Milla und das erfundene Glück, Rüdiger Bertram, Ravensburger
Verlag
Die 12-jährige Milla lebt in einer deutschen Großstadt mit
ihrem Vater alleine, nachdem sich ihre Eltern getrennt haben und sie nicht mit
ihrer Mutter nach Südafrika ziehen wollte, wo diese sich ihren Lebenstraum
erfüllt. Sie liebt Mathe und alles was klar nachvollziehbar und logisch ist.
Ihr Vater arbeitet bei einem privaten Fernsehsender als Wahrsager und bisweilen
bietet er auch private Seancen zu Hause an. Milla ist das todpeinlich, Eltern
sind ja so schon peinlich genug, aber warum muß ausgerechnet ihr Vater sein
Geld mit Scharlatanerie und Betrug verdienen. Vater Michael sieht es anders, er
schenkt seinen Kundinnen Hoffnung und bringt freudige Erwartungen in ihr Leben.
Er arbeitet dabei mit den Methoden von Sherlock Holmes, er beobachtet seine
Kundinnen genau, verwickelt sie zu Beginn in ein harmloses Gespräch um mehr
über sie zu erfahren und dann verspricht er ihnen für die Zukunft genau das,
was er meint, daß sie es sich wünschen. Alle sind glücklich und Michael und
Milla haben genug zu Essen. Worüber regt Milla sich also so auf? Dass die
anderen in der Schule sie „Hexe“ rufen macht es für Milla auch nicht einfacher.
Doch dann taucht ein Junge bei ihr im Fechten auf und der ist verdammt gut, der
erste ernsthafte Gegner für Milla und vielleicht endlich jemand der sie versteht.
Durch die Trennung ihrer Eltern muß Milla schon früh
Verantwortung übernehmen und für sich selbst sorgen. Es hat meine Töchter schon
tief beeindruckt, daß ihr Vater einfach so anruft und sie beauftragt zu kochen
oder die Wohnung für die abendliche Seance vor zu bereiten , ganz alleine! Doch
Trennungskinder sind oft nicht verhätschelt und ein solches erkennt sie auch in
Henry wieder, dem geheimnisvollen Jungen, der sie tags zuvor beim Fechten
geschlagen hat. Er ist auch anders und wird vom fiesen Jacob und seiner Gang
auf dem Schulhof attackiert, aber er wehrt sich und verschafft sich Respekt.
Das hat mir gut gefallen, denn auch wenn er sich Respekt verschafft hat, so
wird er nicht automatisch zum angesagtesten Jungen der Schule. Das will er auch
nicht, das würde nicht zu ihm passen und es wäre völlig unrealistisch. Auch
wenn es in diesem Buch bisweilen um Wahrsagerei geht und einige von Michaels
Vorhersagen sich sogar erfüllen, das Buch ist realistisch, nah an der
Wirklichkeit, an Millas und Henrys Sorgen und Nöten, die wir echt gut
nachvollziehen konnten. Dennoch ist es kein schweres Problembuch, es ist sehr
optimistisch und vor allem sehr witzig! Rüdiger Bertram liebt Roald Dahl,
dessen These stets lautete: jedes gute Kinderbuch braucht einen anständigen
Schuss Humor, Kinder sollen was zum Lachen haben! Das haben sie hier auf jeden
Fall, denn Michaels Methoden sind bisweilen sehr witzig, ebenso seine
Vorhersagen oder auch Millas Versuche ihm das Handwerk zu legen. Doch auch wenn
Milla sich bisweilen für ihren Vater den Wahrsager schämt (mit 12 Jahren und
auch schon früher leider ziemlich normal) so liebt sie ihn doch von ganzem
Herzen, ebenso wie ihre Mutter. Es geht nicht banal um Gut und Böse. Alle haben
ihre Macken, Milla auch und das zeigt sich nicht erst an der hohen
Wasserrechnung. Es geht darum mit dem zu Leben was man hat und das Beste daraus
zu machen, seinen Weg zu gehen, wobei es leichter ist, wenn man den nicht
alleine gehen muß. Wer wie Milla sich auf das Cold Reading (das Ablesen der
Zeichen und Signale der Mitmenschen) versteht, der schafft es auch, jemanden zu
finden, der mit einem diesen Weg geht.
Sehr schön, sehr sensibel, wird die Geschichte dieser
Einzelgängerin erzählt, die sich nicht abkapselt, kein Amokläufer wird, ihre
eigenen Interessen hat und auch dazu steht. Doch gemeinsam ist man weniger
einsam und so bekommt ihr Leben durch den Kontakt mit einem Gleichgesinnten
richtig Aufwind, worüber wir uns mit ihr sehr gefreut haben und mit ihr gelacht
haben.
Ganz anders als die übrigen Bücher, die wir von Rüdiger
Bertram gelesen haben und doch wieder von diesem unnachahmlichen Humor geprägt.
Ein tolles Buch für Mädchen ab 10 Jahren, wieder unschlagbar
und somit 5 von 5 Sternen.
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