Wolkenschloss, Kerstin Gier, gelesen von Ilka Teichmüller, Argon Verlag
Ungekürzte Lesung
Ich mag sehr gerne die Jugendromane von Kerstin Gier, ihre Frauenromane
weniger bis gar nicht. Die Resonanz zu diesem Werk fällt etwas zwiespältig aus,
was mich sehr neugierig machte. Ist es wirklich so langweilig, wie einige
behaupten?
Wolkenschloss ist der liebevoll Name für ein altehrwürdiges Grand Hotel in
den Schweizer Bergen. Es ist eine etwas verblichene Schönheit mit
Zuckerbäckercharme über der Wolkengrenze, daher der Name, den echten habe ich
leider vergessen. Das Hotel hat 35 Zimmer und Suiten und somit noch viel mehr
Betten. Entsprechend viel Personal ist erforderlich, um einen erstklassigen
Standard für das in den Weihnachtsferien komplett ausgebuchte Hotel zu bieten.
Dies ist also ein Roman mit sehr vielen Personen, in einem Hotel, das nicht
ganz gewöhnlich ist, sondern durchaus mit ein wenig unerklärlichen
Vorkommnissen oder Magie auskommt. Denn eigentlich sind die Leiter des Hotels
die Brüder Montfort pleite und müssten das Hotel schließen, oder an einen
Investor verkaufen. Der rückgratlose Rudi Montfort kann sich jedoch noch nicht
von ihm trennen, weshalb er zur Hochsaison jede Menge unbezahlte Kräfte sprich
Praktikanten, seinen Neffen und Hotelfachschüler eingestellt hat. Sein Bruder
der rücksichtslose Roman, Vater des jungen gutaussehenden Ben Montfort,
schmiedet derweil Pläne mit einem skrupellosen Investor. Mittendrin ist die 17
jährige rotmähnige Fanny Funke aus Achim bei Bremen, die die Schule geschmissen
hat und nun ein Jahr lang als unbezahlte Praktikantin arbeiten darf, dank ihrer
Erfahrungen mit ihren zwei jüngeren Brüdern. Mit ihrer unerschrockenen aber
freundlichen Art überstrahlt sie selbst in Zimmermädchenuniform locker die
präsenten Südstaatenschönheiten aus reichem Haus und die vier eingebildeten
Hotelfachschülerinnen aus Lausanne. Was sie aber nicht ahnt, während sie sich
mit schlafwandlerischer Selbstverständlichkeit zwischen all den Gängen, Gästen
und guten Geistern des Hauses zurecht findet, ist daß einige der Gäste übles im
Sinn haben, und nicht jeder das ist, was er zu sein vorgibt. Das wird noch zu
einigen Komplikationen führen.
Wer eine rasante, fantastische Liebesgeschichte im Stil der
Edelstein-Triologie oder dem Buch der Träume erwartet ist hier falsch. Dabei
ist Fanny als Heldin nicht weniger liebenswert. Wer aber Geschichten wie
„Menschen im Hotel“ von Vicky Baum oder „Hotel“ von Arthur Hailey mag, oder
bisweilen einige Agatha Christie Krimis, der wird sich hier wohlfühlen. Denn
die Spannung steckt hier eigentlich von Anfang an, in der Konstellation der
Menschen und ihrer Besonderheiten, die hier auf einander treffen. Es ist vor
allem ein heiterer Gesellschaftsroman mit einer Prise Magie, einem Schuß Abenteuer
und ziemlich viel Herz (naja, man könnte auch von Irrungen und Wirrungen in
Sache Liebe sprechen). Diese Personen werden mit sehr liebevoll
spitz-ironischer Feder beschrieben, doch reihen sich nicht nur
Personenbeschreibungen aneinander, sie interagieren zum Glück auch, so daß es
niemals langweilig ist. Das geht auch gar nicht, weil hier ein 9 jähriger ein
echter Teufelsbraten ist, bei dem man sich stets vor dem fürchtet, was er
gerade wieder ausheckt, der aber Fanny auch wertvolle Lektionen in Sachen verbaler
Selbstverteidigung bietet. Nun ja, ich war zu Beginn etwas skeptisch, ob ich
das Buch nicht doch besser hätte lesen sollen, immerhin bin ich die, die in
letzter Zeit häufiger mal kritisiert hat, daß bei einigen Hörbüchern doch
besser mal ein Personenverzeichnis mitgeliefert worden wäre. Das gibt es hier
tatsächlich und es ist zwar sehr schön gestaltet und sehr witzig von Autorin
und Lektorin formuliert, aber der schiere Umfang hat mich schon erblassen
lassen und ich fragte mich nur, was ich mir denn diesmal wieder zum Rezensieren
ausgesucht habe. Im Anschluss an das humoristische Personenverzeichnis, welches
sich in Hotelpersonal und Gäste glieder folgt ein Glossar mit Begriffen, die
einigen vor allem der jüngeren Hörern vielleicht nicht bekannt sind. In diesem
Teil habe ich aber auch noch was dazu gelernt. Ansonsten hat mich das Booklet
in dieser liebevoll gestalteten Hörbuchbox aus Pappe, zwar amüsiert, gebraucht
habe ich es allerdings nicht. Die Angst, die sein bloßer Umfang in mir auslöste
war unbegründet, denn die Personen werden stets auch charakterisiert und
spätestens durch das Gespräch untereinander, ist sofort wieder klar, um wen es
sich eigentlich handelt, wobei es mir nie wie lästige oder unnötige
Wiederholungen vorkam, sondern einfach sehr angenehm.
