Schneetänzer, Antje Babendererde, gesprochen von Aleksandar
Radenkovic, Carla Swiderski, Goya Libre, 5 CDs 405 Minuten, gekürzt
Jacob ist 18 und steht mitten im Abitur. Danach möchte er Musik
und Englisch studieren. Er lebt mit seiner Mutter und seinem jüngeren
Halbbruder beim Stiefvater einem Schweinemäster. Mit diesem versteht Jacob
überhaupt nicht. Er lehnt ihn und seine Methoden so sehr ab, dass er Vegetarier
wurde. Im Streit wirft dieser ihm an den Kopf, dass sein Vater ein versoffener
Indianer sei, der ihn fast umgebracht habe. Von der einst besten Freundin
seiner Mutter erfährt er mehr und bricht in den Osterferien Hals über Kopf von
seinen letzten Ersparnissen in den Norden Kanadas auf, um seinen Vater und
seine Wurzeln kennen zu lernen. Doch sein Vater ist nicht in seinem Haus,
sondern in einem einsamen Camp für Jugendliche, die auf die schiefe Bahn
gerieten. Die Fahrt dorthin verläuft nicht wie geplant und so irrt er alleine
durch die verschneite Einsamkeit, bis er auf einen Eisbären trifft, der ihn
schwer verletzt. Zum Glück hat ein Wolfshund die Gefahr gewittert und ein alter
Einsiedler rettet ihn und nimmt ihn auf.
Autorin Antje Babendererde liegt das Schicksal der amerikanischen
Ureinwohner sehr am Herzen und thematisiert es daher nach eingehenden
Recherchereisen in ihren Liebesromanen für Jugendliche. Ich schreibe
Ureinwohner, da ich persönlich sonst immer an den Wilden Westen denke, doch
spielen ihre Romane mal an der mexikanischen Grenze, mal ihm hohen Norden. Die Entwurzelung
und das Fehlende Verständnis für ihre alte Kultur durch die Siedler verbindet
alle diese naturnahen Stämme, die von der Jagd und somit von Fleisch leben. Es
ist aber gerade keine Massentierhaltung, keine Tierquälerei, sondern eine
wichtige Energie und Nahrungsquelle in bisweilen sehr unwirtlichen Gegenden.
Mit diesen Gedanken wird Jacob sehr interessant konfrontiert. Mit dem
respektvollen Umgang mit Tieren, mit der nachhaltigen Jagd, im Gegensatz zur
qualvollen Massentierhaltung. Der Gedanke, dass Luxus sein könnte, auf Fleisch
zu verzichten, ist Jacob völlig fremd. Ebenso wie der Gedanke Eichhörnchen oder
Bisamratteneintopf zu essen. Diesen respektvollen Einblick in diese wenig
bekannte Kultur und ihre Probleme in den an den Rand gedrängten Reservaten fand
ich sehr interessant. Natürlich werden auch die bekannten Probleme wie Alkohol
und Drogen, die Herablassung der Weißen thematisiert, sonst wäre das Portrait
auch nicht gründlich.
Erzählt wird dieser Überlebenskampf in der Wildnis und Kampf mit
der eigenen Identität meistens aus Jacobs Sicht, der hier hoch im Norden Dinge
über sich und seine Familie erfährt, die ihm aufgrund eines unfallbedingten
Gedächtnisverlusts, entfallen waren. Er staunt und wundert sich, was seine
Mutter ihm noch alles verschwiegen hat und sein leiblicher Vater wird ein immer
größeres Rätsel. Ganz wie diese ihm völlig fremde Kultur, von deren Regeln und
Glauben er keine Ahnung hat. Aleksandar Radenkovic liest ihn mit viel Gefühl
mit einer jungen Stimme, die so viel Verletzlichkeit und Unsicherheit
auszudrücken vermag, dass es den Hörer in seinen Bann zieht. Carla Swiderski
übernimmt die Gedanken von Kimi, dem Mädchen, dass ihn in der Wildnis gesund
pflegt und seine Wunden mit Zahnseide näht und dabei Jacobs Gefühlswelt völlig
auf den Kopf stellt. Sowohl Jacob, als auch Kimi sind schwer traumatisiert. Es
verbindet sie aber auch mehr, als ihr Cree-Aussehen. Beide haben schwer unter
der neuen Partnerwahl ihrer Mütter gelitten und einen schwere Unfälle hinter
sich, die sie für das Leben zeichneten. Kimi durch schwere Brandnarben und
Jacob hat die Erinnerung an seine vier ersten Lebensjahre und somit an seine
Herkunft vergessen. Hinzu kommen unerklärliche Krampfanfälle, die an Epilepsie
erinnern, aber wohl seelischen Ursprungs sind. Das Mädchen, das sich in der
Wildnis verkrochen hat, um den Einklang mit sich und der Natur zu finden und
die Dämonen der Vergangenheit hinter sich zu lassen, zieht ihn unwiderstehlich
an. Doch sie spottet über ihn. Ist es ein Schutzmechanismus, um nicht wieder
verletzt zu werden? Sehr behutsam und nachvollziehbar wird auch die
Liebesgeschichte, die scheinbar keine Zukunft hat, erzählt. Die Anziehung
besteht seit dem ersten Blick, aber die Gefühle wachsen, mit dem Kennenlernen,
mit Zögern und Zweifeln und Hindernissen. Welcher 18 Jährige ist denn auch
schon so gefestigt, dass er über jeden Zweifel erhaben ist?
Bei allem Respekt für das Leben in der Natur und die alten
Fertigkeiten, bin ich der Autorin sehr dankbar, daß sie Jacob nicht alles
hinwerfen lässt, sondern ihn sein Abi im Auge behalten lässt. Natürlich ist das
Abi kein Garant für irgendwas, wenn sich die Pläne jedoch erneut ändern, kann
es nützlich sein, einen guten Schulabschluss zu haben und daran zweifelt Jacob
auch nie. Hinwerfen ist für ihn kein Thema, auch wenn die Träume sich ändern,
die Albträume, so wie seine Wünsche. Das empfinde ich als ganz starkes Signal:
beendet, was ihr angefangen habt, sofern es in Euren Möglichkeiten liegt.
Eine schöne und ausgewogene Kombination aus Wünschen, Träumen,
Plänen, Gefühlen und dem Wandeln zwischen Vergangenheit und Zukunft. Denn jede
Zukunft ist auch von der Vergangenheit geprägt. Dabei liegt es in der Hand des
Einzelnen das Beste daraus zu machen.
Ein sehr gelungenes Hörbuch, daß ich sehr gerne weiterempfehle.
Hier findet Ihr die Hörprobe:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen