Montag, 9. Juli 2018

Wie heiß ist das denn? Ellen Berg, Aufbauverlag



Wie heiß ist das denn? Ellen Berg, Aufbauverlag

Nachdem ich schon so viele begeisterte Rezensionen zu Werken von Ellen Berg gelesen habe, wollte ich nun auch mal in den Genuss dieses Vergnügens kommen, denn sie sollen ja sehr lustig und unterhaltsam sein. Das klingt doch schon mal gut. Worum es in „Wie heiß ist das denn?“ geht habe ich mir daher erst gar nicht durchgelesen.

Bea ist 44 Jahre alt hat sich und mit Leib und Seele dem Interior Design verschrieben. Studiert hat sie es nicht, sie ist ein Naturtalent und sprüht nur so über vor kreativen Ideen und hat ein todsicheres Gespür für Stil und interessante Stilbrüche. Da sie aber keine Ahnung von Marketing und wohl auch nicht von Finanzierungskonzepten hat, läuft ihr Laden mehr schlecht als recht. Zu oft hat sie sich voller Elan in Projekte gestürzt und Investitionen getätigt und dann bekam den Auftrag jemand Gewöhnlicheres. Bei der Liebe läuft es ähnlich. Voller Elan und mit ganzem Herzen schlittert sie von einer Beziehung zu Taugenichtsen nach dem andern, nie ist der Richtige dabei und es endet in einem Desaster und gebrochenem Herzen. Als nach dem heißen Versöhnungssex mit dem polyamoren Fred, dieser sich für immer verabschiedet, beschließt sie, daß sie nun von Männern die Nase voll hat und sich eine Auszeit von ihnen gönnt. Doch gerade jetzt begegnet sie zwei richtig tollen Männern in ihrem Laden, die sogar ihre Liebe zu Poesie, Opern und Inneneinrichtung teilen. Na ja, der eine ist fast toll, denn er ist der „Neue“ ihrer erwachsenen Tochter Mona, die sie alleine großgezogen hat, und ihrer Meinung nach genau der Falsche für ihr Kind. Zu allem Übel wird sie nun auch noch von Hitzewallungen heimgesucht. Wechseljahre zum 44. Geburtstag ist alles andere als ein Grund zu jubeln und so macht es Bea wie bisher immer in ihrem Leben, sie stolpert von einer Katastrophe in die nächste.

