Der Frauenchor von Chilbury – Jennifer Ryan, gelesen von Jasna Fritzi Bauer, Andrea
Sawatzki, Elena Wilms, Monika Oschek und der Frauenchor Encantada, Argon Verlag
England, Grafschaft Kent im Frühjahr 1940: Die meisten
Männer des Dorfes Chilbury sind im Krieg, nur die alten Kranken oder kleine
Jungs sind noch dort. Da beschließt der Pastor, daß der Chor aufgelöst wird, da
ein Chor ohne Männerstimmen nicht funktioniere. Einige Frauen sind empört, hat
ihnen das Singen in der Gemeinschaft das Leben in der schwierigen Zeit
erleichtert. Doch kaum zieht die leicht exzentrische, lebenslustige
Musikprofessorin Primrose Trent ins Dorf und hört von der Chorschließung, lässt sie ihn als
Frauenchor von Chilbury unter ihrer Leitung wieder auferstehen. Sie fördert
Talente, spricht Mut zu und versprüht Lebensfreude. Nur weil die Männer im
Krieg sind, ist das kein Grund sich unterkriegen zu lassen! So erzählen vier
Chormitglieder ihr Schicksal im Sommer 1940 aus ihrer Sicht: die verwitwete
Krankenschwester Mrs. Tilling, die ermuntert und trostspendet, die raffgierige,
skrupelose Hebamme Edwina, die nur mitsingt, um über den Chor an Informationen
zu gelangen und die zwei unterschiedlichen Schwestern Kitty (13) und Venetia
(18). Die schöne Venetia verdreht allen Männern die Köpfe, einfach nur, weil
sie es kann, doch der gutaussehende Neuzugang Alastair Slaytor, scheint immun
gegenüber ihren Reizen. Kitty träumt davon eines Tages eine berühmte Sängerin
und mit Henry Brompton dem Sohn der reichsten Familie des Ortes verheiratet zu
sein. Doch der Krieg ändert vieles, einige wachsen an den Herausforderungen,
andere zerbrechen an dem Erlebten und Frauen werden sich ihrer Stärken und
ihres Wertes bewußt.
Wer eine Geschichte vor allem eines Chores erwartet, der
sollte vielleicht eher zu einem anderen Hörbuch greifen. Ja, es werden Passagen
von Chorstücken angespielt und der Chor und seine Leiterin spielen auch eine
Rolle, aber eben nicht die Hauptrolle. Anders als Geschichten wie „Die Kinder
des M. Mathieu“ oder „Wie im Himmel“ ist dies vor allem ein Frauenroman, über
vier sehr verschiedene Frauenschicksale im Kriegsjahr 1940, als das Leben nicht
einfach war, aber das Schlimmste noch vor ihnen liegt. Wie und ob die 4 den
Krieg überleben, bleibt der Fantasie der Zuhörerin überlassen, denn es werden
nur die zentralen Schicksalserlebnisse dieses Sommers erzählt. Wer bereit ist
sich darauf einzulassen und seine Erwartungen nicht zu sehr auf den Chor
fixiert, darf sich auf emotionale und bewegende Frauenschicksale und teilweise
empörende Intrigen freuen. Ob der Chor in der Romanvorlage für diese gekürzte
Hörfassung eine größere Rolle spielt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Ich fand den Aspekt der fast-männerlosen-Gesellschaft sehr
interessant und wie der Krieg dadurch die Emanzipation wahrscheinlich viel
stärker voran brachte, als vielen bewußt ist. Interessant fand ich auch daß es
sich hier lediglich um die Kriegsbeginn handelt, die wirklich schlimmen Zeiten
stehen noch bevor, aber es ist eben weniger eine Erzählung über das Kriegsleid
oder den Wiederaufbau, sondern eben um diese Frauenschicksale, deren Wege sich
in diesen Monaten besonders kreuzen, ehe sie auseinander gehen.
Mir haben die Dorfbewohnerinnen und ihr Leben wirklich sehr
viel Freude bereitet und auch viele der Nebenrollen sind mir wirklich ans Herz
gewachsen. Jasna Fritzi Bauer spricht die junge Kitty wunderbar natürlich und
lebenshungrig. Ihre Schwester Venetia wird wirklich hervorragend von der mir
bis dato unbekannten Monika Oschek verkörpert, der auch ganz toll den Wandel in
Venetias Persönlichkeit gelingt. Elena Wilms als warmherzige Mrs. Tillings ist
die ideale Besetzung, schon ihre warme Stimme lässt sie einen ins Herz
schließen. Andrea Sawatzki hatte hörbar ihre Freude an der Rolle der
intriganten, egomanischen Hebamme Edwina, deren vermeintliche Cleverness immer
schiefgeht. Ich finde die Stimmen ganz ausgezeichnet gewählt, aber, und das
empfinde ich als den einzigen Makel der Hörbuches: Nicht alle Stimmen sind
gleich laut! Gerade auf CD 5, als Venetia ihre schlimmste Zeit mitmacht, ist
ihre Tonspur deutlich leiser, als Andrea Sawatzki. Das fällt nicht sonderlich
auf, wenn man in Zimmerlautstärke hört, hört man die CD jedoch leise, im Auto
oder zum Einschlafen, kann man Monika Oschek nicht verstehen, obwohl ihr Part
ganz entscheidend ist. Stellt man den Ton lauter, wird insbesondere die Stimme
von Edwina so laut, dass man die ganze Nacht wach bleibt, um der Geschichte zu
folgen. Meine Augenringe sprechen da eine deutliche Sprache.
Als großer Fan von CD’s als Tonträgern statt MP3, mochte ich
die kurzen Tracks und die autofreundliche Taschenhörbuchverpackung. Diese
Variante nimmt weniger Raum ein und der schnelle CD-Wechsel während der Fahrt
ohne anzuhalten ist deutlich einfacher. Dabei lässt sich der Pappeinband durchaus
ausdrucksstark bedrucken. Für die Kritiker, die sich über die geringe
Chorpräsenz beschweren: schon das Cover zeigt ein ziemlich menschenleeres Dorf
zu Kriegsbeginn und kein Chorgestühl.
Mir hat es ausgezeichnet gefallen, bis auf die
Lautstärkedifferenzen in der Aufnahme der zwei besagten Sprecherinnen, die
jedoch nur bei niedrigen Hörstärken ins Gewicht fallen. An der Qualität der
Sprecherinnen als solche ändert dies nichts. Wer ohnehin in Zimmerlautstärke
hört, dem wird dies nicht weiterauffallen, es ist nur ein Punkt, der mir bei
Hörbüchern am Herzen liegt.
Ein wirklich tolles Frauenhörbuch mit starken Charakteren,
ausdrucksstarken Stimmen und wunderschönen, wenn auch kurzen Choreinlagen.
Gerne vergebe ich 4,5 Sterne.
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