Mord erster Klasse – Ein Fall für Wells & Wong (3) Robin Stevens,
Knesebeck
1935 Schulferien. Nach den Ereignissen in Fallingford zu Daisy Wells
Geburtstag an Ostern, hat Hazel Wongs Vater entschieden, dass es besser für die
beiden knapp 14 jährigen Mädchen ist, die Ferien unter seiner Obhut zu
verbringen. Also besteigt der Hong Konger Privatbanker mit den zwei
Jungdetektivinnen und seinem Sekretär Maxwell und Dienstmädchen Hetty den
Orientexpress. Auf der Strecke zwischen Paris nach Istanbul kann er den Mädchen
viel von Europa zeigen und erklären und im ersten Klasse Abteil wird man sich
schon in bester Gesellschaft reisen. Doch schon beim Einsteigen stellen sich
die Mitreisenden als schillernd und bisweilen alles andere als angenehm dar.
Ein Entfesselungkünstler, eine MI6 Agentin undercover (aber Daisy und Hazel
noch aus Fallingford bekannt), ein Medium, ein erfolgloser Krimiautor, eine
steinreiche Erbin mit ihrem unfreundlichen Gatten und ebenso unangenehmem
Dienstmädchen, eine emigrierte russische Gräfin mit ihrem Enkelsohn Alexander
(14), sowie der österreichische Schaffner des Calais – Simplon – Istanbul
Waggons werden unfreiwillig durch einen Mord auf jugoslawischem Boden zu einer
Schicksalsgemeinschaft. Jeder misstraut jedem, Polizisten besteigen in
Jugoslawien nicht den Zug und der mit den Ermittlungen beauftragte
Hobbydetektiv erweist sich als elender Stümper. Wie sollen Hazel und Daisy da
nur ihr Versprechen einhalten und nicht ermitteln?
Dieser 3. Fall, der Jungdetektivinnen, die sich als würdige Ermittlerinnen
im Geiste von Holmes & Watson fühlen, spielt ein Jahr nach dem Erscheinen
von Agatha Christies fulminaten Klassiker. Er ist eine echte Hommage an dieses
Krimivorbild. Ein Mord in geschlossener Gesellschaft auf engstem Raum und eigentlich
völlig unmöglich und dennoch ist er geschehen. Da helfen keine Indizien, da
hilft nur Logik. Auch wenn Daisy meint, das logische Denken für sich gepachtet
zu haben, zeigt die naschfreudige Hazel, wie unersetzlich ihre Geistesblitze
bisweilen sind. Von wegen Watson! Es macht richtig Spaß mit zu ermitteln, da
der Fall absolut logisch ist und genügend Hinweise gestreut sind, um den Fall
ebenfalls lösen zu können. Er liegt nicht völlig auf der Hand, aber wer das
Vorbild mit Hercule Poirot kennt und Sherlocks Ermittlungsmethoden, wird sicher
noch vor unseren reizenden Jungdetektivinnen den Fall lösen können. Den Fall,
nein, vielmehr die Fälle, denn es gibt ja nicht nur einen Mord, sondern auch
einen geheimnisvollen Spion. Denn 1935 spitzte sich die Lage in Europa infolge
von Hitlers Machtübernahme deutlich zu. Sehr schön, wie diese
historisch-politischen Entwicklungen für die jungen Leser mit eingearbeitet
wurden. So wird auch den heutigen Jugendlichen durch Hazel als
Hong-Kong-Chinesin bewußt gemacht, wie es sich anfühlt, allein auf Grund des
Aussehens anders behandelt zu werden.
Außerdem finden sich wirklich schöne
Anspielungen an britische Agentengeschichten, die auch älteren Lesern richtig
Spaß beim Lesen bereiten.
Um den jungen Lesern zeitgeschichtliches leichter verständlich zu machen
befindet sich im Anhang Daisys
Orient-Express-Führer in welchem Daisy für heutige Leser ungewöhnliche Begriffe
erklärt werden. Während der Hauptteil aus Hazels Sicht erzählt wird, schließlich
ist sie die Schriftführerin der Detektei Wells & Wong, erklärt hier Daisy
in Ich-Form Begriffe wie „Scharlatan: ein Lügner, der für Geld so tut, als wäre
er etwas, was er nicht ist.“ Sehr schön und ausführlich, wäre es mir jedoch
lieber gewesen, wenn dieser Teil vorangestellt worden wäre, wie bereits der
Übersichtsplan über die Waggons und ihre Belegung und das Personenverzeichnis,
da sich kein Hinweis auf diese Erläuterungen vorne gibt. Wer aber bereits die
früheren Fälle der zwei kennt, der weiß, wo er danach suchen muß. Die
Waggon-Pläne fand ich bei der Rekonstruktion des Falls sehr hilfreich und
wirklich schön zeitgemäß.
Ein echtes Schmankerl für Freundinnen des logischen Kombinierens und echt
britischer crime-time historischen Ambiente.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck-Verlag für diesen herrlichen
Krimispaß!
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