Gefährliche
Empfehlungen: Ein kulinarischer Krimi, Tom Hillenbrand, KiWi
Dies ist Band 5
der Reihe des Luxemburger Kochs, der immer wieder durch seine
Laienermittlungen aus seiner Küche gerissen wird. Band 1 soll wohl
gerade mit Moritz Bleibtreu in der Rolle des Xavier Kieffer verfilmt
werden.
Xavier Kieffer,
ist zur Eröffnung mit riesigem Medienspektakel des neuen
Flagshipstores in Paris des Guide Gabin, seiner Freundin Valerie
Gabin, eingeladen. Während der Rede von Präsident Francois
Allégret, dem alten guten Freund von Valerie, bricht auf Grund eines
Stromausfalls eine kleine Panik aus und ein aus der
Bestandsbibliothek der französischen Nationalbibliothek nicht ganz
offiziell entliehen seltenen Gastroführers Guide Gabin von 1939
bringt Kieffer ins Grübeln. Als der dauerrauchende Koch, die übrigen
Leihgaben mit Bestechungswein an den Bibliothekar zurückgeben soll,
wird er Zeuge des Mordes an diesem. Der Präsident persönlich
fordert ihn auf, der Sache aufzuklären, seiner Freundin Valerie zu
liebe. Klar, dem Präsidenten zu Liebe würde Xavier sich nicht aus
seiner Küche begeben, denn ein netter Mensch wird nicht Präsident,
dessen ist er sich sicher. Doch wie soll ein Koch diese kriminellen
Machenschaften aufklären, wenn ihm mindestens ein Geheimdienst an
ihm zu kleben scheint. Naja, wenn wer selbst keine Ahnung hat und vor
allem kochen kann, der braucht gute Freunde mit speziellen
Fähigkeiten oder Kontakten, wie sein finnischer Kumpel Pekka
Vatanen, offizielle ein hoher finnischer EU-Beamter, aber eigentlich
ein Liebhaber schöner Frauen und Luxemburger Rivaners. Allerdings
werfen die Nachforschungen zuerst mehr Fragen und Gefahren auf, als
das sie Antworten liefern.
Dies war mein
erster Blick in Xavier Kieffers Küche des „deux Eglises“ in der
Luxemburger Unterstadt.
Daher ist es mir
auch völlig entgangen das hinten ein Glossar: Küchenlatein
(naja, mehr Französisch oder Letzeburgisch) angehängt war, der
gerade für Leser, die nicht aus dem tiefsten Westen kommen und kein
Französisch oder Letzeburgisch verstehen, sehr hilfreich sind.
Für diejenigen
die Luxemburg nicht kennen, sind genaue Beschreibungen dieses
ungewöhnlichen kleinsten Mitgliedsstaates der EU in die Geschichte
mit eingewoben. Paris ist deutlich weniger detailliert beschrieben,
Lyon und Berlin ausführlicher als Paris, aber weniger als Luxemburg.
Die Detailvielfalt der Ortsbeschreibungen scheint sich also an dem
allgemein angenommenen Bekanntheitsgrad der Stadt zu orientieren. Ich
kannte die Städte alle, selbst Lothringen und Nancy gegen Ende. Mir
gefielen die Beschreibungen der bekannten Orte, andere fanden sie
jedoch zu langatmig. O.k. dies ist vor allem ein Wohlfühlkrimi und
trotz der involvierten Geheimdienste ist das Tempo der Geschichte an
die Leibesfülle des Gourmets angepasst, denn Kieffer muß sich immer
wieder eingestehen, daß er nicht wirklich in Form ist. Für
Liebhaber guten Essens, netter literarischer Anspielungen an das
französische Präsidentschaftssystem, den zweiten Weltkrieg, die
Rolle des neutralen Luxemburgs im Krieg und die Geschichte seines
Radiosenders, Sterne-Gastro-Führer, Promiköche und neue
Restaurantkonzepte ist dieser Krimi jedoch dennoch unterhaltsam,
informativ und rätselhaft. Denn ganz ehrlich, bis zuletzt tappte ich
im Dunkeln, was es mit diesem speziellen 1939er Gastroführer auf
sich hat, obwohl ich durch die Rückblenden zu Captain John Fisher,
einen deutschstämmigen Nachrichtenoffizier der Army nach D-Day,
immerhin Kenntnisse hatte, die Kieffer noch fremd waren.
Ich fand den
Krimi wirklich sehr gut recherchiert und informativ. Nicht nur
hinsichtlich des Einblicks in die Welt in die Töpfe der edlen
Restaurantküchen dieser Welt, sondern auch die der politischen
Intrigen, der kriegerischen Verschwörungen und der zersetzenden
Kriegsführung, sondern auch im Hinblick auf die mögliche
Entstehungsgeschichte des Guide Michelin. Seit meiner Kindheit hatte
ich mich gefragt, was denn eine französische Autoreifenfabrik mit
Restaurantführern zu tun haben könnte. Aber nun kann ich mir da
schon einen Zusammenhang zusammenreimen.
Die Charaktere
sind bisweilen etwas überzeichnet, aber das macht sie wie z.B. Pekka
Vatanen oder den „argentinischen Küchenleonardo“ Esteban umso
unterhaltsamer und liebenswerter. Gerade die Nebenrollen sind
interessant besetzt und herausgearbeitet. Da einige von ihnen nicht
zum ersten Mal in dieser Reihe auftauchen, sind sie eine beständige
Bereicherung.
Während mich die
Ortsbeschreibungen nicht störten, nervten mich bisweilen aber
Xaviers ständiges Rauchen. Ich muß es als Leser ja nicht riechen,
es bringt die Geschichte aber nicht weiter und bereichert auch nicht
meinen Erfahrungshorizont.
Auch als Neuling
der Reihe kann man gut folgen und hat keinerlei Verständnisprobleme,
sofern man den Glossar findet oder „Küchenlatein“ beherrscht.
Der Autor Tom
Hillenbrand wurde 1972 geboren und studierte Europapolitik. Das macht
sich durchaus bemerkbar, da ich noch einiges über General de Gaulle
lernte, was im Französisch LK weder beim Thema Europapolitik oder
politische Reden vorkam. Für Leser informativer Romane und Krimis
mit Hintergrundwissen ist es daher eine Bereicherung, daß er als
Ressortleiter bei Spiegel Online ausstieg und sich dem Schreiben
widmete.
Ein guter solider
Krimi, der mich unterhalten hat und dessen eigenwilliger Ermittler
mit bisweilen sperrigem Charakter mich auf die Verfilmung neugierig
macht. Moritz Bleibtreu passt für mich als Besetzung nicht, aber mal
schauen ;)
Ich bedanke mich
herzlich für einen guten Krimi und eine anregende lebendige
Leserunde!
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