Ein Sommer in Sommerby, Kirsten Boie, Oetinger Verlag
Martha (12), Mikkel (7) und Mats (4) wachsen modern und gut
behütet in Hamburg auf. Ihre Eltern verdienen sehr gut, sie sind im Geldhandel
an der Börse tätig und reisen viel. Während einer Geschäftsreise in New York
hat Mutter Leonie einen schweren Unfall und muß ins Krankenhaus mit mehreren
Knochenbrüchen und Gehirnerschütterung. Der Vater bucht sofort einen Flug nach
New York und bittet die beste Freundin seiner Frau, die Kinder zur Oma nach
Sommerby zu bringen, an die sich Martha nur noch vage erinnern kann und die die
jüngeren Brüder noch nie gesehen haben. Aus unbekannten Gründen herrscht
Funkstille zwischen Oma und Eltern. Mit sehr gemischten Gefühlen tauchen die
Kinder auf dem abgelegenen Hof der Großmutter auf, zu der noch nicht einmal
eine richtige Straße führt. Wer zu ihr auf die Landzunge am Meer möchte, muß
entweder eine Kuhweide überqueeren oder ein Boot nehmen. Logisch, daß es so
weit ab vom Schuß kein Wlan, kein Fernsehen und keinen Handyempfang gibt.
Während Martha sich ein Leben ohne soziale Netzwerke nicht vorstellen kann,
sind ihre kleine Brüder ganz begeistert von den Tieren und dem Leben am Wasser.
Nach uns nach stellt auch Martha fest, daß dieser Sommer ganz schön aufregend
ist!
So wie die Eltern der Kinder, immer wieder die Köpfe über
die Oma zu schütteln scheinen, habe ich beim Lesen immer wieder den Kopf über
die Eltern geschüttelt. Tischmanieren und das Auslassen von Fäkalsprache ist in
der Erziehung anscheinend wichtiger, als Selbstständigkeit. Die Kinder sind
offensichtlich sehr behütet und jede Gefahr soll von ihnen fern gehalten
werden. Doch das Leben ist voller Gefahren, wie man schon an dem schweren
Unfall der Mutter inmitten der „Zivilisation“ sehen kann. Dennoch ist es den
Eltern gelungen, den Kindern ein Gefühl von Liebe und Verantwortung mitzugeben.
Denn ganz alleine bei der unbekannten Oma, die sie ständig mitarbeiten lässt
und sie nicht betüddelt, macht sich bei Martha ein starkes Verantwortungsgefühl
für ihre jüngeren Brüder breit und ihr wird bewußt, wie sehr sie sie liebt.
Nichts da, mit „nervige kleine Brüder“! Wenn die Oma so schroff und fordernd
ist, hat sie das Gefühl, sie in Liebe hüllen zu müssen. Abgeschnitten von Wlan
und Fernsehen, entdeckt Martha auch den Reiz der Bücher, die ihre Mutter früher
offensichtlich verschlungen hat (ich habe Désir´´ von Annemarie Selinko auch
geliebt) und zum Einschlafen liest sie ihren kleinen Brüdern Otfried Preußlers
„Die kleine Hexe“ vor. Bücherliebhaber werden an Marthas Stöbertour durch Omas
Bücherregal ihre wahre Freude haben! In der Einsamkeit von Oma werden die
Kinder auch mit der Realität des Überlebens konfrontiert. Rehkitze sind nicht
nur süß und Landwirte müssen ihr Vieh durchaus schlachten, um Leben zu können.
Harte, ehrliche Arbeit, die aber erfüllt und einen mit dem guten Gefühl etwas
geschafft zu haben einschlafen lässt. Als diese Idylle dann bedroht wird, merkt
auch Martha, daß Whatsapp nicht alles ist und wie sehr sie dieses Leben und
auch ihre Oma liebgewonnen hat. Wetten, daß sie sicher nicht die langweiligsten
Ferienerlebnisse der Klasse hat und das obwohl ihre Freundin auf den Malediven
ist?
Nach und nach merken Kinder beim Lesen oder zuhören, wie die
Bedeutung von Handy und Fernsehen abnimmt. Gut, da wir selbst nicht in der
Großstladt leben, können sich unsere Kinder das durchaus vorstellen und kennen
es auch, daß das Spielen draußen wichtiger ist, als Fernsehn zu schauen. Aber
in Städten sind ja schon Schnecken nicht mehr bekannt (ja, habe ich selbst
erlebt, als vor Jahren eine Freundin im Urlaub fasziniert zum ersten Mal im
Leben eine Schnecke beobachtete!). Es ist auch toll, wie Mikkel den Lesern
zeigt, daß es schön ist, das Gefühl zu bekommen, gebraucht zu werden. Denn zu
helfen, heißt nicht ausgebeutet zu werden, sondern daß es auf jeden einzelnen
ankommt, daß jeder gebraucht wird und wichtig ist. Erzählt wird aber nicht mit
dem erhobenen Zeigefinger, sondern einfach durch Beobachten der Kinder und
ihrer Entwicklung. Klingt langweilig? Ist es aber nicht, sondern richtig
spannend, denn wie bereits angedeutet, ist die Idylle in Gefahr und das muß
unbedingt verhindert werden! Und auch im Spannungsteil des Buches dürfen die
Kinder noch Kinder sein und handeln entsprechend, im Rahmen ihrer
Möglichkeiten, aber außerhalb dessen, was ihnen ihre Eltern raten würden.
Eine wirklich tolle Geschichte, über das was wirklich zählt,
wie z.B. Zeit im Snne von sich Zeit nehmen und Natur.
Spannend, kurzweilig und einfach wunderschön!
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