Haremsblut, Kristina Herzog, Piper
Die blonde, sehr attraktive Malerin Vera ist mit ihrem erfolgreichen Freund
Martin und einem befreundeten Paar im alljährlichen Marokko-Urlaub. Bei einem
gemeinsamen Mädelsabend mit Freundin Doris, ist sie völlig hingerissen von dem
charismatischen einheimischen Geschäftsmann mit den strahlend blauen Augen. Sie
wechseln kein Wort, aber sie gibt ihm ihre Visitenkarte. Kurze Zeit später,
zurück in Deutschland, erwischt sie Martin beim Seitensprung mit seiner Sekretärin.
In der Post findet sie ein One-Way-Ticket nach Fés Marokko, ohne Absender.
Völlig überstürzt, packt sie ihre Tasche und reist in den Orient, ohne jemanden
zu verständigen.
Kurz vor seinem Versöhnungsurlaub an der Nordsee, mit Langzeitfreundin Susa,
bearbeitet der abgebrochene Jurastudent Alexander Rosenbauer, nun bei der
Berliner Kripo Vermisstenfälle. Dabei stößt er auf die Akte Vera Schwarze und
beißt sich an dieser fest, er wird völlig fixiert auf diesen Fall und bucht
sogar eigenmächtig, den Nordsee-Urlaub in einen zweiwöchigen Marokko-Trip um.
Kathleen Neubauer, seine alleinerziehende Kollegin, kämpft mit ihren
eigenen Dämonen. Während sie gegen einen marokkanischen Familienclan ermittelt,
der scheinbar unangreifbar ist, aber in jeder erdenklichen Art der
organisierten Kriminalität mit drin zustecken scheint, erlebt sie einen
persönlichen Schock: Nur zwei Monate nach der Scheidung verschickt ihr Ex
Hochzeitseinladungen. Seine neue Geliebte ist schwanger und er springt.
Wie im ersten Band der zwei Ermittler „Abschiedskonzert“ fand ich Alex
eigensinnige alte Nachbarin, die Hobbykirmiautorin Frau Wolf mein persönliches
Highlight. Auch wenn sie nicht mit auf den Versöhnungsurlaub nach Marokko
kommt, ist sie via Smartphone vor allem in den ungelegensten Momenten immer
wieder mit dabei.
Auch Kathleen mit ihren privaten Sorgen, die manchmal unüberwindbar
erscheinen, mag ich, diese Blondine hat Herz und ist beherzt. Anders als Vera
Schwarze, deren Naivität gerade bei einer Leistungs- und Kampfsportlerin mich
wirklich fassungslos machte. Na gut, als Malerin hat sie nicht wie ich jeden
Tag mit dem Bösen auf der Welt zu tun, aber wer Kampfsport macht, wird schon
von den Trainern vor bösen Buben gewarnt. Würde mir ein fremder Mann ein
One-Way-Ticket schenken, ich würde es in die Mülltonne werfen oder umbuchen,
aber sicher nicht in den Flieger steigen, ohne jemanden zu informieren. Ich
würde auch die betreffende Person googlen, obwohl ich anders als Vera kein
Smartphone besitzt und keinen Vblog betreibe.
Die dritte Blondine im Bund ist mir ebenfalls nicht ans Herz gewachsen.
Alex Freundin Susa, die ihre Beziehung in arge Schieflage brachte, als sie das
Bett mit dem gemeinsamen Freund Marco teilte, aber jeder macht ja ihrer Meinung
nach mal einen kleinen Fehler. Sorry, aber diese Einstellung teile ich nicht
und ihren Hang zur Verharmlosung der eigenen Fehler und Dramatisierung der
Fehler des Partners, mag ich auch nicht. Dabei halte ich ihr zu Gute, daß sie
bisweilen in einigen Situationen relativ gelassen reagiert, in denen ich echt
sauer wäre, dafür bei Kleinigkeiten aber echt rumzickt.
Leider empfinde ich auch Alex in diesem Band als sehr übereifrig und naiv.
Ohne groß nachzudenken, schenkt er Unbekannten sein Vertrauen, obwohl sämtliche
Alarmglocken in seinem Kopf angehen sollten. Er bricht oft zu schlecht
vorbereiteten Alleingängen auf und ist kurz davor eine diplomatische Krise
herauf zubeschwören. Dennoch bleibt für ihn noch eine Restsympathie, auch wenn
ich ihn nicht mehr ganz ernst nehmen kann.
Das orientalische Setting, der Überfluss des goldenen Käfigs, in welchem
Vera sich wiederfindet, ohne den Ernst der Lage auf Anhieb zu begreifen (Hallo!
Man nimmt ihr ihr Gepäck, ihr Handy, ihre Papiere und ihren PC weg und sie
genießt die Pracht ihrer Umgebung, welche sie nicht verlassen kann?!), ist
allerdings reizvoll. Auch der Einblick in das Leben eines Oberhauptes eines
Clans der organisierten Kriminalität ist interessant. Hatte man es in Band 1
noch mit der Mafia zu tun, sind es nun international renommierte Waffenhändler
und heimliche Menschenhändler, die im Focus stehen. Oft geht beides einher,
vielleicht dreht es sich dann in Band 3 um kriminelle Rockerbanden. Der
Schreibstil gefällt mir nach wie vor. Er ist klar und gut lesbar. Ich muß
normalerweise Protagonisten nicht lieben, abstoßende Charaktere finde ich
bisweilen durchaus reizvoll, aber vorliegend hat die Naivität der Hauptpersonen
meine persönliche Schmerzgrenze überschritten. Es ist nicht, mein Unglaube an
dem Setting, der verschleppten blonden Deutschen, das mich nicht in dieses Buch
eintauchen lässt, aber ich denke, daß die Opfer durchaus subtiler in ihren
goldenen Käfig hineinrutschen. Es geht unauffälliger, nach und nach. Die
Autorin berichtet, durch die traumatisierenden Erlebnisse einer blonden
Freundin zu diesem Krimi inspiriert worden zu sein, was die plastischen
Schilderungen des Lebens im Harem verdeutlichen. Bisweilen kam auch durchaus
Spannung auf. Allerdings nie ohne Kopfschütteln meinerseits, denn immerhin
gehen die 3 Deutschen gegen einen Waffenhändler vor, der von Berufswegen bis an
die Zähne bewaffnet ist und über ein Heer von Sicherheitskräften verfügt. Sie
riskieren ihr Leben, für eine Frau, die sie nicht kennen und die sich selbst in
ihre lebensgefährliche Lage gebracht hat. Soviel Heldenmut würde ich in meinem
Urlaub nicht aufbringen.
Aufgrund der zeitweisen Spannung, dem orientalischen Setting und der
unverwüstlichen Frau Wolf vergebe ich 3 von 5 Sternen.
Da ich Band 1 aber toll fand, würde ich einem dritten Band durchaus noch
eine Chance geben.
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