Die Geschichte beginnt mit einem Ausblick, einer Szene, in welcher sich
Fanny in höchster Not mit einem fremden Kind im Arm versteckt und von einem
schönen jungen Mann geküsst wird, von dem sie nicht weiß, ob er einer der Guten
oder Bösen ist. Einen Namen hat er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, so daß ich
schon ein paar CDs lang gerätselt habe, welcher der anwesenden gutaussehenden
Männer Fanny wohl geküsst haben mag und welcher wohl letztendlich ihr Herz
erobert. Abgesehen von diesem Einblick zeichnet sich auf den ersten CD's das
Abenteuer, das da auf Fanny zukommen wird, bei Weitem nicht ab, es gibt
lediglich immer mal wieder kleine Andeutungen. Doch die Schilderung der
Interaktion der Charaktere finde ich wirklich unterhaltsam und amüsant, insbesondere
so Fragen wie es Fanny wohl gelingen mag, dem rücksichtslosen Roman möglichst
wenig aufzufallen oder den arroganten Hotelfachschülerinnen die Stirn zu bieten
und gleichzeitig den 9 jähren Teufelsbraten nicht aus den Augen zu lassen. Die
spitzfindigen Schilderungen sind das, was mir bei diesem Roman so gut gefallen.
Irgendwie schafft es Kerstin Gier nicht in platte Clichées zu verfallen, wobei
sich solche bei einem Grand-Hotel wohl kaum vermeiden lassen, sie sind aber
eben nicht platt. Hierdurch macht das Hören einfach Spaß, während mich manchmal
entsprechende hoch gehandelte Filme nerven, weil ich nur mit den Augen rollen
kann, über die bereits überstrapazierten Vorurteile und Clichées. Das mag auch
daran liegen, daß Kerstin Gier mit Fanny, trotz des überstürzten Schulabbruchs
eine intelligente und findige Heldin gelungen ist.
Ich habe mich auf jeden Fall überhaupt nicht gelangweilt, sondern mich
stets gefreut das Hörbuch zum Einschlafen, Aufwachen und bei der Küchenarbeit
zu hören. Dabei fand ich Ilka Teichmüllers Stimme sehr angenehm, aber nicht
eintönig oder einschläfernd. Sie berichtet die Geschichte vielmehr lebhaft aus
Fannys Perspektive in Ich-Form, mit Emotion und Selbstironie. Ihre Stimme
klingt dabei jung, frisch und hübsch, denn Fanny muß durchaus eine sehr
ungewöhnliche, natürliche Schönheit sein, im Gegensatz zu den texanischen
Möchtegern-It-Girls.
Die Autorin ist schon etwas älter als Fanny und hat daher schon die Zeit
gehabt mit der Edelstein-Triologie, Silber – Das Buch der Träume und den
Mütter-Mafia Romanen große internationale Erfolge zu feiern (die
Edelstein-Triologie wurde ja sogar verfilmt, die Mütter-Mafia wenn ich mich
recht erinnere auch). Sie lebt mit ihrer Familie und nicht-verbotenen Katzen in
der Nähe von Köln.
Auf 8 CDs hat mich dieses Hörbuch über 10 Stunden 10 Minuten lang amüsant,
romantisch, etwas magisch und abenteuerlich unterhalten. Ich habe es genossen.
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