Sherlock Holmes und das Geheimnis des weissen Bandes,
Hörspiel nach Anthony Horowitz, Bearbeitung und Regie Bastian Pastewka, WDR
& Radio Bremen, Goya Lit
Dr. Watson liegt im Sterben und so bricht er nach dem Tod
seines Freundes Holmes ein 25 Jahre altes Schweigen und berichtet von einem
besonders abscheulichem Fall, der Sherlock besonders unter die Haut ging, weil
er sich für den Tod eines Kindes verantwortlich fühlt. Dieser Fall führte
Holmes und Dr. Watson sowohl in die Niederungen der Londoner Slums, als auch in
höchste gesellschaftliche Kreise, als eines kalten Abends der wohlhabende
Kunsthändler Edmund Carstairs in voller Abendgarderobe in der Baker Street 221b
erscheint und folgendes Problem schildert: aufgrund eines Großauftrages eine
beachtliche Sammlung des englischen Maler Constable an die amerikanische
Westküste zu einem reichen Amerikaner Cornelius Stillman zu bringen, kam er in
Kontakt mit einer irisch-amerikanischen Verbrecherbande. Als diese bei einem
Eisenbahnüberfall die Kunstsammlung verbrannte, schwor Stillman Rache. Die
Bande wurde bis auf einen der Anführer in einem Hinterhalt ausgelöscht. Dieser
O’Donaghue ermordete daraufhin Stillman und scheint nun hinter ihm, Carstairs
her zu sein. Sherlock macht sich so seine eigenen Gedanken, auch weil in dem
Carstairs Haushalt so einige Merkwürdigkeiten in den letzten Monaten auftraten.
Er scheint nicht weiter zukommen. Auffällig ist jedoch, daß er bei seinen
Ermittlungen stets auf weiße Seidenbänder stößt, selbst an der Leiche eines
ermordeten Straßenjungen.
Gerade bei CD 2 wurde mir siedendheiß bewußt, warum ich
bislang lieber den Abenteuern des jungen Sherlock Holmes folgte, da der
Erwachsene ja den Hang zu einer 7 % Kokainlösung intravenös hat. Aber meine
Befürchtung Holmes in einen Drogenrausch folgen zu müssen, wurde nicht erfüllt.
Zwar führten die Ermittlungen in eine der damals legalen Opiumhöhlen, in denen
die Oberschicht bisweilen auf völlig aufgezehrte Vertreter der Unterschicht
trifft, aber das Verbrechen, daß Holmes aufdeckt ist viel abscheulicher und die
darin Verwickelten unantastbar, so daß es trotz Aufklärung nie enden wird. Die
Mächtigen sind beteiligt und halten schützend ihre Hände über die Täter. Dies
ist definitiv kein Jungendhörbuch, aber voller Gedankenspiele und besonders auf
CD 2 wirklich spannend. Gerade die musikalische Hörspieluntermalung überzeugte
mich, die Geschichte besser nicht mehr zum Einschlafen zu hören, sondern bei unliebsamen
Haushaltstätigkeiten. Der musikalische Spannungs- und Atmosphärenaufbau hat bei
mir wirklich seine Wirkung gezeigt.
Wie Holmes es gelingt sich mal wieder aus der größten Not zu
befreien, fand ich zwar etwas konstruiert, aber die vollständige Auflösung des
Rätsels habe ich so nicht kommen sehen. Es lohnt sich daher definitiv das
Hörspiel mehrmals zu hören und sich in der Wiederholung an all den kleinen
Hinweisen zu erfreuen, die man entdeckt, wenn man die Auflösung bereits kennt.
Eine wirklich gelungene Hommage an Sir Arthur Conan Doyle
und seine Schöpfung Sherlock Holmes. Die nebeligen Londoner Straßen, die Slums,
sehr gut ist die Atmosphäre der damaligen Zeit eingefangen worden. Die
Anknüpfung an bekannte Geschichten mit der Erläuterung, wo denn dieser neue
Fall herkommt und weshalt Holmes und Dr. Watson nach dessen Heirat noch mal
ermitteln, ist wirklich gut gelungen und für Fans ein echtes Schmankerl. Der
Autor Anthony Horowitz der für seine eigene Krimiserie Bestsellerstatus
erlangte, hat sich wirklich gut in die Vorlagen hereingedacht und den Ton gut
getroffen.
Mit Frank Röth wurde Sherlock Holmes meines Erachtens
stimmlich hervorragend besetzt, wie auch die Wahl von Gerhard Garbers als Dr.
Watson. Beide Stimmen setzen sich gut in Klangfarbe und Tonhöhe von einander
ab, so daß eine Verwechslung ausgeschlossen ist.
Oft habe ich bei Hörspielen Probleme der Geschichte zu
folgen, entweder weil die Lautstärke zu stark schwankt, oder ich
Schwierigkeiten habe, die Stimmen den Personen korrekt zu zuordnen. Bei dieser
Produktion wurde für jede Person ein eigener Sprecher gewählt und dabei
wirklich renommierte Stimmen, bis in die kleinste Nebenrolle (der kleine Drache
Kokosnuss = Philipp Schepmann als verkommener Adelspross, herrlich!), die es
wirklich vereinfachen, die Personen akustisch zu unterscheiden. Man merkt, daß
WDR und Radio Bremen keine Kosten und Mühen gescheut haben und daß mit Theresia
Singer als technischer Leitung ein Profi am Start war.
Da es sich um eine 3-teilige Sendereihe handelt, beginnt
jede CD auch tatsächlich mit einer Einführung und einem ganz kurzen Rückblick.
Als ich CD 2 einlegte dachte ich, ich hätte vergessen den Tonträger zu
wechseln, bis mir dämmerte, daß ich ja der Radioversion folge.
Auch wenn für die Hörspielbearbeitung Kürzungen vorgenommen
werden mußten, ist Bastian Pastewka wirklich geschickt mit der Textvorlage
umgegangen, so daß ich es nie bedauert habe, mich für das Hörspiel statt für
das Hörbuch, daß ebenfalls bei Goya Lit erschien, entschieden zu haben.
Eine toll produzierte Hommage an das wohl berühmteste
Ermittlerduo, dem ich gerne 5 von 5 Sternen gebe.
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