Familie Flickenteppich (1) Wir ziehen ein, Stefanie Taschinski, Ill.
Anne-Katrhin Behl, Oetinger Verlag
Emma (8 ¾, 3. Klasse), Ben (10, 4. Klasse), Jojo (4,5 Jahre, Kindergarten)
und Papa und bester Koch der Welt Olly Engl müssen umziehen. Nachdem Mama
beschlossen hat mit ihrem neuen Freund in Australien auf Tour zu gehen und sich
ihren Lebenstraum zu erfüllen, ist ihr Haus zu groß und teuer. Nun rücken sie
enger zusammen und ziehen in eine der Wohnungen im Haus Nr. 11. Als Emma das
Abendessen zubereiten will, fallen ihr die Eier für die Pfannkuchen herunter
und was anderes fürs Abendbroten haben sie noch nicht. So lernt Emma fast alle
Nachbarn und ihre Besonderheiten kennen und vor allem die Zwillinge Aylin und
Tarek, die so alt sind wie sie und in der Wohnung gegenüber mit ihrer Mutter
Selda wohnen. Außerdem lebt die liebe, alte Frau Becker unterm Dach, ebenso wie
Stella und Doris mit ihren Tieren. Im Erdgeschoss bei den Wohnungen mit den
Gärten ist es anders. In der einen wohnen Erbsenzähler, die sich zum Glück als
die Großeltern von Bens neuem Klassenkameraden Freddy herausstellen und der
geheimnisvolle Graf, den nie jemand zu Gesicht bekommt. Freddys Großeltern
meinen sogar, er sei untergetaucht. Doch warum steht dann ein blitzsauberes
Fahrrad in seinem Kellerverschlag und die Gardinen bewegen sich? Das müssen die
Kinder aus der Nr. 11 ergründen!
Nur weil Kinder das gleiche Alter haben, müssen sie sich nicht automatisch
verstehen. Zum Glück stimmt in der Nummer 11 die Chemie unter den Kindern!
Welch eine Erleichterung, als Emma und Ben bei ihrer Tour durchs Haus, als sie
bei Selda, Aylin und Tarek klingeln.. Zuvor waren sie bei den Erbsenzählern,
die doch eher einschüchternd waren! Wie es im Leben ist, ist jeder Jeck anders,
man muß ihn nur zu nehmen wissen. So wächst auch die Hausgemeinschaft, dank der
quirligen Kinder und ihren vielen Ideen schnell zusammen. Dabei haben die
Kinder viele moderne Probleme, auf die Stefanie Taschinski sehr sensibel und
einfühlsam eingeht. Da kann man leicht schon einmal eine Mücke in die Augen
bekommen. Die berufstätigen Eltern haben wenig Zeit für die Kinder und lösen
dieses Problem auf unterschiedliche Weise. Der etwas wilde Freddy ist ständig
bei seinen strengen Großeltern, die für Zucht und Ordnung sorgen, während Emma,
Ben und Jojo lernen müssen selbstständig zu werden und auf einander
aufzupassen, während ihr Vater sein Restaurant leitet. Selda hat da mehr Zeit,
kann sie aber nicht immer für die Kinder nutzen, weil die Traurigkeit über den Unfalltod
ihres Mannes sie lähmt. Auch hier müssen die Kinder immer wieder Verantwortung
übernehmen. Meine Tochter (10) war doch recht erstaunt, wieviel diese
Grundschüler schon alles selbst auf die Reihe bekommen müssen, da wird auch bei
den Hausaufgaben schon mal geschludert, sehr zum Missfallen von Freddys
Großeltern.Im direkten Vergleich merken Kinder, daß beide Betreuungsvarianten
seine Vor- und Nachteile haben. Die Freiheit des fröhlichen Spielens am
Nachmittag, hat als Kehrseite, daß die Kinder sich auch öfters selbstständig
ins Bett bringen müssen, was gerade die Jüngste nicht gut schafft. Die Kinder
sind dennoch sehr fröhlich und offen und machen das Beste aus ihrer Situation,
auch wenn sie dafür schon mal komisch angeguckt werden. Aber ihr Zusammenhalt
wächst dadurch umso mehr, ebenso wie durch ihre großen und kleineren
Geheimnisse und ihre Aktionen Mädchen gegen Jungs. Bei diesen müssen sie oft
genug feststellen, daß es gemeinsam besser klappt, als gegeneinander. Der
Schreibstil ist sehr flüssig und kindgerecht. Geschildert werden die Erlebnisse
aus Emmas Sicht, aus der Ich-Perspektive. Man hat das Gefühl ganz in Emmas
Gedanken hineinkriechen zu können. Das spricht natürlich Mädchen mehr an als
Jungs ab 8 Jahren, für die diese turbolent-tolerante Familiengeschichte dennoch
auch abenteuerlich-unterhaltsam ist. Die farbigen Illustrationen lockern den
Text fröhlich auf. Aufgrund der Zielgruppe ab 8 Jahren, ist die Schrift noch
größer, aber von den Kapitellängen und der Textmenge her richtet es sich eindeutig
an Leser und nicht Lesemuffel. Allerdings ist es auch sehr gut zum Vorlesen
geeignet, auch für jüngere Kinder, sofern sie sich auf längere Texte ohne
Bilder konzentrieren können.
Das Geheimnis des Grafen hat mich nicht ganz überzeugt, dafür hätte ich bei
einem Erwachsenenbuch einen Stern abgezogen. Meine Tochter fand es jedoch
einleuchtend und aus Kindersicht ist es plausibel. Das ist es, was für mich
zählt, fast so sehr, wie sein gutes Herz.
Meiner Tochter hat dieses Buch sehr gut gefallen. Als ich sie fragte, was
ihr am Besten gefallen habe: Das Freddys Großeltern letztendlich doch lieb
sind, da ist mir ein Stein für ihn vom Herzen gefallen.
Einfühlsam und unterhaltsam, so sollen Familiengeschichten sein!
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Oetinger Verlag und Lovelybooks für
diese Leserunde.
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