Ein Fall für Wells & Wong (5) Mord unterm Mistelzweig, Robin Stevens,
Knesebeck
Auch der 5. Fall der Detektei Wells & Wong spielt 1935, der erstarkende
Nationalsozialismus in Deutschland findet dieses Mal keine Erwähnung, doch
macht sich auch unter den Elitestudenten von Cambridge z.T. Das
nationalistische Gedankengut bemerkbar. Denn dieses Mal sollen die
blondgelockte, analytische Daisy Wells (15) und die empathische
Hong-Kong-Chinesin Hazel Wong (noch 14) ihre Ferien ganz ohne mörderische
Zwischenfälle verbringen: in Cambridge, gemeinsam mit Daisys älterem Bruder
Bertie, der dort Geschichte im 1. Jahr studiert. Die Mädchen sind dort im
Frauencollege von St. Lucys unter der Aufsicht von Daisys Großtante Eustacia Mountfitchet
untergebracht und die Geschichtsstudentin Amanda Price soll sie als
Anstandsdame begleiten. Wie abgesprochen verbringen auch Alexander Arcady und
George, die Jungs von der Detektei die Junior Pinkertons in Cambridge bei
Georges großem Bruder Harold Mukherjee ihre Weihnachtstage in Cambridge, im St.
John's College. Harold studiert wie Bertie im ersten Jahr Geschichte und geht
in dessen College, dem Maudlin, ein und aus. Denn Bertie gehört genau wie seine
Mitbewohner aus dem Treppenhaus Nr. 9, dem Geheimclub der Nachtkletterer an.
Doch schon beim ersten Besuch bei Bertie merken die vier jungen Detektive, daß
dort im Haus etwas nicht stimmt. Der älteste Melling Zwilling Donald, der in
wenigen Tagen ein millionenschweres Erbe antreten wird, ist in letzter Zeit
ständig Opfer von merkwürdigen Unfällen. Sein beliebterer Bruder Charles, der
beim Erbe leer aus gehen wird, bleibt jedoch verschont. Die Detekteien
schließen eine Wette ab, da sie spüren, daß ein neuer Fall auf sie zu kommt.
Als dann tatsächlich ein Unfall tödlich endet, müssen die jungen Ermittler ganz
schnell umdenken.
Atmosphärisch ist dieser Fall wirklich klasse angelegt. Man spürt schon mit
dem Eintreffen im Maudlin College, daß sich ein Mord ankündigt. Als er dann
nach all der aufgebauten Anspannung geschieht, ist man dennoch überrascht! Auch
wenn alles anders kam, als erwartet, kann die Aufklärung doch nicht so schwer
sein, da die Anzahl der Personen, die sich nachts im Haus Nr. 9 aufhielten ja
sehr überschaubar war. Allerdings versucht die Collegeleitung den Vorfall doch
als Unfall darzustellen. Der herbeigerufene Wachtmeister hatte trotz all seiner
Dienstjahre noch nie mit einem Mordfall zu tun und so sehen sich die vier
jugendlichen Detektive vor Ort, wohl oder übel gezwungen, den Fall zu klären
und somit die Frage, welche die bessere Detektei ist. Damit die Leser eine
Möglichkeit haben, den Fall ebenfalls zu lösen gibt es in bewährter Manier
wieder ein Personenverzeichnis als auch Pläne von Cambridge, so wie unsere
Helden es vorfinden und zwei Aufrissen von Berties Treppenhaus, in welchem sich
der erste Mord ereignete. Dieses Mal ist es wirklich besonders wichtig sich die
Örtlichkeiten immer wieder vor Augen zu halten und ebenso allen Beteiligten
genaueste Beachtung zu schenken. Je cleverer die Personen, desto wichtiger die
Hinweise die sie liefern, auch wenn sie anfangs nebensächlich erscheinen. Alles
Hinweise zur Lösung des Falles sind gut versteckt in der Geschichte, wer
logisch analytisch der Geschichte folgt, kann also in der Tat den Täter/Täterin
ermitteln. Damit mag zwar für einige die Spannung verpuffen, aber ich ärgere
mich immer total, wenn in einem Krimi Ungereimtheiten vorkommen, die es
verhindern, daß der Lesern zumindest eine Chance hat, den Fall zu lösen. Robin
Stevens opfert die Logik nicht auf dem Altar der Spannung. Sie schafft es mit
anderen Mitteln selbst für diejenigen die Spannung zu halten, die den Täter/-in
bereits vor dem Ende ermittelt haben. So kommen dieses Mal zarte Gefühle ins
Spiel. Hazel wird immer wieder durch ihr eigenes Erröten erwischt bzw. verraten
und sie ist nicht die einzige, deren Gefühle außer Kontrolle zu sein scheinen.
Dabei reichen oft kleine zarte Hinweise im Text, wunderbar dezent, denn die
Geschichte spielt ja immerhin 1935. Das macht sich hier in Kleinigkeiten
bemerkbar. Daran z.B. daß Hazel es gewohnt ist, als Exot angesehen zu werden.
Die fremdenfeindlichen Äußerungen von Charles Melling, verletzten dieses Mal
aber nicht nur sie, denn auch andere Dunkelhäutige, haben schlaue Köpfe. Das
Empire und seine Auswirkungen, machen auch vor Cambridge nicht halt. Dabei aber
in Hazels Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen ist ebenso reizvoll, wie die
Kleinigkeiten am Rande, wie der Einblick in die exklusive Welt von Cambridge
und ihre Benachteiligung von Frauen, oder aber auch die zeitgenössischen
Autorinnen von Kriminalromanen, die Daisy zu Weihnachten erhält (Margery
Allingham kann ich sehr empfehlen). Dabei schreibt Robin Stevens viel flüssiger
für unser Sprachverständnis als Margery Allingham. Auch wenn sie tolle
Einblicke in die Zeit damals gibt, ist ihre Sprache zwar angemessen, doch nicht
antiquiert, so daß es ein Vergnügen ist zu lesen. Sehr schön sind auch die in
den Text eingestreuten Erklärungen zu der geheimnisvollen Welt der
Elitecolleges von England, wie z.B. der merkwürdigen Aussprache des berühmten
Magdalen College, daß als Vorlage des fiktiven Maudlin diente.
Mir gefällt diese Reihe immer besser, je mehr ich in die Welt von Daisy und
Hazel eintauche, obwohl ich sie von Anfang an geliebt habe!
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für diesen herrlichen
Weihnachtskrimi!
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