Tante Rotz legt los, Andrea Schütze, gelesen von Annette Frier, DAV
Die Sommerferien beginnen und zum dritten Mal in Folge verreist Familie
Wohlleben nicht, weil die Eltern keine Zeit haben. Mama verhandelt gerade als
Richterin den wichtigsten Fall ihrer Karriere und bei Papa steht die Eröffnung
der Ausstellung des wichtigsten Künstlers seiner Karriere in seiner Galerie an.
Das ginge ja noch, hätte nicht Mama jede Minute der Ferien der Zwillinge Zacharias und Cassandra bereits
mit sinnvollen Ferienkursen verplant. Eine Nanny soll sie von Kurs zu Kurs
fahren, damit die Ferien optimal genutzt werden. Doch plötzlich sagen alle aus
heiterem Himmel ab. Die Mutter gerät in Panik und ruft jeden an der ihr
einfällt, allerdings sind selbst die Großeltern schon verplant. Bis auf Papas
Tante Rotzinda, die er meidet wie die Pest, steht keiner zur Verfügung. Somit
kommt die ältere Dame von Adel und Vermögen und den Kinder bleibt der Mund
offen stehen. Nicht nur ihr Name ist außergewöhnlich! Sie hält auch nichts von
den Wohllebenschen Erziehungsmethoden, sondern bringt den Kinder erst mal
rotzfrech bei, alle Regeln über den Haufen zu werfen und Spaß zu haben! Denn
wofür hat man einen Pool, um nicht darin zu toben? Erst einmal sind die Kinder
deutlich irritiert, aber nach und nach gefällt ihnen diese merkwürdige Tante
immer besser. Als sie dann auch noch, einem Verbrechen auf die Spur kommen,
gibt es für ihre Kreativität kein Halten mehr!
Willkommen bei Tante Rotz, einer Mischung aus Mary Poppins und Pipi
Langstrumpf. Denn Tante Rotz ist nicht wie andere Tanten, sie ist tatsächlich
ein kleines bißchen magisch. Anders können sich die Zwillinge nicht all die
erstaunlichen Fähigkeiten ihres stummen Chauffeurs und ihrer französisch
sprechenden Fuchsstola M. Renard erklären. Allerdings zaubert Tante Rotz nicht
richtig, es sind nur so kleine feine Wunderlichkeiten. Für die Zwillinge ist es
eine Offenbarung, all die Freiheiten, die sie plötzlich genießen dürfen, als
Tante Rotz die unsinnigen Regeln der Eltern über Bord wirft. Denn bei Tante
Rotz herrscht nicht die komplette Anarchie oder Chaos und die Zwillinge haben
ein fein entwickeltes Gespür für Recht und Unrecht. Es ist viel mehr ein Appel
an viele Eltern, ihre Kinder auch einfach mal Kinder sein zu lassen und ihre
Tage nicht völlig zu verplanen, wie sinnvoll ihnen dies auch scheinen mag. Trotz
ihres rotzigen Lachens hat Tante Rotz ein Herz aus Gold und hilft in der Not,
ohne daß die Eltern es auch nur ahnen, an welcher Katastrophe sie eigentlich
haarscharf vorbei geschrammt sind. Denn die Tante geht mit den Kindern nicht
auf Verbrecherjagd, dies ist kein Krimi, sie versuchen elegant den Schaden des
Verbrechens abzuwenden, auf kreative Weise. Damit verlässt Anja Schütze mit
ihrer Geschichte ausgetretene Pfade. Die Kinder kommen der Polizei nicht bevor
und schlagen ihnen kein Schnippchen. Die Lösung ist vielmehr ausgesprochen
originell. Die Magie nur ganz zart, so daß sich die Kinder stets wundern, ob es
hier so mit rechten Dingen vor sich geht, oder ob es wirklich Tantenmagie ist.
Dabei kommt der vorlaute M. Renard mit seinem französischen Akzent bei den
zuhörenden Kindern besonders gut an, auch wenn er anfangs eine echte
Überraschung ist, gewinnen ihn die jungen Zuhörer schnell lieb. Allerdings
fürchte ich, daß die Zuhörer aufgrund dieser Geschichte nicht ihre späteren
Berufe planen. Richter auf dem Land können gut von ihrem Einkommen leben, in
München z.B. ist dies aber schon schwieriger, aber so wohlhabend wie in dieser
Erzählung sind normale Richter, außerhalb der oberen Gerichte nicht und viele
Galeristen kämpfen stetig ums Überleben.
Bei Zwillingen ist Annette Frier, die selbst Zwillingsmutter ist, völlig in
ihrem Element. Die bekannte Schauspielerin und Komödiantin (u.a. Danni
Lewinsky), kann hier nach Herzenslust rotzig lachen und frech sein. Die Kinder
sind übrigens durchaus wohl erzogen und nicht frech. Das empfinde ich als
Mutter sehr angenehm, weil ich es oft in Geschichten nicht mag, wenn Kinder
völlig ungehemmt und rücksichtslos handeln, ohne über die Konsequenzen ihres
Tuns nach zudenken. Meist bekommt die Geschichte dann das Etikett Pipi
Langstrumpf und gut ist. Aber Pipi und Michel haben stets nur Unsinn getrieben
und nichts wirklich schlimmes angestellt. Tante Rotz bringt Zach und Cassy, wie
sie sie nun nennt, bei aus sich heraus zu kommen und das Leben zu genießen,
Regeln zu hinterfragen, aber nicht prinzipiell abzulehnen. Dadurch können auch
Eltern Annette Friers freche Kuchenorgien und Pralinenexzesse genießen.
Andrea Schütze, ist hier wieder eine sehr unterhaltsame und
außergewöhnliche Geschichte mit einer Prise Magie gelungen, ganz ohne Einhörner
oder Feen.
Eine sehr gelungene Mischung, die Annette Frier frech und kurzweilig aufs
Ohr zaubert.
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