Vielleicht – Eine Geschichte über die
unendlich vielen Begabungen in jedem von uns, Kobi Yamada, Illustration
Gabriella Barouch, Adrian Verlag
Zu Beginn des Buches sieht man ein
Mädchen, das die Hände aneinander gelegt hat, so dass sie eine Mulde bilden und
ein Miniaturgebirge mit Wildvögeln darin betrachtet. Die Frage wird
aufgeworfen, ob man sich schon mal gefragt hat, warum man hier sei? Dabei wird
die Leserschaft direkt in der Du-Form angesprochen und angeregt, sich eigene
Gedanken auf diese Frage zu machen. Es folgen auf den nächsten rund 40 Seiten
Gedanken und Anregungen zu dieser elementaren Frage.
Ich finde die Antworten auf die Frage
nach dem Sinn des Seins für Kinder bisweilen zu abstrakt und für mich klingen
sie auch sehr nach ehrgeizigen Zielen. Ich hätte mich sehr über Aussagen wie
„weil Du mit Deinem Lächeln, die Welt ein wenig schöner machen kannst“ oder so
gefreut. Die Begabungen sind ja sehr unterschiedlich verteilt. Einige Menschen
können die Welt einfach mit einer besonders freundlichen Art und ihrem
liebevollen Wesen bereichern, andere machen große Entdeckungen. So ausgedrückt
können auch kleine Kinder es verstehen. Wenn hier „Vielleicht bist du hier, um
Licht an Orte zu bringen, die viel zu lange dunkel waren“ steht, ist dies für
die offizielle Zielgruppe ab 5 Jahren, nicht klar. Anders jedoch bei der
Aussage „Oder vielleicht wirst du Menschen mit deiner Begeisterung mitreißen?“.
Wobei ich nicht weiß, ob 5 Jährige unbedingt den Begriff Begeisterung immer
kennen. Es empfiehlt sich auf jeden Fall dieses Buch gemeinsam mit Kindern zu
lesen und genau auf diese zu achten und vielleicht auch mal nachzufragen ob
alle Begriffe verständlich sind. Am ärgerlichsten finde ich allerdings bei
einem hinreißenden Bild die meiner Meinung nach fehlerhafte Übersetzung
„Vielleicht wirst du einmal etwas erfinden, das noch niemand zuvor gesehen
hat?“. Dieser Satz müsste meines Erachtens entweder „Vielleicht wirst du einmal
etwas finden, das noch niemand zuvor gesehen hat?“ oder „Vielleicht wirst du
einmal etwas erfinden, das noch niemand zuvor erfunden hat“ heißen, aber so ist
der Satz sprachlich unlogisch. Es sind viele schöne Gedanken, aber genau dieses
Beispiel zeigt auch, dass es sich an eine sehr spezielle Zielgruppe richtet:
Gebildete Eltern mit hohen Erwartungen an die Besonderheit ihrer Kinder, die
diese fördern und erwarten, dass etwas ganz Besonderes dabei zu Tage treten
wird. Es warnt auch davor, dass man manchmal das Gefühl hat zu scheitern (auch
ein Begriff, der für kleine Kinder zu abstrakt ist) und man dann aufstehen und
weiter machen muss. Eigentlich ein wertvoller Gedanke, dennoch habe ich stets
das Gefühl von elterlichem Erwartungsdruck nicht abschütteln können. Das ist
aber einfach ein subjektives Gefühl meinerseits beim Lesen, unbestimmt,
vielleicht, weil einige recht anspruchsvolle Begrifflichkeiten, in dieser für
Kinder wirklich zauberhaften und magischen Illustration mit eingebunden sind.
Die Illustrationen von Gabriella
Barouch sind zauberhaft und laden zum Verweilen und Betrachten ein. Viele
liebevolle kleine Details gibt es zu entdecken. Besonders liebte meine Tochter
das kleine Schweinchen, das als treuer Begleiter des Kindes auf fast jedem Bild
zu sehen ist und wie das Kind vor riesigen Fliegenpilzen steht und die weißen
Flecken entfernt. Da musste sie kichern über die Idee, diese derart zu
entgiften. Allerdings wunderte sie sich ebenso wie ich über die seltsame
Kopfbedeckung aus Blättern und mit Vogelschnabel. Diese Frage beschäftigte sie
sehr intensiv und lenkte sie wie mich, sehr vom eigentlichen Thema des Buches
ab: „Mama, ich glaube die Zeichnerin kann keine Menschenhaare zeichnen, sondern
nur Tierfelle und hat dem Kind deshalb die Kappe aufgesetzt“. So ganz hat es
mich nicht überzeugt und beschäftigt mich noch immer. Ich finde es schade, das
solch eine unerklärliche Frage den Fokus verschiebt und den Zauber des Buches
herabdimmt. Einige der Illustrationen haben etwas magisches an sich, wie z.B.
das Mädchen durch eine Treppe mit seinem Schwein im Inneren eines Buches
verschwindet.
Eine kindgerechtere Sprache hätte ich
mir für diese wirklich unglaublichen Bilder und kurzen Texte gewünscht, dann
hätten nicht nur die Farben und Illustrationen mein Kind verzaubert, sondern
auch der Text. Dabei ist meine Tochter immerhin schon 10 Jahre alt und kennt
Begriffe wie „scheitern“ „bedeutsam“ und „Begabung“. Es ist wirklich sehr
schön, richtet sich für mich aber nicht an jedes Kind, sondern an Kinder des
Bildungsbürgertums. Wobei ich hier das Gefühl habe, dass vermittelt wird, Du
bist begabt, zeig uns was Du kannst, - scheitern gilt nicht, mach weiter. Ich
spüre Erwartungsdruck und eben nicht nur die Ermutigung, man selbst zu sein.
Ein wunderschönes Buch, auf das meine
Tochter sich sofort gestürzt hat und sofort auch gelesen hat. Dessen Aussagen
sie jedoch auch etwas zwiegespalten zurückließen.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim
Adrian Verlag und buchcontact für dieses herrlich illustrierte Bilderbuch.
Das Buch habe ich auch und mir gefällt deien rezension sehr. Auch mir sind manche der Sätze als unlogisch für ein Kind vorgekommen. Ich habe es mit meiner 6jährigen Enkelin gelesen und ihr manche Begriffe erklärt die mir zu schwer für sie vorkamen. Bei manchen hat sie mich auch direkt gefragt. Dennoch ist sie begeistert von den Illustrationen, hat diese mit eigenen Worten beschrieben, sich Gedanken gemacht und einige Sätze anders gestaltet.
AntwortenLöschenDas Buch möchte ich meiner Patenschaftsgruppe vorstellen (5 bis 6 jährige in der Kita), ich bin gespannt wie sie es dann im gemeinsamen Gespräch betrachten und welche Fragen da kommen. (Meine Enkelin ist immer vorab die Testerin).
Da bin ich auch sehr gespannt. Die Illustrationen sind der Hammer. Der Text im Original würde mich auch mal interessieren. Hat Deine Enkelin sich eigentlich auch Gedanken zu der Kopfbedeckung gemacht?
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