Die Schande der
Lebenden, Mark Billingham, gesprochen von Uve Teschner, GoyaLit
Diese Geschichte
hat zwei Handlungsstränge, die scheinbar nichts miteinander zu tun
haben. Sie beginnt mit einer Frau, die einen Inhaftierten im
Gefängnis trifft und ihn befragt. Angeblich für ihre Doktorarbeit
in Jura. Der Gefangene, der seit 10 Jahren inhaftiert ist, wegen
Todschlages mit einer Eisenstange, schweigt seither beharrlich über
Motiv und Hintergründe der Tat. Er zeigt keine Reue und kann daher
vom Bewährungsausschuß auch keine Milde erwarten.
Der zweite Erzählstrang dreht sich um eine Gruppe Süchtiger, die
sich in einer teilgeschlossenen Gruppe jeden Montagabend im Haus des
Therapeuten Tony de Silva trifft. Als eine Neue, Caroline hinzustößt
verändert sich wieder die Stimmung in der Gruppe. Diese besteht aus
dem Betäubungsmittelabhängigen Südafrikanischen Anästhesisten
Robin, dem heroinabhängigen schwulen Stricher Chris, der ebenfalls
heroinsüchtigen und spielsüchtigen Heather und der wohlhabenden
Alkoholikerin Diana. Die wichtigste Regel: Nichts von dem, das in
ihrer Mitte besprochen wird, darf jemals nach außen dringen. Selbst
als einer von ihnen erpresst wird und eine ermordet, schweigen alle
beharrlich weiter und die ermittelnden Beamten beißen sich die Zähne
aus.
Irgendwie hatte
ich einen Thriller erwartet, dabei ist dies nirgendwo erwähnt. Es
war einfach eine falsche Erwartung. Vordergründig passiert nicht
viel, es wird vor allem geredet. Auch die polizeilichen Ermittlungen
verlaufen ruhig, keine Verfolgungsjagden, keine Schüsse. Die
Geschichte ist ziemlich unblutig und doch baut sich eine unglaubliche
psychologische Spannung auf. Der Blick in die menschlichen Abgründe,
die Offenbarung der Schicksale, welche aus scheinbar normalen
Menschen Süchtige machten, sind faszinierend und abstoßend
zugleich. Robin war ein angesehener, gut verdienender Arzt und
dennoch drückte er sich Anästhetika während seines Dienstes in den
Arm. Diane war mit einem wohlhabenden Mann verheiratet und Heather
ging zur Uni und machte sich dort eigentlich sehr gut. Caroline war
wohl stets unauffällig und Chris treibt mit seiner provokanten Art
alle auf die Palme. Er stößt ab und fasziniert gleichzeitig. Wer
aus diesem Kreis ist ein Mörder? Wer ein Verbrecher? Oder war beides
die gleiche Person. Diese Fragen beschäftigen den Zuhörer
permanent. Die Geschichte fesselt und läßt einen nicht ohne
weiteres wieder los. Die Ermittlungen sind auch eher die Nebensache,
die Polizisten nicht wirklich der Kern des Ganzen. Dreh- und
Angelpunkt ist die Therapiegruppe und das unsichtbare Band, das sie
zusammenschweißt und wieder abstößt. Die Geschichte ist teilweise
echt hart und schwer verdaulich. Aber Vorsicht, wegen der Zeitwechsel
zwischen vor der Tat (Damals) und nach der Tat (Jetzt) muß man schon
sehr genau hinhören.
Uve Teschner
liest unglaublich eindringlich und doch unaufgeregt. Sehr passend für
dieses Kammerspiel des psychischen Grauens. Egal ob der
südafrikanische Arzt oder der kaputte Junkie, er liest sie mit
Charakter. Er ist ein mehrfach ausgezeichneter Sprecher, auch wenn er
mir bislang völlig unbekannt war, aber die Auszeichnungen hat er
verdient.
Der Autor Mark
Billingham, ist einer der erfolgreichsten britischen Krimiautoren und
seine Bücher wurden in zwanzig Sprachen übersetzt. Seine
Detektivfigur Tom Thorne erhielt den Sherlock Award. Ein Autor, dem
ich mich nun wohl mal näher widmen werde.
Wenn ich gewußt
hätte, daß es um die Therapie von Süchtigen ginge, hätte ich mich
für dieses Werk wohl nicht interessiert. Ich mag keine Geschichten
mit Heroin, aber ich hätte was verpasst. Die Geschichte ist
unglaublich faszinierend und interessant. Zu keinem Zeitpunkt wollte
ich abbrechen, selbst als einige wieder rückfällig wurden. Ich
mußte einfach wissen, was dahinter steckte. Ich erfuhr es. Es ist
schlüssig und wenn man am Anfang gut aufgepasst hat, schließt sich
der Kreis. Es ist ein sehr ungewöhnliches Ende, mit dem ich etwas
moralische Probleme habe, die mir Magenschmerzen bereiten, obwohl
genau das so fesselnd ist. Genauer will ich darauf nicht eingehen,
aber als die letzte CD endete dachte ich: Wie? Was? Echt jetzt? Als
ich dann wieder CD 1 einlegte, dachte ich, ja das ist eine runde
Sache. Aber dennoch bleiben mir bei den Ermittlern zu viele Fragen
offen und ich bezweifle, daß es ein Reihenstart sein soll. Nun werde
ich die offenen Fragen aus dem Privatleben der Ermittler wohl nie
erfahren, es sei denn diese sind den Kürzungen geschuldet, was ich
aber bezweifle. Daher kann ich diesem toll gelesenen, wirklich
fesselnden Stück, denn es ist so kammerspielartig, daß es an ein
Theaterstück erinnert, leider nur gute 4 Sterne geben, aber es
dennoch total empfehlen, weil es wirklich umhaut!
Zu guter Letzt
möchte ich dem Verlag für den Gewinn für dieses tolle signierte
Exemplar bei der Adventsverlosung danke. Ich bin sehr froh, daß ich
nicht genau wußte, was mich erwartete, denn die Überraschung des
Unerwarteten ist voll aufgegangen. Vielen Dank!
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