Die Rose des Herzogs, Marita Spang, Knaur Verlag
Mai 1841: die Prinzessin Charlotte de Rohan-Rochefort liegt mit 73 Jahren
im Sterben. Während sie ohne Angst das Ende nahen spürt, blickt sie auf ihr für
damalige Verhältnisses langes und zweifellos bewegtes Leben zurück. Sie wuchs
als zweites Kind einer verarmten aber alten und ehrwürdigen Adelsfamilie auf.
Na ja, im Jahre 1786 war ihr unermesslich reicher und mächtiger Großonkel, der
Kardinal Louis de Rohan-Rochefort wegen der Halsbandaffaire ziemlich in Ungnade
gefallen, der geliebte kinderlose Onkel, der stets die wohlwollende und
schützende Hand über ihre Familie hielt. Damals mit 18 war sie unsterblich in
Vincent de Carignan, den Neffen und Adoptivsohn der besten Freundin und
Obersthofmeisterin von Marie-Antoinette verliebt. Wegen der Halsbandaffaire
wagten sie nicht ihre Liebe öffentlich zu machen und später forderte seine
Tante erst die Unruhen der Revolution abzuwarten, ehe sie Heiraten dürften. Wie
so viele Angehörige des Hochadels hatte sie nicht damit gerechnet, daß es sich
bei der Erhebung des Volkes nicht um ein kurzes Strohfeuer handelte. Nach
seinem frühen Tod während der Schreckensherrschaft schwor sich Charlotte nie
wieder zu lieben, um nicht wieder so sehr leiden zu müssen. Ein Vorsatz, den
der Bourbonen-Prinz Louis-Antoine Henri de Bourbon-Condé zu Nichte machte, doch
fand auch diese Liebe keine Ruhe, dank der Revolution, ihren Folgen , dem
folgenden Napoléon Régimes und vor allem der Sturheit den Familienoberhauptes
und Großvaters Louis-Joseph de Bourbon, Prinz von Condé.
Dem Roman ist ein sehr ausführliches Personenverzeichnis vorangestellt. Ich
finde Personenverzeichnisse toll und würde sie mir öfter wünschen und vor allem
vor Beginn der Geschichte und nicht als Anhang, wo man es meist zu spät findet.
Hier hat mich der schiere Umfang allerdings erschreckt und verlieh mir das
Gefühl, ich müsse es erst einmal gründlich studieren. Dabei dürften einige der
Personen allgemein bekannt sein, zumindest Louis XVI, Marie-Antoinette, und
Napoleon und Joséphine Bonaparte. Das beruhigte mich etwas. Die Sorge war
jedoch unbegründet, denn die Personen werden nach und nach behutsam eingeführt,
so daß man mit ihnen bereits vertraut ist, wenn in dem nächsten Lebensabschnitt
und Ortswechsel neue Personen hinzukommen. Denn auf der Flucht vor den
vorrückenden Revolutionstruppen, musste Charlotte den Rohan-Rochefort oft
fliehen. Sehr interessant fand ich den Einblick in den immensen Reichtum und
die kirchliche und weltliche Macht der obersten Kirchenfürsten wie Charlottes
geliebten Großonkel, die die Ursache für die noch heute strikte Trennung von
Kirche und Staat seit der Revolution 1789 sind. Die Geschichte der in
Vergessenen Prinzessin aus dem höchsten französischen Adel schildert sie recht
emanzipiert, wie sie um ihren Kummer zu überwinden eine Mädchenschule gründet,
damit die Krankenschwestern lesen können, was auf den Medikamentenflaschen
steht, um unnötige Vergiftungen zu vermeiden. Das fand ich sehr weitsichtig und
auch mutig für die damalige Zeit. Wer gerne historische Schmonzetten liest,
wird hier nicht an der richtigen Adresse sein. Zwar war Charlotte zu tiefen und
beständigen Gefühlen imstande, welche aber nicht von großem Glück beschieden
waren, durch die Wirrungen der damaligen Zeit, die von Politik, Krieg,
Machtkämpfen und Intrigen bestimmt waren. Diese werden sehr reflektiert
geschildert, so daß ich immer wieder meine Lektüre unterbrach und dort
vorkommende Personen nachzuschlagen. z.B. warum war mir der despotische Zar
Paul I entfallen? Ich hatte doch immerhin „Désireé“ von Annemarie Selinko
zweimal gelesen? Na ja, dieser Zar war nur kurz an der Macht, sein Leben wurde
beendet, er kam wohl nicht nur der Autorin und mit brutal und despotisch vor.
Die Schreckensherrschaft in den auf die Revolution folgenden Jahre haben wir
mal im Französisch LK behandelt, doch wurde mir die Bedeutung auch für den
Hochadel hier viel besser bewußt als in dem 19-seitigen Extrakt von Honoré de
Balzac.
Sehr gut gefällt mir, wie die Autorin sich mit der Revolution, ihrer
Erforderlichkeit und ihren brutalsten Auswüchsen, bis hin zum Staatsstreich
Napoleons annimmt (die Selbstkrönung Napoleons ist jedoch nicht Teil dieser
Erinnerungen). Eine sehr komplexe Zeit, in der Frauen wenig Bedeutung hatten,
außer als politisch motivierte Vermählungsgabe zu dienen und deren Folgen wir
auch heute noch erleben.
Die Liebesszenen finde ich sehr dezent und geschmackvoll und doch
emotional, aber nie albern beschrieben, wobei diese nicht das vorherrschende Thema
sind. Da Louis-Antoine als General der Emigranten-Armee meist fernab von
Charlotte stationiert war, spielt sich ihre Beziehung auch oft in Briefen ab
und heimlich, da ihnen die Erlaubnis zu heiraten versagt blieb. Denn auch wenn
Louis-Antoine mit einigen Gedanken der Revolution sympathisierte, so blieb er
doch in den Traditionen des Ancien Régime verhaftet.
Marita Spang schreibt flüssig, gut lesbar und doch mit einem Hauch von
Authentizität. Ihre Sprache ist zwar moderner, als alles was damals in deutschen
Landen gesprochen wurde, aber sie verzichtet bewusst auf Anglizismen und
neumodische Wörter und bewahrt hier und da einen kaum noch gebräuchlichen
Begriff vor dem Aussterben. Wohlplatziert lässt sie z.T. Überlieferte
Originalzitate der wichtigsten historischen Persönlichkeiten einfließen. Sie
ist die Autorin der erfolgreichen Blut und Seide, Hexenliebe und die
Frauenburg. Für Hexenliebe erhielt sie 2015 den Homer als den besten
historischen Roman in der Kategorie „Beziehung und Gesellschaft“. Auch unter
dem Pseudonym Marie Lacrosse ist sie mittlerweile sehr erfolgreich.
Keine ganz leichte Kost, da durchaus von intellektuellem Anspruch, aber
absolut lesenswert, gerade auch, wenn man die damalige Zeit verstehen möchte.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Autorin für das im Rahmen einer
Leserunde zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.
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