Future Fairy Tales, Geschichten aus einer anderen Welt, Holly-Jane Rahlens, Rotfuchs Verlag
Wie wird die Zukunft des Lesens und der Bücher aussehen?
Wird es noch Märchen geben, wenn die Welt komplett digital ist? Was wird man
sich erzählen und wie? Diesen Fragen geht Holly-Jane Rahlens in diesem
experimentellen Märchenband nach. Die klassische Märchenerzählform wird
aufgehoben und ihre bekannte Themen umgeschrieben auf eine neue Zeit und neue
Form hin, allerdings immer noch erkennbar. Anschließend folgt auf jedes Märchen
eine fiktive Literaturbesprechung. Erzählt werden: Dornröschen, Aschenputtel,
Rapunzel, Hans im Glück, Rotkäppchen, Schneewittchen, Hänsel und Gretel, Der
süsse Brei, Der Froschkönig und Sterntaler. In der Einführung gibt es fiktive
Erläuterungen zum Werk, das eine Jubiläumsausgabe sein soll, und in der Zukunft
als Hommage an nicht mehr existente gedruckte Bücher, auch im Andenken an
Johannes Guttenberg herausgebracht werden wird. Dies hat auch Auswirkung auf
die Erzählweise und die Grammatik, denn je nachdem wo man lebt, ob in den
Städten oder im Wald, ist die Sprache anders und die Lebensbedingungen sind es
auch. Über das Gendern wird nicht mehr diskutiert, die Sprache ist neutral,
aber ohne Sternchen.
Einige dieser Märchenexperimente haben mir sehr gut gefallen, andere nicht, was auch an den Erzählweisen lag. Dornröschen als Reality-TV-Experiment war mir zu schräg und unromantisch und irgendwie fand ich es auch sperrig. Aschenputtel als Bloggeschichte fand ich aber wirklich amüsant und modern und mit einem besonderen Pfiff. Auch die Rapunzelvariation gefiel mir und die spukige Hänsel und Gretel Variante in Form eines Zeitungsartikels. Der süsse Brei in Liedform war für mich befremdlich, schon weil ich das Märchen dazu nicht kannte, während mir der Froschkönig in Drehbuchformat echt zu sperrig war und zu technisch, so daß ich es tatsächlich abgebrochen habe. Hans im Glück ist mir überhaupt nicht im Gedächtnis geblieben, während auch Schneewittchen nur eine blasse Erinnerung zurück gelassen hat. Sterntaler als Reise-Vloggerin hat mir allerdings wiederum sehr gut gefallen. Da konnte ich auch den Geist des ursprünglichen Märchens wieder entdecken. Ich fand es auch deutlich emotionaler als Schneewittchen, das ich eigentlich als Märchen ebenso mag, wie auch den Froschkönig. Durch die Drehbuchsicht gingen mir aber beim Froschkönig und Dornröschen zu viele Emotionen verloren, weil man automatisch einen distanzierteren, beobachtenden Blick einnimmt.
Einerseits fand ich diese Transformation in eine andere Zeit und Welt sehr reizvoll, aber solange fiktive Literaturbesprechungen hätte ich echt nicht gebraucht, der Reiz des Neuen war dann schnell aufgebraucht. Auch die Illustrationen waren leider nicht so märchenhaft, wie ich es mir gewünscht hätte und ich mag meine Märchen auch gerne mehr bebildert. Die sprachlichen Kniffe zum Vermeiden des Genderns durch Partizipien (?) indem ich z.B. Studierende nehme, statt Studenten, haben meinen Sprach- und Lesefluss allerdings nicht beeinflusst und kamen meistens ganz natürlich und modernisierten so dezent die Sprache.
Einige der Heldinnen in diesen fiktiven Neufassungen sind echt stark und vermitteln nicht Prinzessinnenliebreiz sondern echte Power und ein starkes Gefühl. Schade, dass sich die Märchen hier in ihrer Ausdruckskraft für mich ganz stark unterscheiden. Ich hätte nicht gedacht, dass die Blog/Vlog-Form des Erzählens mich so sehr mehr ansprechen würde, als zum Beispiel die Zeitungsberichterstattung.
Diese Märchensammlung ist erfrischend anders, aber leider nicht durchgängig überzeugend!
Ganz herzlichen Dank an den Rotfuchs Verlag und die Altenburger-PR-Agentur!
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Also Deine Rezensionen sind immer sehr inspirierend;)
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