Manchmal frage ich mich beim Rezensieren, ob ich eigentlich alles gut finde? Aber nein, ich kenne einfach nur meinen Lesegeschmack inzwischen sehr gut. Mit diesem Werk hier wurde ich gar nicht warm. Ich habe wenig Verständnis für Bea, die sich ständig völlig kopf- und insbesondere hirnlos in irgendwelche Aktionen stürzt und die noch dazu einen grauenvollen Männergeschmack hat. Ihre Exe würde ich wahrscheinlich noch nicht einmal mit der Kneifzange anfassen und die vermeintlichen Traummänner sind mir auch ganz gehörig auf die Nerven gegangen. Die ach so geistreichen verbalen Schlagabtäusche zwischen Bea und Literarturprofessor Julian Weichenberg fand ich unendlich ermüdend. Nein, anders als Bea kann man Herz nicht mit Gedichten erobern, davon hatte ich bereits eine Überdosis als Kind. Die Fähigkeit Räume geschmackvoll einzurichten, insbesondere auf anderer Leute Kosten, finde ich jetzt auch nicht wirklich beeindruckend (ich bin zwar kreativ, aber Deko finde ich meist nur lästig abzustauben). Also, für mich hat auch Bea kein Traumfrau-Potenzial und ist einfach nur anstrengend (insofern passt sie ja doch hervorragend zu ihren zwei Traummännern). Sehr ermüdend fand ich auch das andauernde Wiederholen, von Beas Hitzewallungen. Jaaaa, man hat es spätestens nach der 5. Wiederholung kapiert! Natürlich ist nichts so wie es scheint, sondern in Wirklichkeit alles gaaaaanz anders. Nur leider nicht überraschend anders, sondern total vorhersehbar. Ach ja, eine beste Freundin namens Wanda hat Bea auch, auch die geht mir mit ihrem buddhistischen Getue unendlich auf die Nerven, aber sie hat ja soooo ein großes Herz! Hier bleibt kein Clichée aus, sie kommen alle ganz geballt. Für mich so unerträglich, daß ich mich echt zum Weiterlesen gezwungen habe. Dafür wurde ich dann mit Beschreibungen der ach so originellen Outfits der Kreativen beglückt. Zum Glück habe ich es nur gelesen, der Anblick in der Wirklichkeit hätte mir wahrscheinlich Augenschmerzen bereitet. Ehrlich: Six-Pack hin-oder-her, Männer mit offenen Hemden gehen gar nicht und unglaublich teure Fetzenjeans, finde ich nicht lässig, sondern albern. Ich kaufe mir lieber gutsitzende Jeans ohne Löcher, die Löcher kommen von ganz alleine (so in etwa wie bei Michel aus Lönneberga und dem Unsinn, nur daß ich Michel irgendwie liebenswert finde). Nur weil Bea nicht studiert hat, fühlt sie sich Prof. Julian unterlegen und kennt Idiome wie „dito“ nicht? Na ja, immerhin ist der Roman in der 3. Person Singular verfasst, zwar nicht als allwissender Erzähler (dafür fühlte ich mich als allwissende Leserin), aber auch nicht in der Ich-Form. Diese mag ich allgemein nicht so sehr, aber Bea und ich sind uns nicht nahe genug gekommen, als dass ich in ihren Kopf hätte hineinblicken wollen.
Damit sich aber auch wirklich jede Frau mit Figurproblemen mit Bea identifizieren kann, wird immer wieder betont, daß sie die abgelegte Kleidung ihrer Mutter Rosi trägt, auch auch wenn das Dolce & Gabbana Kleid in Gr. 44 ihr die Luft zum Atmen raubt, finden sie alle Männer hinreißend!
Oma Rosi ist für mich der einzige Lichtblick. Ihre überkandidelte Art ist mir zwar auch zu viel, aber sie hat bisweilen ein paar echt gute Sprüche drauf. Tante Ruth ist auch noch sympathisch, aber das ganze Drumherum für mich auch einfach zu stark überzeichnet. Es war einfach von allem zu viel! Dieses Buch ist stilistisch nicht schlecht, daher kam ich echt ins Grübeln ob ich einfach gerade eine Anti-Chick-Lit-Phase hätte und das Buch gar nichts dafür kann (man will ja fair sein). Also nahm ich statt des Kindle mit Bea, einen Frauenroman im Taschenbuchformat mit ins Freibad, unfairer Weise einen, den ich im Winter begonnen und abgebrochen hatte, weil mir die Schrift zu klein war (im Sommer bei knaller Sonne macht mir das weniger aus). Zu meiner Überraschung kam ich super mit diesem Testbuch voran und wollte es sofort zu Hause weiterlesen, aber ich mußte ja unbedingt dieses Rezensionsexemplar beenden....... Fazit: nein, ich mag das Genre immer noch, man muß für mich auch nicht das Rad neu erfinden. Einige Clichées gehören einfach dazu, damit kann ich leben. Aber ich muß die Hauptpersonen mögen und darf nicht an ihrer Intelligenz zweifeln. Frauenromane mit dusseligen „Heldinnen“ sind mir seit jeher zu wider und werden von mir normalerweise auch abgebrochen, aber dies war ja ein Rezensionsexemplar und vielleicht würde ich am Ende den Rummel um Ellen Bergs Romane verstehen. Aber nein, auch die überraschenden Wendungen zum Schluß waren absolut vorhersehbar und auch den Schluss hätte man deutlich straffen können, da blieb mir kein Kitsch erspart.

Ganz ehrlich, ich möchte keinen Autor mit vernichtender Kritik verletzen, aber liebe Ellen Berg, sie haben so viel Erfolg, sie können das wahrscheinlich verkraften und sie befinden sich in prominenter Gesellschaft J.D. Salingers Fänger im Roggen gefällt mir auch nicht, ebenso wie Victor Lelord's Hector, und Kerstin Giers „Mütter-Mafia“ habe ich abgebrochen (obwohl ich ihre Jugendromane super finde), ebenso wie „Frisch gepresst“ von Susanne Fröhlich. Der großen  Ellen-Berg-Fan-Gemeinde gefällt dieses Buch sehr gut, mir leider nicht. 2 von 5 Sternen, da Oma Rosi wirklich ein paar nette Sprüche auf Lager hat.

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