Bullenbrüder (1) Tote haben keine Freunde, Rath & Rai,
Christoph Maria Herbst, Argon Verlag, 6 CDs 7 h 50 Minuten ungekürzt
Holger Brinks ist Anfang/Mitte 40 und Kriminalhauptkommissar bei
der Mordkommission. Ihm wurde mittlerweile eine jüngere Chefin vor die Nase
gesetzt, nicht weil sie so gut ist, sondern weil Frauen im Staatsdienst
gefördert werden müssen. Seine Ehe mit Journalistin Sandra (42) durchläuft
gerade eine schwierige Phase. Sohn Lukas (gerade 15) ist kaum zu Hause und
nicht sehr gesprächig, Tochter Ellen macht gerade ein Auslandsjahr. Da taucht
plötzlich sein Bruder Charlie auf, der als Privatdetektiv nach Amerika gegangen war, nachdem er mal kurz was
mit Sandra hatte, vor und nach deren Heirat mit Holger. Charlie hat es nicht so
mit Bindungen und genießt lieber das Leben, weshalb ihm Holger 20 Jahre lang
monatlich 600,- € für seinen Anteil am Elternhaus überwies. Pardon, Sandra
sieht dies etwas anders, denn wenn sie Holger nicht den Rücken freigehalten hätte,
hätte er auch nicht die monatliche Rate für ihr Haus, nicht sein Haus, zahlen
können... Nun denn, Charlie ist schon länger wieder in der Stadt, aber gerade
von seiner letzten Flamme vor die Tür gesetzt worden und braucht nun dringend ein Dach über dem Kopf.
Auf gar keinen Fall meint Holger, doch irgendwie landet Charlie im Gartenhaus
auf einer Luftmatratze und zu dem aktuellen Mordfall im Berliner
Rotlicht-/Drogen-/Bordellmilieu hat er so seine ganz eigenen Ideen. Im
Fahrstuhl der exklusiven Privatetage eines heruntergekommenen Luxushotels liegt
der engste Vertraute des greisen Berliner Unterwelt-Ex-Bosses, neben ihm ein
Aktenkoffer voller Koks. Charlie kennt die Kreise besser, als Holger ahnt.
Ein humorvoller Krimi, der seine Pointen zumeist der angespannten
Lage der ungleichen Brüder verdankt, die sich aber ermittlungstechnisch
erstaunlich gut ergänzen. Oh Mann, ich kann den biederen Beamten verstehen!
Solch ein Bruder würde mich auch wahnsinnig machen! Es muss ihn aber auch noch
dazu wurmen, dass dieser verantwortungslose Chaot dann auch noch solch einen
Schlag bei den Frauen hat. Wie macht er das bloß? Doch diesmal trifft Charlie
auf eine Frau, die ihm den Verstand und den Atem raubt. Dummerweise ist sie
nicht ganz ohne, denn sie ist eine Edelprostituierte und Kunststudentin.
Ausgerechnet der Sohn des invaliden Gangsterbosses engagiert Charlie, die
schöne Nikita nicht aus den Augen zu lassen, als ob er das freiwillig tun
würde? Holgers Gedanken an die Frauen in seinem Leben sind da nicht ganz so rosig,
aber immerhin hat er ein Dach über dem Kopf, ein Badezimmer ohne Zuschauer und
einen wohl sortierten Weinkeller, auch wenn dieser im Lauf der Ermittlungen
deutlich zusammenschrumpfen wird. Ja, hier wird getrunken, gekokst und geh...
das gibt dieser Geschichte einen gewissen 70er-Jahre Touch, gepaart mit
Charlies Autovorlieben. Das mag auch an der Einrichtung der Etablissements
liegen, die schon bessere Zeiten gesehen haben, doch Sandras Vor- und Einwürfe
sind absolut zeitgemäß. Irgendwie gefallen mir diese Zeitparadoxen. Eigentlich
ist es ja so gar nicht meine Welt, aber irgendwann mochte auch ich Charlie, der
hervorragend zu Starsky and Hutch gepasst hätte. Mit seinem nervtötend sonnigen
Gemüt schafft er es aber, seinem im alltäglichen Trott gefangenen Bruder Beine
zu machen und über sich und sein Leben nachzudenken. Eine Tätigkeit die Charlie
selbst zumeist erfolgreich ignoriert. Die beiden Brüder sind wie Feuer und
Wasser und geben somit der Story ihren Esprit, ihren Schwung und auch ihren
Titel. Wobei ich sagen muss, dass ich diesen Fall für einen humorvollen Krimi
erstaunlich kniffelig und spannend finde. Bisweilen geht die Tätersuche in den
Querelen etwas unter, wird jedoch nie ganz vergessen. Der Fall ist in sich
abgeschlossen und wird auch in sich schlüssig gelöst, wobei es mich auch
wirklich überrascht hat, es ist nicht so eine 08/15 Lösung. Die privaten
Zwistigkeiten schwelen weiter, ein Garant für Fortsetzungen (zwei gibt es ja
auch schon).
Christoph Maria Herbst als Sprecher ist wieder unnachahmlich. Wie
Sandra und Holger bei jedem Wort des anderen sich an die Gurgel zu gehen
scheinen oder sich böse anschweigen, da hat man das Gefühl, er kennt das, hat
es alles schon mal selbst gehört...aber so geht es einem ja auch mit dem
Brüderzwist, dem senilen Unterweltkönig, seinem leicht debilen Kronprinzen, dem
servilen Jungkommissar, der lustgeneigten Nachwuchskommissarin... Das kann er
doch noch nicht alles selbst erlebt haben?! Na ja, vielleicht in seiner
Fantasie, wobei ich ihm selbst dort einige der Telefonate gerne ersparen würde
;) Völlig bravourös und knurztrocken bringt er selbst die peinlichsten
Situationen zu Gehör. Da kann man dann auch als Zuhörer nicht ernst bleiben. Er
ist einfach ein Garant für Hörvergnügen.
Auf jeden Fall werde ich die Reihe weiter hören!
Vielen lieben Dank an den Argon Verlag für dieses kurzweilig,
lässig, knurztrockene Rezensionsexemplar!
Hier findet Ihr die Hörprobe:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen