Finns Fantastische Freunde (1) Trollangriff und Einhornschinken, Rüdiger
Bertram, Illustration Ute Krause, Rowohlt rotfuchs
Finn (10) ist ein Sachensucher, aber eigentlich eher ein Finder und
Behalter! Während einer seiner „Schatzsuchen“ im Park fällt ein zankendes Fass
vom Himmel und Finn wehrt es mit einem rostigen Schälmesser ab, wodurch es in
den Teich rollt und dort in Flammen steht. Heraus steigen ein merkwürdiger
alter Mann, in einem pinken Pelzmantel mit Zauberhut und ein sprechender
Chamäleon-Drache namens Attila. Lange hören Attila und Zauberer Zackarius nicht
auf zu streiten, denn sie wurden von der fiesen Infamia aus ihrem Land ohne
Namen verbannt und fühlen sich nun von hinterhältigen Trollen verfolgt. Klingt
ziemlich verrückt und Finn fühlt sich leicht überfordert. Daher versteckt er
die zwei besser mal in seinem Gartenschuppen, zwischen all seinen Fundstücken.
Da Finn mit seinem Hobby aber nicht allein ist, kommt ihnen Finns Erzrivalin
Marie-Lou ziemlich schnell auf die Schliche und klinkt sich in dieses
wahnwitzige Abenteuer mit ein. Denn die Trollgefahr entpuppt sich als real und
auch ein wichtigtuerischer Professor wittert seine Chance auf schnellen Ruhm.
Auch wenn Attila und Zackarius recht anstrengend sind, haben sie das nicht
verdient und Finn und Marie-Lu verbünden sich für die Freiheit der Gefundenen!
Ein irrer Plot mit noch irrwitzigeren Ideen, einem toughen Mädel und einem
liebenswürdig, eigenwilligen Helden. Eine Geschichte, bei der man nicht den
Eindruck hat, daß man sie schon mal gelesen hat, nur etwas abgewandelt. Es ist
wirklich originell, und stellt auch einige Klischees auf den Kopf, die es
natürlich verdient haben! Damit meine ich nicht nur den Einhornschinken,
sondern auch Rollenverständnisse. Finn darf Angst haben, während Marie-Lu zur
Tat schreitet. Finns Mutter ist die ständig arbeitende, gut verdienende
Anwältin, während sein Vater im Keller vor sich hinbastelt und Brote schmiert
(obwohl er eigentlich auch mehr könnte). Es hat mich in der letzten Zeit oft
genervt, wenn ich in Kinderbüchern las, daß der Vater Arzt und die Mutter
Arzthelferin ist. Ich mag es, wenn diese Strukturen aufgebrochen werden, ohne
daß gleich alle Kinder gleichgeschlechtliche Eltern haben (das war mal eine
Zeit lang so verbreitet, dass mir das auch zu viel wurde). Sehr gut hat mir gefallen, daß Finn, trotz
der erfolgreichen Mutter, so exzentrisch/eigenbrötlerisch sein darf wie er
will. Seine Eltern lieben und akzeptieren ihn, wie er ist, ohne daß es ihnen
gleichgültig ist was er macht oder sie nicht auf ihn achten. Sie vertrauen ihm
einfach, ohne ihn verbiegen zu wollen. Seine Mitschüler sind leider nicht so
verständnisvoll.
Auf sehr lustige Weise verarbeitet Rüdiger Bertram aktuelle
Modeerscheinungen, wie z.B. allgegenwärtige Einhörner oder pinke Flamingos, mit
einem Augenzwinkern, daß auch Kinder verstehen. Anderseits bringt er Kindern
aber auch mittels des schrulligen Zauberers den Wert des Lesens nahe! In seiner
Welt, kann man nicht lesen, es ist alles verschlüsselt. Das Glück, Lesen zu
lernen und es zu dürfen, ist nicht allen Kindern bewußt, gerade nicht in Zeiten
der Digitalisierung, wo es für fast alles sicherlich auch eine audio-Datei
gibt. Aber auch um die Suchmaschine zu bedienen, muß man Lesen und Schreiben
können. Während dieser abenteuerlichen Flucht werden auch ganz viele weitere
Themen aus dem Schulalltag angesprochen, wie Mobbing, stinkende Umkleiden,
sanierungsbedürftige Schulgebäude und fehlende Hausmeister. Kurzweilig
verknüpft mit flotten Sprüchen und skurrilen Situationen. Dabei bringen die
schwarz-weiß Zeichnungen von Ute Krause (ja, genau, die Autorin) mit wenigen
Strichen die Situationen auf den Punkt bzw. auf den Chamäleon-Drachen.
Meine Tochter (9) fand es sehr lustig und spannend. Sowohl die Sprüche und
kreativen Flüche der zwei Findlinge, die einander richtig gerne haben (wie
Geschwister), als auch die zwei eigenwilligen Sachensucher, die zu einem echten
Team zusammenwachsen. Die Schriftgröße fand sie entspannt und auch die Wortwahl
bereitete ihr keine Schwierigkeiten.Wir sind schon sehr gespannt, wie es mit
diesen vier ungleichen Freunden weitergeht im 2. Band.
Rüdiger Bertram verbindet diesmal Themen, die ihm auf den Nägeln brennen,
mit skurrilem Witz, Abenteuer und nicht alltäglichen Helden. Diese haben ein
hohes Identifikationspotenzial für Jungen, Mädchen und Drachen ab 8 Jahren.
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