Deutsche Heldensagen Teil 2, Willi Fährmann, gelesen von Peter Kaempfe, audiolino Verlag
Teil 2 der Deutschen Heldensagen bilden die Sagen von Elsa und dem
Schwanenritter Lohengrin, Gudrun und Wieland dem Schmied.
Elsa sagte mir
irgendwas, aber bei Lohengrin regte sich mein Gedächtnis noch mehr. Nach dem
Tod ihrer Mutter wird Elsas Vater von unsäglicher Melancholie heimgesucht und
sucht sein Glück im Heiligen Land mittels eines Kreuzzuges. Der Verwalter soll
solange die Geschicke des Reiches lenken. Als der Vater stirbt, zeigt der
Verwalter sein wahres Gesicht und will sie zur Ehe zwingen, doch auch ihr Onkel
erhebt Ansprüche auf das Reich. Elsa ist verzweifelt, sie will weder den
Verwalter heiraten, noch das Reich an den Onkel abgeben. In ihrer Not ruft sie
Gott um Hilfe an und über den Fluss kommt Lohengrin, auf einem von Schwänen
gezogenen Schiff.
Die Schönheit der zeeländischen Königstochter Gudrun ist so
legendär, daß der Sohn des Königs der Normannen sich unsterblich in sie
verliebt und um ihre Hand anhält (ohne sie je gesehen zu haben). Doch Gudrun
lehnt ab, liebt sie doch schon einen anderen, den Freund ihres Bruders Ortfried
(oder Ortwin? Die damaligen Namen innerhalb der Clans werfe ich gerne
durcheinander), dem sie die Ehe versprochen hat. Die Normannen entführen
daraufhin Gudrun, ihre Hofdame und 60 weitere Frauen….
Wieland der Schmied
findet bereits in Teil 1 immer wieder Erwähnung, als Schmiedelehrling mit
Siegfried und dessen Feind, als Schmied des einzig wahren Wunderschwertes außer
des vom Zwergenkönig Alberich und auch bei Dietrich von Bern taucht Wieland
auf. Willi Fährmanns Deutsche Heldensagen basieren sowohl auf dem
Nibelungenlied, als auch auf der Edda. Beide haben Überschneidungen, als auch
Unterschiede, das macht die Wiederbegegnung mit Wieland und der
Ungerechtigkeit, die diesem Enkel des schwedischen Königs widerfährt, so
faszinierend.
Dieses Hörbuch erklärt für mich, was mich bei Teil 1 verwirrte.
Das Booklet erklärt die Rüstung der Ritter im 13. Jahrhundert. Die Nibelungen
spielten aber bereits zu Zeiten der Völkerwanderung also rund 500 n. Chr.
Allerdings wurde das Nibelungenlied ebenso wie die Edda erst später im 13.
Jahrhundert aufgeschrieben, damals, als die Rüstungen wie abgebildet aussahen.
In der Geschichte Gudruns, die tatsächlich auch später, erst im 13. Jahrhundert
spielt, wird auf immer wieder auf die Brünne Bezug genommen. Da wären wohl
nicht nur Kinder beim Zuhören überfordert, auch ich hätte nicht gewusst was es
ist. Auch wenn ich es interessant finde, daß sich mit Wieland dem Schmied der
Heldenkreis zu schließen scheint, so sind mir persönlich Elsa und Gudrun die
Liebsten. Elsa, die Aufrechte, die nicht den einfachen Weg wählt, sondern an
ihrer Überzeugung festhält. Elsa, die für ihre Rechte als Frau und
Königstochter einsteht und sich nicht einfach als Heiratsgut betrachten lassen
will, ist ebenso eine Heldin wie ihr Lohengrin. Der edle Ritter unbekannter
Herkunft, der nicht nach dieser befragt werden darf. Immer wieder kommen in diesen
Heldensagen biblische Themen vor, so erinnert mich Elsa an die Frau Lots. Sie
kennt die Regeln, doch vermag sie sie nicht einzuhalten, um ihrer Söhne Willen.
Es regt zum Nachdenken an über die Frage, was macht einen Menschen aus, seine
Herkunft oder seine Person?
Gudrun hingegen ist treu und standhaft und nicht
bereit ihr Eheversprechen zu brechen, um in Gefangenschaft ein einfacheres
Leben zu haben. Bei ihr musste ich immer an die heilige Ursula und ihre 80
Jungfrauen von Köln denken, wobei ja auch die Sabinerinnen geraubt wurden, oder
die schöne Helena… Während mich nicht nur ihre Standhaftigkeit anrührt gefällt
mir auch, daß die Schwester des Räubers stets gut zu ihr war.
Die Sagen von
Teil 2 empfinde ich als weniger kriegerisch und dafür milder. Es werden sie
Schwerter gezückt, aber es rollen nicht so viele Köpfe. Auch sind die
weiblichen Helden einfach sympathischer als die rachsüchtige Kriemhild. Elsa
und Gudrun sind deutlich gerechter. Doch sie sind sehr modern in ihren
Ansichten, besonders Elsa. Bei Wieland hat mich fasziniert, daß ein Königssohn
eigentlich keine Alternative hatte als Ritter und somit Krieger zu werden. Die
Idee nicht in den Krieg ziehen zu wollen, schien absurd zu sein. Auch dass der
Beruf des Schmiedes so hochangesehen war, war mir neu…
Ein wirklich
vielschichtiges Hörbuch, daß man unbedingt mehrfach hören sollte.
Mittlerweile
habe ich festgestellt, daß Willi Fährmanns Werk immer noch das Standardwerk der
deutschen Sagen ist, auch wenn der Autor schon längst verstorben ist. So kam
es, daß die ehemalige Klassenlehrerin meiner Tochter nach einer Klassenfahrt
nach Xanten, die Kindern der 4. Klasse anschließend Siegfried und Kriemhild aus
dem zugrunde liegenden Buch vorlas. Die Viertklässler fanden es nicht zu
brutal, sondern haben gebannt gelauscht.
Vielleicht mag meine Tochter deshalb
den Sprecher Peter Kaempfe nicht so gerne, er klingt nicht wie die Ursprecherin
(aus ihrer Sicht) Frau Müller, bei Sprecherwechseln ist sie sehr eigen. Ihrer
Freundin, die nicht mit ihr in der Grundschule war, findet Peter Kaempfe als
Sprecher gut. Allerdings versucht er auf diesem Hörbuch Gudrun und Elsa eine
weibliche Stimme zu verleihen. Das ist nicht ganz so gelungen, mir wäre
weiterhin sein Sagenonkelvortrag lieber. Er hat in der Tat die passende Stimme
zum Vortrag von Sagen und Märchen, die ja bisweilen miteinander verschmelzen.
Er spricht sehr klar und deutlich.
Auf diesem Hörbuch sind die Clans nicht ganz
so weit verzweigt wie bei den Nibelungen, Burgundern, Hunnen, …. in Teil 1, das
erhöht das Verständnis beim erstmaligen Hören ungemein.
Auch wenn meine Tochter
immer noch ein großer Siegfried-Fan ist, hat mir der 2. Teil der deutschen
Heldensagen deutlich besser gefallen. Er verdient das mehrmalige Hören ebenso
wie Teil 1, ist aber leichter verständlich für Ersthörer.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei audiolino für dieses Rezensionsexemplar.
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