Freitag, 9. November 2018

Toi, toi, tot! Ein Hamburg Krimi, Ronny Rindler, books2read



Toi, toi, tot! Ein Hamburg Krimi, Ronny Rindler, books2read

In Hamburg, kurz nach der Premiere des neuen Musicals „Spring!“ im Operettenhaus, springt ein junger Mann singend und tanzend vor eine einfahrende U-Bahn, in der Station Rathaus. Als eine weitere Musicalbesucherin sich aus dem Fenster stürzt steht für das Boulevard Blatt Blitz! fest: dieses mieseste Musical aller Zeiten, über Selbstmordgedanken, treibt die Zuschauer in den Suizid. Nur Beeke, die Schwester des ersten Opfers, der nur durch großes Glück überlebte und die als Pförtnerin im Operettenhaus arbeitet, hegt Zweifel an der These. Ihr Bruder Jan hatte überhaupt keinen Grund sich das Leben zu nehmen, er war doch eigentlich mit ihr verabredet gewesen und wollte ihr unbedingt etwas erzählen. Dabei klang er eigentlich total glücklich und alles andere als lebensmüde. Doch je mehr sie ihre Nase in die Vorkommnisse steckt, desto verworrener und unheimlicher wird es ihr. Was verbirgt Jan vor ihr? Was wollte er ihr eigentlich unbedingt erzählen? Im Dunstkreis der Musicalproduktion ist jeder verdächtig, denn jeder kämpft um seine Wünsche und Träume. Wider Erwarten erhält Beeke Unterstützung bei ihren Ermittlungen von dem einstigen Star der Show, der mittlerweile unter geheimnisvollen Umständen ausstieg und nun eine Ausbildung in der Uniklinik zum Pfleger in der Psychiatrie macht. Noch ein Rätsel mehr für Beeke.

Ein sehr reizvolles Setting für die Ermittlungen, ein Blick hinter die Fassade einer großen, teuren gehypten Musicalproduktion. Man bekommt nicht nur einen Eindruck von dem Aufwand, der für immer neue Besucherrekorde sorgen soll, sondern auch davon, daß bisweilen es nur um Sensation und weniger um den Inhalt geht. Immer wieder spukt der Refrain der Erkennungsmelodie der Show durch die Köpfe der Protagonisten und durch die Seiten. Schnell, schrill, laut und auf Dauer nervenzermürbend! Das gibt einen sehr guten Eindruck von der wirklich hundsmiserablen Qualität des Stückes wieder, hat aber bisweilen auch deutlich an meinen Nerven gezerrt. Der Cast und die Technik-Crew sind sehr eigenen. Jeder scheint seine Geheimnisse zu haben und fast jeder gerät in den Fokus von Beekes Verdächtigungen oder zumindest ihrer Abneigung. Beeke selbst ist ein interessanter Charakter. Anfang 30, attraktiv ziemlich gut trainiert, wollte sie eigentlich Stuntfrau werden, bis ihn ihrer Ausbildung ihre damals beste Freundin verunglückte und vor ihren Augen starb. Diese Angst, dieses Gefühl der Hilflosigkeit ließ sie die Ausbildung abbrechen und sich hinter der Pforte des Operettenhauses verkriechen. Doch ihre Instinkte sind nun wieder erwacht und ihre draufgängerische Ader auch. Oft nervt es mich in Thrillern, wenn Privatpersonen ermitteln, spontan, aus der Situation heraus und sich dabei quasi als Superhelden entpuppen. Bei einer Stuntfrau machen aber viele Qualitäten einer guten Ermittlerin Sinn (klar, man denke nur an Colt Seavers, den legendären Kopfgeldjäger aus den 80ern) und sind plausibel. Ebenso nachvollziehbar der degradierte Polizeiobermeister, an seinem letzten Arbeitstag vor der Pensionierung. Er ist nun vogelfrei, ihm kann keiner mehr was sagen und er folgt seinem Bauchgefühl. Sönke, der ehemalige Musicalstar ist da schon ein undurchsichtigerer Charakter, der viele zu höchst unsympathische Eigenarten mit sympathischen Verhaltensweisen kombiniert. Er vermag beim Lesen zu polarisieren und zweifeln lassen. Das Motiv ist so unklar, wie auch die Frage, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt, oder ob es nicht doch nur Zufälle sind. Der Showdown ist sehr rasant, das Motiv wirklich überraschend, aber durchaus plausibel. Man muß genau lesen, um einigen Spuren nachgehen zu können. Da ich sehr genau gelesen habe, habe ich aus einen speziellen Grund den Täter/die Täterin ausgeschlossen. Dieser Punkt ist aber ansonsten niemandem in der großen Leserunde aufgefallen, was wahrscheinlich an meinem sehr speziellen optischen Wahrnehmungsvermögen liegt (ich bin ziemlich gesichtsblind).

Autor Ronny Rinder ist selbst gelernter Musicaldarsteller und kennt sich daher bestens in der Welt aus, über die er schreibt, dadurch kommen selbst die extremsten Personen immer noch überzeugend rüber. Lebendig, facettenreich, etwas überdreht, aber niemals eindimensional, eben voll das Leben.

Spannend und überraschend anders, aber auch etwas sprunghaft, was mir den Einstieg erschwerte.

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