Dienstag, 10. Juli 2018

Wolkenschloss, Kerstin Gier, gelesen von Ilka Teichmüller, Argon Verlag Ungekürzte Lesung



Wolkenschloss, Kerstin Gier, gelesen von Ilka Teichmüller, Argon Verlag Ungekürzte Lesung

Ich mag sehr gerne die Jugendromane von Kerstin Gier, ihre Frauenromane weniger bis gar nicht. Die Resonanz zu diesem Werk fällt etwas zwiespältig aus, was mich sehr neugierig machte. Ist es wirklich so langweilig, wie einige behaupten?

Wolkenschloss ist der liebevoll Name für ein altehrwürdiges Grand Hotel in den Schweizer Bergen. Es ist eine etwas verblichene Schönheit mit Zuckerbäckercharme über der Wolkengrenze, daher der Name, den echten habe ich leider vergessen. Das Hotel hat 35 Zimmer und Suiten und somit noch viel mehr Betten. Entsprechend viel Personal ist erforderlich, um einen erstklassigen Standard für das in den Weihnachtsferien komplett ausgebuchte Hotel zu bieten. Dies ist also ein Roman mit sehr vielen Personen, in einem Hotel, das nicht ganz gewöhnlich ist, sondern durchaus mit ein wenig unerklärlichen Vorkommnissen oder Magie auskommt. Denn eigentlich sind die Leiter des Hotels die Brüder Montfort pleite und müssten das Hotel schließen, oder an einen Investor verkaufen. Der rückgratlose Rudi Montfort kann sich jedoch noch nicht von ihm trennen, weshalb er zur Hochsaison jede Menge unbezahlte Kräfte sprich Praktikanten, seinen Neffen und Hotelfachschüler eingestellt hat. Sein Bruder der rücksichtslose Roman, Vater des jungen gutaussehenden Ben Montfort, schmiedet derweil Pläne mit einem skrupellosen Investor. Mittendrin ist die 17 jährige rotmähnige Fanny Funke aus Achim bei Bremen, die die Schule geschmissen hat und nun ein Jahr lang als unbezahlte Praktikantin arbeiten darf, dank ihrer Erfahrungen mit ihren zwei jüngeren Brüdern. Mit ihrer unerschrockenen aber freundlichen Art überstrahlt sie selbst in Zimmermädchenuniform locker die präsenten Südstaatenschönheiten aus reichem Haus und die vier eingebildeten Hotelfachschülerinnen aus Lausanne. Was sie aber nicht ahnt, während sie sich mit schlafwandlerischer Selbstverständlichkeit zwischen all den Gängen, Gästen und guten Geistern des Hauses zurecht findet, ist daß einige der Gäste übles im Sinn haben, und nicht jeder das ist, was er zu sein vorgibt. Das wird noch zu einigen Komplikationen führen.

