler
sind wohlerzogen und gehen ihr mit ihrem jungen Sport- und Biologielehrer Malte
Jansen kräftig zur Hand. Doch Malte Jansen fühlt sich im Internat immer unwohler
und äußert Malie gegenüber, daß er den Eindruck habe, daß an der Schule mit
militärischen Drill und rechtem Gedankengut gearbeitet würde. Eigentlich könne
er es nicht mit seiner Einstellung vereinbaren dort zu arbeiten und überlegt,
seine Beobachtungen zu melden. Doch dazu kommt er nicht mehr, er wird tot in
seinem Internatszimmer aufgefunden.
Lioba erhält als Archivarin im Umweltamt eine schriftliche Anfrag eines
emeritierten Professors, der sich für die Güter jüdischer Familien rund um
Konstanz interessiert. Er möchte daher Einblick in die Bauunterlagen von
Schloss Waldesruh nehmen, um mehr über den Bauherren zu erfahren.
Lioba kniet sich für den reizenden älteren Herren gerne in ihre Aktenberge
und fördert erstaunliches zu Tage. Als sie sich mit ihm treffen will, um die
neuesten Erkenntnisse auszutauschen, findet sie den Professor tot in seinem
Wohnzimmer. Wem gehörte nur die 2. benutzte Kaffeetasse auf dem Tisch?
Malie ist Halbasiatin, liebt die fettarme asiatische Küche, asiatische
Kampfsportarten und überhaupt Sport im Allgemeinen. Dazu veranstaltet sie in
ihrer alten Villa gerne entgeltliche exklusive Dinners, für die Lioba schon mal
gerne Probeessen darf. Da Lioba seit dem Mordanschlag auf sie in Band 1
deutlich an Gewicht zugelegt hat, will Malie sie mit gemeinsamem Sport und
bewußter Ernährung zur Gewichtsreduktion animieren. Aus diesem Grunde wird in
diesem Buch viel Sport getrieben und gekocht. Lioba bewundert Malie dafür, daß
sie essen kann was sie will und nicht zunimmt. Aber ehrlich, wer so viel Boden
umgräbt, Sport treibt und sich wie beschrieben ernährt, kann gar nicht
zunehmen, schon gar nicht in dem Alter. Ich finde die Protagonistinnen schon
sympathisch, aber da ist mir Malie dann doch etwas zu belehrend. Für mich ist
es unerklärlich, wie sie sich als Gärtnerin solch eine freistehende Villa am
Bodensee leisten kann und wie sie als Halbasiatin und Gärtnerin an einen
derartigen Auftrag kommt. Ich hätte angenommen, daß eine Einrichtung mit solch
rechter, elitärer Gesinnung dann doch eher einen blonden Landschaftsarchitekten
engagiert. Aber auch nicht alle im Internat sind Malie gegenüber wohlgesonnen
und beurteilen sie nach ihrer Leistung, sondern sind mehr oder wenig offen
rassistisch ablehnend. Gerade mit dem Tod von Malte Jansen wird die Stimmung
ihr gegenüber nicht unbedingt besser, schon gar nicht, weil sie bisweilen
unangekündigt in verschiedenen Teilen des Internats auftaucht und Reden
belauscht, die nicht für ihre Ohren bestimmt sind. Mir persönlich liegt die
idealistische Umweltschützerin Lioba mehr, da mir Malie einfach etwas zu glatt
und perfekt ist.
Da dieser Bodenseekrimi im Milieu moderner rechter Parteien mit mehr oder
weniger faschistischen Ansichten spielt und es auch um das Schicksal der großen
Vermögen während des 3. Reichs emigrierter Juden geht, wird in der
Erzählperspektive auch mit Rückblenden gearbeitet. Wie war es für den Sohn der
ehemaligen Schlossherren damals, als in Deutschland die Synagogen brannten? Was
ist inzwischen aus ihm geworden und aus seinem Freund, dem Sohn des
Gutsverwalters? Der historische Teil und Liobas Recherchearbeit zu dem
Schicksal jüdischer Emigranten gefällt mir ausgezeichnet. Die Feinheiten der
nationalsozialistischen Steuerverwaltung waren mir in ihrer Perfidie nicht
bekannt. Mir wurde mal gesagt, daß kein Volk den Völkermord so akribisch
organisiert hat, wie die Deutschen. Ein Aspekt, der einem beim Lesen gerade
dieses Krimis immer wieder bewusst wird. Durch die gründlich Verwaltung und
Buchführung ist es aber auch wiederum möglich Ungereimtheiten aufzufinden, wenn
man erst einmal danach sucht.
Auch menschlich hat dieser Krimi viel zu bieten, hier liegen Tragödie und
große Freundschaft nah beieinander, ohne daß es kitschig wird. Dafür wird dem
Leser aber auch Wohlstandsverwahrlosung, Standesdünkel, rechte Überheblichkeit
und die Macht von Geld aufgezeigt. Eine wirklich interessante Mischung, auch
wenn man den Vorgängerband nicht kennt.
Für mich lag der Reiz gerade in der von den zwei Freundinnen ausgegrabenen
Geschichte der Bodenseeregion, zu Zeiten des 3. Reichs. Die Krimispannung lässt
etwas auf sich warten, wobei ich mich bei den Nachforschungen zur Geschichte
überhaupt nicht gelangweilt habe. Der Showdown wird allerdings selbst für mich
als absoluten Handymuffel etwas unglaubwürdig. Es gibt Momente, da gehe selbst
ich nicht ohne Handy aus dem Haus. Wenn ich nachschnüffeln wollte, wo ich nicht
wirklich willkommen bin, würde ich niemals alleine und ohne Handy hingehen,
dass ist selbst für Kampfsportler unverantwortlich in Zeiten in denen im
Darknet alles erhältlich ist. Allerdings werden offene Fragen geklärt und es
gibt auch ein zum Teil sehr versöhnliches Ende, was mir wiederum gut gefallen
hat.
Die Autorinnen Liliane Skalecki und Biggi Rist sind inzwischen ein
eingespieltes Team und haben mindestens 5 Krimis gemeinsam geschrieben, oft mit
brisantem politisch/historischen Hintergrund, allerdings zu ganz
unterschiedlichen Themen.
Ein guter Krimi der mir einige gut recherchierte Aspekte deutscher
Geschichte vor Augen führte.
4 von 5 Sternen.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Gmeiner Verlag für dieses
Rezensionsexemplar.
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