Heinrich Heine – Dichter unbekannt!, Rolf Becker & Claus Bremer,
gelesen von Rolf Becker, audiolino 2 CDs
Heinrich Heine, ja, das war ein bekannter deutscher Dichter, aus Düsseldorf,
nachdem ist sogar die Uni dort benannt, die Lorelay hat er besungen und dann?
So spontan fiel mir da auch nicht mehr ein, aber darauf bezieht sich der Zusatz
„Dichter unbekannt!“ nicht. Heinrich Heine wurde am 13.12.1797 in Düsseldorf
geboren, also knapp 8, 5 Jahre nach Beginn der französischen Revolution, die
Zeit seines Lebens sein Denken prägte. Nach dem Abitur studierte er Jura in
Bonn, eigentlich ein staatstragendes Fach, aber er setzte sich dennoch stets
kritisch mit der Staatsform, den sozialen Unterschieden und den Besitzständen
auseinander. Er bewunderte die Revolution, behielt jedoch stets seinen Geist
offen und reflektierte stets alles. So liebäugelte er später auch mit dem
Kommunismus, aber auch dies nicht unkritisch. Da er bereits in Preußen für
seine Denkweise unter Druck geriet, zog er nach Paris. Obwohl er deutsches
Liedgut und Gedichte des Volksmundes aufschrieb und sein deutsches Liederbuch
lange beliebt war, war er es nicht. Da er vor allem das Nationalistische Denken
in Deutschland anprangerte, das ihn anwiderte, wurde sein Ansehen zu Bismarcks
Zeiten nicht besser und die Nationalsozialisten übernahmen zwar zum Teil seine
Texte in die Schulbücher, versahen sie dann aber mit dem Hinweis: „Dichter
unbekannt!“, was natürlich Quatsch war, doch war Heine nicht nur gegen alles
Nationalistische gewandt, er war auch noch Jude, was für Hitler noch
erschwerend hinzu kam.
Das war mir gar nicht so bewusst. Ich habe in Trier
studiert und die Uni dort hat bis heute noch keinen Namen, weil der berühmteste
Sohn der Stadt Karl Marx von vielen für unwürdig empfunden wird, Namenspatron
der Uni zu sein. Bei den ewigen Diskussionen kam auch immer wieder auf, daß nun
ja auch die Uni Düsseldorf einen Namen habe, aber die Brisanz dieser
Namensgebung in Düsseldorf war mir in den 90er Jahren gar nicht bewusst. Daher
fand ich diese Verknüpfung des lyrischen Werkes von Heine, von dem mir durchaus
mehr bekannt war, als mir bewusst war, und des politischen Heine sehr
interessant. Noch besser fand ich es, weil ich parallel einen Roman über eine
hohe französische Adelige (Prinzessin Charlotte von Rohan) zur Zeit der
Revolution und Heines las, die dieser geistigen Strömung natürlich kritischer
gegenüberstand. Einige Gedanken Heines sind noch immer sehr aktuell und als er
in etwa zitiert wurde mit „bei solchen Missständen wie in Deutschland damals
hätten die Franzosen längst 10 Revolutionen angezettelt“ musste ich an die
Gelbwesten denken und grinsen. Wie recht Heine doch hatte. Rolf Becker liest
mit viel Gefühl und Nachdruck, wobei auch die Instrumentalisierung sehr passend
ist. Seine Stimme kam mir allerdings bekannt vor, doch Becker ist ja als
Nachname schon ähnlich wie Müller, Meier, Schmidt. In diesem Fall jedoch nicht
so ganz. Rolf Becker ist der Vater der Schauspieler Ben Becker und Meret Becker
und selbst nicht unbekannt, so kann man ihn regelmäßig Di. abends ab 21.00h in
der Sachsenklinik „In aller Freundschaft“ auf dem ZDF sehen. Eigentlich mäßig
spannend, bis man sich mehr mit seiner Person befasst und einem dann auch sein
Sohn Ben besser verständlich wird. Rolf Becker hat sich schon sehr früh mit
Heinrich Heine befasst, der gerade im Zuge der 68er Bewegung wieder in den
Fokus rückte. So erhielten Rolf Becker und Claus Bremer im Juni 1972 den
Auftrag zu einer ersten Fassung von „Dichter unbekannt“. Wie Heine ist auch
Rolf Becker im linken Gedankengut verwurzelt und hat sich für den
langzeitinhaftierten Christian Klar eingesetzt und ihm das Theaterpraktikum zur
Resozialisierung verschafft. (Das stand jetzt so nicht alles im Begleitheft,
aber als ich das Bild des Sprechers sah, dachte ich mir, den kenne ich doch! –
und befasste mich mit ihm).
Die Informationsflut dieses Hörbuches ist nicht zu
unterschätzen, daher sollte man es unbedingt mehr als einmal hören und das 12
seitige Begleitbuch lesen, es ist wirklich nicht nur sehr interessant, sondern
auch eine wunderbare Ergänzung zu den zu hörenden Texten und Gedanken Heinrich
Heines. Sehr komplex, sehr vielschichtig, nicht zum Nebenbeikonsum geeignet,
besser in kleinen Dosen zum Mitdenken und auf sich Wirken lassen. Wer bei
seinem Namen nur an „Die Lorelay“ denkt, dem wird nicht bewusst sein, wie sehr
sein Werk die Denker dieses Landes doch geprägt hat und welch Risiko viele von
ihnen eingingen, die in der Weimarer Zeit ein Denkmal für ihn forderten. Ich
bin noch ganz geflashed vom Hören und kann es wirklich jedem sehr empfehlen,
der Zeit und Bereitschaft hat sich mit Heinrich Heine zu befassen.
Vielen lieben Dank an den audiolino Verlag für das überraschend politische
Rezensionsexemplar.
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