Montag, 27. Februar 2017

Tod in den Karawanken, Andrea Nagele


Tod in den Karawanken, Andrea Nagele, emons,
Kommissar Simon Rosner ist bei der Polizei Klagenfurt eigentlich krankheitsbedingt außer Dienst. Er hat endlich eine Entzugstherapie gegen seinen langjährigen Alkoholismus begonnen. Da ruft ihn sein Schulfreund Hanno, ein inzwischen erfolgreicher Bauunternehmer, an. Seine 13 jährige Tochter Lena, sollte mit dem Bus zu seiner getrennt lebenden Ehefrau Lilo nach Grado fahren und kam dort nie an. Lilo scheint erstaunlich sorglos und hält Lenas Verschwinden für einen Akt pubertätsbedingter Rebellion. Schon zu Schulzeiten konnten Lilo und Rosner sich nicht leiden. Lilo hält Rosner für einen Versager, er sie für ein manipulatives Miststück. Ziemlich unwillig beginnt er nachzuforschen und stößt auf Ungereimtheiten, als Lena dank Handyortung wieder gefunden werden kann. Dennoch kann Rosner das Geschehene nicht abhaken, obwohl er mit dem plötzlichen Auftauchen seiner Ex-Frau, seiner Therapie und der Sehnsucht nach seiner geliebten Alice, die auf Weltreise ist, eigentlich beschäftigt genug sein sollte.
Sehr interessant ist an diesem Krimi, die Erzählperspektive. Stets wird ein wenig distanziert, in der dritten Person geschrieben, aus verschiedenen Blickwinkeln, auch von Randfiguren, über deren Bedeutung man bis relativ vor Schluß man rätselt. Doch ausgerechnet Lilo, die mit ihrem unbeteiligten Verhalten Rosners Aufmerksamkeit erregt, erzählt ihren Part in der ich-Form. Eigentlich könnte man meinen, daß dadurch Nähe entstünde, der Leser sich mit Lilo identifiziere. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Lilos Gedanken sind egozentrisch, nicht nachvollziehbar und abstoßend.
Zudem wird in diesem Buch sehr viel getrunken. Aber es wird nicht verniedlicht, sondern die Alltäglichkeit von Alkoholismus in seinen verschiedenen Vorkommensformen vor Augen geführt. Nein, es sind nicht alles Alkoholiker, aber mir ist bislang nie bewußt gewesen, daß körperliche Alkoholentzugssymptome so lange anhalten können. Auch wenn ich schon x Arztberichte über Entgiftungen gelesen haben, in denen immer wieder beschrieben wird, daß Medikamente (und zwar nicht zu knapp und nicht unbedingt harmlose) gegeben werden, um die Entzugserscheinungen zu dämpfen, war es mir nie bewußt, daß es doch zum Teil ähnlich sein muß, wie beim Entzug von Betäubungsmitteln. Auch die psychischen Tücken mit denen der abstinente Alkoholiker zu kämpfen hat werden eindrucksvoll beschrieben, ohne in diesem recht kurzen Krimi zu viel Raum einzunehmen. Die Autorin schafft es einfach die Dinge auf den Punkt zu bringen, ohne sich in Ausführungen und Beschreibungen zu verheddern. Sie doziert nicht, der Leser muß einfach seine eigenen Schlüsse ziehen. Ich hatte weder das Gefühl, mir würde etwas fehlen, noch das Bedürfnis ausschweifige Ausführungen gerne zu kürzen – einfach schön knackig.
Bis ganz zum Ende bleibt der Leser im Unklaren, was denn nun eigentlich mit Lilo los ist. Man erfährt sehr viel aus ihrer Schulzeit und ihrer recht ungesunden Beziehung zu ihrer „besten“ Freundin und dennoch geht es dem Leser wie Rosner, man kann sich nicht wirklich überwinden sie zu mögen.
Gerade das Ende gefällt mir sehr gut, auch wenn es nicht das klassische Krimiende ist. Es hat für mich eher den Lösungscharakter von Sartre, jeder ist seine und des anderen Hölle, ohne dabei jedoch zu deprimieren. Denn es gibt bei diesem facettenreichen Ende auch sympathische Gewinner.
Da kann ich nur sagen: Viel Spaß beim Lesen! 5 von 5 Sternen.

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