Lost in Fuseta (3) Weiße Fracht, Ein Portugal Krimi, Gil Ribeiro, Andreas
Pietschmann, Argon Verlag
Das Austauschjahr des Hamburger Kriminalkommissars Leander Lost neigt sich
dem Ende zu. Als Asperger Autist hat er sich nach Startschwierigkeiten
erstaunlich gut eingelebt und entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten hat er
seine Rückkehr noch nicht bis ins letzte Detail geplant. Völlig untypisch für
ihn, macht sich Hoffnung auf eine Verlängerung seines Aufenthalts an der
Algarve in ihm breit. Währenddessen hat der Mittelmeerraum und eigentlich ganz
Europa kein Kokain mehr, nach einer erfolgreichen Beschlagnahmung einer
Großlieferung. Mit dem Kopf voller Gefühlschaos begibt er sich an den Tatort
bei einem anderen Hamburger Auswanderer, einem Schreiner. Auffällige Symbole
wie eine weiße Feder, mit Wachs beschmiert, im Auge des Toten, scheinen auf
eine lang zurückliegende Mordserie in Spanien hinzudeuten. Doch Leanders kühler
Kopf und sein Blick fürs Detail lassen ihn, sehr zum Ärger eines seiner
Kollegen, nicht auf diese Spur festlegen. Als ein weiterer Mord geschieht, der
von diesem Tathergang völlig abweicht, stehen die Ermittler vor einem Rätsel,
aber Leander Lost vergisst ja nie und hat den Blick fürs Detail.
Ein Asperger Autist mit Gefühlen, das irritiert wohl niemanden so sehr, wie
Leander selbst, der nun emotional völlig überfordert und verunsichert ist.
Immerhin sein Schützling Sarah, weiß was sie will, das hilft ihm ein wenig, in
seinem Alltag, ebenso wie seine Angewohnheit mehrmals täglich ertrinkende
Insekten aus seinem Pool zu retten, um das Ökosystem im Gleichgewicht zu halten
durch deren Bestäubung der Blüten. Bei aller Detailverliebtheit verliert er
doch nie den Blick für das große Ganze und knüpft bisweilen Verbindungen, auf
die sonst niemand so käme. Parallelen und Verbindungen im Alltagsleben zu
knüpfen fällt ihm nicht so leicht. Gelingt es ihm doch verblüffen ihn seine
Erkenntnisse selbst bisweilen am meisten. Ich mag seine Erkenntnisse und wie er
zu diesen gelangt. Mal sind sie charmant, mal verblüffend oder irritierend. Bei
Leander Lost muss man einfach mit allem rechnen. Seine portugiesischen Kollegen
und Freunde Graziana und Carlos, wissen ihn zu nehmen und zu schätzen, dank
Grazianas jüngerer Schwester Soraya, die als Sozialpädagogin Leanders
Besonderheit erkannt, und ihrer Schwester und Carlos erklärt hat. Er kann nicht
lügen, er kann nichts vergessen und er kann keine Gefühle erkennen. Aber
Leander ist wissbegierig und mithilfe von Sachbüchern eignet er sich das
skurrilste Wissen an, aber auch nützliches so z.B. wie man Mikroausdrücke im
Gesicht erkennt, was ihn zum wandelnden Lügendetektor macht.
Dieser Fall ist diesmal nicht sozialkritisch, hier geht aufgrund der
erweiterten Ermittlerkonstellation um die Kritik an der Gesellschaft, daran wie
diese mit Menschen umgeht, die anders sind. Es geht um Werte wie Liebe,
Freundschaft und Familie. Das ist wunderbar eingewoben in knifflige
Ermittlungen, die diesmal ganz persönlich werden. Als Portugalkrimi nimmt Gil
Ribeiro (Künstlername) den Hörer mit in das Land, das er lieben gelernt hat.
Als Deutscher hat er natürlich einen anderen Blick auf das Land und sieht es
aus unserer Sicht, seine Schönheit und seine kulinarischen Besonderheiten. Denn
in Portugal wird gekocht, mit Leidenschaft und das nicht nur von Grazianas
Mutter (im Gegensatz zu vielen amerikanischen Büchern, in denen sich
ausschließlich von Take away ernährt wird). Es wird die Liebe zum Leben und zum
Alltag zelebriert, der Urlaub, der jederzeit auch zu Hause in den kleinen
Dingen liegen und entspannen kann.
Mir gefallen seine Charaktere und seine Entwicklung, na ja, es entwickeln
sich nicht alle, die evolutionäre Stagnation des gebürtigen Spanier
Subinspector Miguel Duarte empfinde ich als eine Art running gag ähnlich des
Kommissars Overbeck bei Wilsberg. Ohne ihn, würde einfach etwas fehlen!
Auch wenn ich die Stärke dieser Reihe eindeutig in den unterschiedlichen
Persönlichkeiten und der Ausgangssituation sehe, ist dieser Fall wirklich
kniffelig und wieder sehr komplex, und stellenweise sehr spannend. Da bedarf es
schon eines Leander Lost, die Dinge in Verbindung zu bringen, und einer
Graziana und eines Carlos, um ihn vor sich selbst zu retten, naja und einige
Menschen, die ihnen wirklich am Herzen liegen.
Andreas Pietschmann trifft den Ton genau. Wohl angeblich nicht
aussprachetechnisch, aber für mich klingt es überzeugend, ich bin bislang an
der portugiesischen Aussprache auch gescheitert. Mit seiner angenehm
wandelbaren Stimme schafft er sowohl die Schroffheit des
testosterongeschwängerten Lebemannes Carlos, als auch des bisweilen kindlich
naiven und dann wieder klar rationalen Leander Lost. Bei den weiblichen Rollen
hält er sich zurück, sie werden weicher, aber ohne zu übertreiben
interpretiert. Für mich die ideale Besetzung! Aus diesem Grund ziehe ich bei
dieser Reihe das Hörbuch dem Buch jederzeit vor.
Ein wunderbarer Krimigenuss, von dem ich nicht genug bekommen kann. 5 von 5
Sternen.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Argon Verlag für dieses absolute
Wunschhörbuch.
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