Tod in den Karawanken, Andrea Nagele, emons,
Kommissar Simon Rosner ist bei der Polizei Klagenfurt
eigentlich krankheitsbedingt außer Dienst. Er hat endlich eine Entzugstherapie
gegen seinen langjährigen Alkoholismus begonnen. Da ruft ihn sein Schulfreund
Hanno, ein inzwischen erfolgreicher Bauunternehmer, an. Seine 13 jährige
Tochter Lena, sollte mit dem Bus zu seiner getrennt lebenden Ehefrau Lilo nach
Grado fahren und kam dort nie an. Lilo scheint erstaunlich sorglos und hält
Lenas Verschwinden für einen Akt pubertätsbedingter Rebellion. Schon zu Schulzeiten
konnten Lilo und Rosner sich nicht leiden. Lilo hält Rosner für einen Versager,
er sie für ein manipulatives Miststück. Ziemlich unwillig beginnt er
nachzuforschen und stößt auf Ungereimtheiten, als Lena dank Handyortung wieder
gefunden werden kann. Dennoch kann Rosner das Geschehene nicht abhaken, obwohl
er mit dem plötzlichen Auftauchen seiner Ex-Frau, seiner Therapie und der
Sehnsucht nach seiner geliebten Alice, die auf Weltreise ist, eigentlich
beschäftigt genug sein sollte.
Sehr interessant ist an diesem Krimi, die Erzählperspektive.
Stets wird ein wenig distanziert, in der dritten Person geschrieben, aus
verschiedenen Blickwinkeln, auch von Randfiguren, über deren Bedeutung man bis
relativ vor Schluß man rätselt. Doch ausgerechnet Lilo, die mit ihrem
unbeteiligten Verhalten Rosners Aufmerksamkeit erregt, erzählt ihren Part in
der ich-Form. Eigentlich könnte man meinen, daß dadurch Nähe entstünde, der
Leser sich mit Lilo identifiziere. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Lilos
Gedanken sind egozentrisch, nicht nachvollziehbar und abstoßend.
Zudem wird in diesem Buch sehr viel getrunken. Aber es wird
nicht verniedlicht, sondern die Alltäglichkeit von Alkoholismus in seinen
verschiedenen Vorkommensformen vor Augen geführt. Nein, es sind nicht alles
Alkoholiker, aber mir ist bislang nie bewußt gewesen, daß körperliche
Alkoholentzugssymptome so lange anhalten können. Auch wenn ich schon x
Arztberichte über Entgiftungen gelesen haben, in denen immer wieder beschrieben
wird, daß Medikamente (und zwar nicht zu knapp und nicht unbedingt harmlose)
gegeben werden, um die Entzugserscheinungen zu dämpfen, war es mir nie bewußt,
daß es doch zum Teil ähnlich sein muß, wie beim Entzug von Betäubungsmitteln.
Auch die psychischen Tücken mit denen der abstinente Alkoholiker zu kämpfen hat
werden eindrucksvoll beschrieben, ohne in diesem recht kurzen Krimi zu viel
Raum einzunehmen. Die Autorin schafft es einfach die Dinge auf den Punkt zu
bringen, ohne sich in Ausführungen und Beschreibungen zu verheddern. Sie doziert
nicht, der Leser muß einfach seine eigenen Schlüsse ziehen. Ich hatte weder das
Gefühl, mir würde etwas fehlen, noch das Bedürfnis ausschweifige Ausführungen
gerne zu kürzen – einfach schön knackig.
Bis ganz zum Ende bleibt der Leser im Unklaren, was denn nun
eigentlich mit Lilo los ist. Man erfährt sehr viel aus ihrer Schulzeit und
ihrer recht ungesunden Beziehung zu ihrer „besten“ Freundin und dennoch geht es
dem Leser wie Rosner, man kann sich nicht wirklich überwinden sie zu mögen.
Gerade das Ende gefällt mir sehr gut, auch wenn es nicht das
klassische Krimiende ist. Es hat für mich eher den Lösungscharakter von Sartre,
jeder ist seine und des anderen Hölle, ohne dabei jedoch zu deprimieren. Denn
es gibt bei diesem facettenreichen Ende auch sympathische Gewinner.
Da kann ich nur sagen: Viel Spaß beim Lesen! 5 von 5 Sternen.
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