Wer eine rasante, fantastische Liebesgeschichte im Stil der Edelstein-Triologie oder dem Buch der Träume erwartet ist hier falsch. Dabei ist Fanny als Heldin nicht weniger liebenswert. Wer aber Geschichten wie „Menschen im Hotel“ von Vicky Baum oder „Hotel“ von Arthur Hailey mag, oder bisweilen einige Agatha Christie Krimis, der wird sich hier wohlfühlen. Denn die Spannung steckt hier eigentlich von Anfang an, in der Konstellation der Menschen und ihrer Besonderheiten, die hier auf einander treffen. Es ist vor allem ein heiterer Gesellschaftsroman mit einer Prise Magie, einem Schuß Abenteuer und ziemlich viel Herz (naja, man könnte auch von Irrungen und Wirrungen in Sache Liebe sprechen). Diese Personen werden mit sehr liebevoll spitz-ironischer Feder beschrieben, doch reihen sich nicht nur Personenbeschreibungen aneinander, sie interagieren zum Glück auch, so daß es niemals langweilig ist. Das geht auch gar nicht, weil hier ein 9 jähriger ein echter Teufelsbraten ist, bei dem man sich stets vor dem fürchtet, was er gerade wieder ausheckt, der aber Fanny auch wertvolle Lektionen in Sachen verbaler Selbstverteidigung bietet. Nun ja, ich war zu Beginn etwas skeptisch, ob ich das Buch nicht doch besser hätte lesen sollen, immerhin bin ich die, die in letzter Zeit häufiger mal kritisiert hat, daß bei einigen Hörbüchern doch besser mal ein Personenverzeichnis mitgeliefert worden wäre. Das gibt es hier tatsächlich und es ist zwar sehr schön gestaltet und sehr witzig von Autorin und Lektorin formuliert, aber der schiere Umfang hat mich schon erblassen lassen und ich fragte mich nur, was ich mir denn diesmal wieder zum Rezensieren ausgesucht habe. Im Anschluss an das humoristische Personenverzeichnis, welches sich in Hotelpersonal und Gäste glieder folgt ein Glossar mit Begriffen, die einigen vor allem der jüngeren Hörern vielleicht nicht bekannt sind. In diesem Teil habe ich aber auch noch was dazu gelernt. Ansonsten hat mich das Booklet in dieser liebevoll gestalteten Hörbuchbox aus Pappe, zwar amüsiert, gebraucht habe ich es allerdings nicht. Die Angst, die sein bloßer Umfang in mir auslöste war unbegründet, denn die Personen werden stets auch charakterisiert und spätestens durch das Gespräch untereinander, ist sofort wieder klar, um wen es sich eigentlich handelt, wobei es mir nie wie lästige oder unnötige Wiederholungen vorkam, sondern einfach sehr angenehm.
Die Geschichte beginnt mit einem Ausblick, einer Szene, in welcher sich Fanny in höchster Not mit einem fremden Kind im Arm versteckt und von einem schönen jungen Mann geküsst wird, von dem sie nicht weiß, ob er einer der Guten oder Bösen ist. Einen Namen hat er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, so daß ich schon ein paar CDs lang gerätselt habe, welcher der anwesenden gutaussehenden Männer Fanny wohl geküsst haben mag und welcher wohl letztendlich ihr Herz erobert. Abgesehen von diesem Einblick zeichnet sich auf den ersten CD's das Abenteuer, das da auf Fanny zukommen wird, bei Weitem nicht ab, es gibt lediglich immer mal wieder kleine Andeutungen. Doch die Schilderung der Interaktion der Charaktere finde ich wirklich unterhaltsam und amüsant, insbesondere so Fragen wie es Fanny wohl gelingen mag, dem rücksichtslosen Roman möglichst wenig aufzufallen oder den arroganten Hotelfachschülerinnen die Stirn zu bieten und gleichzeitig den 9 jähren Teufelsbraten nicht aus den Augen zu lassen. Die spitzfindigen Schilderungen sind das, was mir bei diesem Roman so gut gefallen. Irgendwie schafft es Kerstin Gier nicht in platte Clichées zu verfallen, wobei sich solche bei einem Grand-Hotel wohl kaum vermeiden lassen, sie sind aber eben nicht platt. Hierdurch macht das Hören einfach Spaß, während mich manchmal entsprechende hoch gehandelte Filme nerven, weil ich nur mit den Augen rollen kann, über die bereits überstrapazierten Vorurteile und Clichées. Das mag auch daran liegen, daß Kerstin Gier mit Fanny, trotz des überstürzten Schulabbruchs eine intelligente und findige Heldin gelungen ist.
Ich habe mich auf jeden Fall überhaupt nicht gelangweilt, sondern mich stets gefreut das Hörbuch zum Einschlafen, Aufwachen und bei der Küchenarbeit zu hören. Dabei fand ich Ilka Teichmüllers Stimme sehr angenehm, aber nicht eintönig oder einschläfernd. Sie berichtet die Geschichte vielmehr lebhaft aus Fannys Perspektive in Ich-Form, mit Emotion und Selbstironie. Ihre Stimme klingt dabei jung, frisch und hübsch, denn Fanny muß durchaus eine sehr ungewöhnliche, natürliche Schönheit sein, im Gegensatz zu den texanischen Möchtegern-It-Girls.
Die Autorin ist schon etwas älter als Fanny und hat daher schon die Zeit gehabt mit der Edelstein-Triologie, Silber – Das Buch der Träume und den Mütter-Mafia Romanen große internationale Erfolge zu feiern (die Edelstein-Triologie wurde ja sogar verfilmt, die Mütter-Mafia wenn ich mich recht erinnere auch). Sie lebt mit ihrer Familie und nicht-verbotenen Katzen in der Nähe von Köln.

Auf 8 CDs hat mich dieses Hörbuch über 10 Stunden 10 Minuten lang amüsant, romantisch, etwas magisch und abenteuerlich unterhalten. Ich habe es genossen.

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