Freitag, 17. Mai 2019

Emilia und der Junge aus dem Meer, gelesen von Sascha Icks, DAV



Emilia und der Junge aus dem Meer, gelesen von Sascha Icks, DAV

Dieses Hörbuch beginnt mit einem Zitat aus Andersons kleiner Meerjungfrau und Berthold Brechts Drei-Groschen-Oper, das ist durchaus berechtigt, da inhaltliche Ähnlichkeiten sicherlich auch bewußt in Kauf genommen wurden.

Emilia ist 10 Jahre alt und die Tochter des Leuchtturmwächters. Nachdem sie gerade 2 Wochen lang zur Schule ging, wurde sie wieder herausgenommen, da ihre Mutter schwer erkrankte und sie sie pflegen sollte. Nach ihrem Tod, musste sie sich um ihren Vater kümmern. Der ertränkte seinen Kummer über den Verlust seiner Frau und seines Unterschenkels (über diesen Vorfall schweigt er sich aus) in Schnaps. So ist Geld stets knapp und Nahrung auch. Als ein Sturm aufzieht, stellt Emilia fest, daß sie keine Streichhölzer mehr haben. Sie zieht trotz des Unwetters los, doch die Hölzer werden ins Meer geweht und ein Unglück geschieht. Da der Leuchtturmwächter seiner Aufgabe nicht nachkam, muß er für den Schaden aufkommen. Er wird für 7 Jahren im Turm eingesperrt und Emilia muß im Gruselhaus des schwarzen Admirals arbeiten, als Dienstmädchen. Das Haus ist herunter gekommen. Genau zu ihrer Ankunft wird der langjährige Diener Josef zu Grabe getragen und fast alle Dienstboten verlassen fluchtartig das Haus. Denn Josef versorgte seit Jahren das Monster im Turmzimmer. Nun traut sich niemand mehr in dieses Zimmer, nur Emilia, die die Sehnsucht nach dem Leuchtturm in das höchste Zimmer des Hauses zieht. Was sie dort entdeckt, verändert ihr Leben, ihres und das aller Mitglieder des Haushalts.

Die Geschichte beginnt über eine lange Zeit skandinavisch traurig melancholisch. Nur die Stimme von Sascha Icks und die Zusicherung der Bloggerbetreuerin des Verlages, daß es eine wunderschöne Geschichte sei haben mich weiterhören lassen (meine Familie zeigte da mehr Durchhaltevermögen). Geschichten in denen Kinder in großer Armut leben und von den Verantwortlichen rücksichtslos und gemein behandelt werden, sind nicht so mein Fall. Doch nach und nach zog mich diese märchenhafte, merkwürdige, ungewöhnliche Geschichte in ihren Bann. Die Härte und die Kälte, die Emilia, genannt Lämpchen in dem Admiralshaus entgegenschlägt, hat mich schon etwas mitgenommen. Doch nach und nach schafft es das Mädchen mit ihrer Herzensgüte und ihrer Freundlichkeit aus ihren Mitmenschen das Beste heraus zu kitzeln. Immer mehr Menschen, denen sie begegnet lassen sich von ihrer entwaffnenden Art anstecken. Auch das „Monster“ dessen Geheimnis sie nach und nach lüftet und das sie dadurch befreit, vertraut sich ihr an.

Bei dem Titel hatte ich mir etwas völlig anderes vorgestellt. Es ist immerhin ein niederländisches Kinderbuch und die niederländischen Filme auf Kika sind immer echte Mutmacher und spenden Trost. Anfangs spendet niemand Emilia Trost und gerade diese Trostlosigkeit fand ich schwer erträglich. Bei den angekündigten Piraten dachte ich eher an Peter Pan, aber es ist doch eher der eingangs zitierte Anderson der zum Tragen kommt und in eine fantastische Welt voller Abscheu und Liebe entführt. Auch wenn das Cover eher an kleine Kinder denken lässt, ist es für solche nicht geeignet. Bisweilen ist die Geschichte ganz schön gruselig und ab 10 Jahren ist wirklich absolut passend. Die Autorin ist wohl selbst von dem Märchen der kleinen Meerjungfrau fasziniert und der Frage nachgegangen, was wohl so aus einer Meerjungfrau noch hätte werden können, wenn sie nicht das gar zu garstige Ende von Anderson ereilt. Dieses Märchen geht hart aber herzlich aus. Nein, niemand heiratet, aber Freiheit und Wiedersehen sind auch Werte, die keineswegs geringer sind.

Sascha Icks ist absolut faszinierend in ihren sanften gleitenden Übergängen von sanft, über bedrohlich zu verängstigt oder selbstsicher. Ihre Stimme beherrscht die gesamte Klaviatur der Emotionen, aber auch der Charaktere in ihrer Vielschichtigkeit. Auch die russischen siamesischen Zwillinge bekommt sie absolut überzeugend hin, ohne daß es aufgesetzt oder übertrieben klingt. Sie klingt einfach so, wie diese Geschichte klingen muss! Zudem ist ihre Stimme wunderschön warm, weich und wohlklingend. Es ist ein Genuss ihr zuzuhören.

Diese Geschichte ist ganz anders, völlig eigen, einfach unvergleichlich. Die Schönheit von Sascha Icks Vortrag lässt mich fast meine persönlichen Animositäten vergessen, die aber meine persönlichen sind. Meine Große mochte gerade die gruseligen, unheimlichen und spannenden Stellen sehr, während mein Mann vor allem die leisen, sensiblen Stellen mochte.  Die Jüngste fand es geheimnisvoll.

Ein Hörbuch das absolut im Gedächtnis bleibt und aus der Masse heraussticht, sowohl stimmlich, als auch inhaltlich.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim DAV-Verlag für über 7 Stunden ungekürzte Höremotionen.

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