Der Junge aus der letzten Reihe, Onjali Q. Raúf, gelesen von Birte
Schnöink, 4 CDs 5 h, Hörcompany
Alexa, die Ich-Erzählerin ist 9 ¾ und geht mit ihren drei besten
Freunden in eine Klasse. Wenn man so viele beste Freunde hat, freut man sich
immer in die Schule zu gehen. Ihre Schule liegt in London, in einem
nicht-schicken Stadtteil und so sind nur Michaels Eltern wohlhabend. Alexas
Vater starb als sie noch klein war und nun bringt ihre Mutter eine
Bibliothekarin sie beide mit 2 Jobs durch. Sie ist die schlaueste Person, die
sie kennt, weil sie so viel liest! Eines Tages sitzt ein neuer Junge in der
letzten Reihe, auf dem seit den Ferien freien Stuhl. Er ist merkwürdig. Er
spricht nicht, verschwindet in den Pausen immer und guckt ganz traurig. Aber
die neugierige Alexa findet natürlich heraus, woran das liegt: Er ist ein
Flüchtlingsjunge! Was das bedeutet, erklärt ihr ihre Mutter und das findet sie
so erschütternd, dass sie beschließt, auch mit ihm befreundet zu sein. Zum
Glück sind Michael, Josy und Tom einverstanden mit dem Plan. Diesen umzusetzen
ist gar nicht so leicht, wenn Ahmet der Neue in den Pausen immer verschwindet.
Nach und nach erfahren sie immer mehr von ihrem neuen, mutigen Freund und
stellen sich gemeinsam mit ihm gegen Brandon den Quälgeist, was sich bislang
noch keiner getraut hat. Doch dann hört Alexa im Bus etwas mit, dass sie bis
ins Mark erschüttert und sie ersinnt mit ihren Freunden, den besten Plan der
Welt, bei dem nur noch die Queen helfen kann!
Die Journalistin Onjali Q. Raúf nimmt einen in ihrem
preisgekrönten Debütroman mit in ein typisches Londoner Migrantenviertel. Jeder
hat hier andere Wurzeln, das ist normal. Nur Brandon der Quälgeist ist blond
und blauäugig und bildet sich etwas darauf ein! Für die anderen ist die
Herkunft völlig egal, bis Ahmet in die Klasse kommt und Alexa und ihre Freunde
herausfinden wollen, wie denn die Heimat so war, aus der Ahmet vor den Bomben
fliehen musste. Die Gedanken der Kinder zu Ahmet und seiner Situation sind Gold
wert. So unverblümt und von Herzen kommend. Ernsthaft sind sie bemüht ihm ein
Stück Heimat zu schenken, was Brandon natürlich zunichte macht. So geht es
neben dem Schicksal des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings auch um
normalen englischen Schulalltag, in dem sich die Kinder begegnen, und der das
Schicksal von Ahmet für Hörer ab 8 Jahren nachfühlbar macht. Denn das ist
wichtig, dass man nicht nur rational, sondern auch emotional begreift, was es
heißt als Kind alleine zu fliehen, bzw. mutterseelenalleine in einem fremden
Land anzukommen, wo man niemanden kennt und noch nicht einmal die Sprache
spricht. Das Wort: „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ klingt so
bürokratisch und langweilig, dass Kinder wahrscheinlich noch nicht einmal
nachfragen, was das denn sein soll. Doch Ahmets Schicksal ist bewegend und geht
unter die Haut. Darüber muss man beim Zuhören nachdenken, ebenso wie viele
weitere Details, die Alexa in ihrer kindlichen Weltanschauung so erzählt. So
geht es um Oma Jo, die damals im 2. Weltkrieg vor den Nazis floh. Alexa wusste
gar nicht, dass es auch einen zweiten Weltkrieg gab. Da meinte meine gerade
11-jährige Tochter, dass sie über den auch noch nie in der Schule gesprochen
hätten.... Oje, in meiner Kindheit war es noch ständiges Thema, aber damals
lebten ja noch ganz viele Zeitzeugen. Die heutigen Zeitzeugen berichten von
Krieg und Flucht und saßen genau bei diesem Kind in der Grundschulklasse,
lebten aber im Kreise ihrer Familien. Die Vorstellung ohne Eltern und
Geschwister und Katze leben zu müssen, war für sie unfassbar. So geht einem
Ahmets Geschichte unter die Haut, aber auch Alexas. Birte Schnöink schafft es
dabei ganz wunderbar Alexas 9 ¾ jährigen Ton zu treffen, ihre Sorge,
Betroffenheit, Wut, Freude, Verunsicherung, die ganze Bandbreite der Gefühle.
Dabei schafft sie es mit unnachahmlicher Leichtigkeit durch die von Alexa
eingenommene Perspektive unsere ganze Familie auch immer wieder zum Lachen zu
bringen. Dieses Hörbuch hat uns alle (inklusive der Kinder von 11 und 13
Jahren) bewegt, berührt, nachdenklich gemacht, aber auch wirklich fröhlich
lachen lassen. Wir haben die Freunde nicht ausgelacht, sondern mitgelacht. Es
geht also nicht um eine düstere Geschichte, die Kinder traurig macht. Nein, es
gelingt der Autorin, ebenso wie der Sprecherin, die Zuhörer mit auf ein
ausgesprochen spannendes Abenteuer mitzunehmen, dass natürlich am Ende gut
ausgeht. Zum Glück ist den Kindern erst hinterher bewusst, wie gefährlich ihre
Mission war und dass da durchaus einiges hätte schief gehen können, hätten sie
nicht das Glück gehabt, auf so viele nette, verständnisvolle Menschen zu
treffen, wie den nettesten Taxifahrer neben Onkel Lenny. Leider müssen sie
später durch den Kontakt mit den Medien feststellen, dass es auch andere
Menschen gibt und man sich daher besser nicht zu sehr auf sein Glück verlassen
sollte....
Wir sprechen auch jetzt, Tage später immer mal wieder über einige
Passagen aus dem Buch, und durchleuchten einzelne Aspekte.... Ein Hörbuch das
nachhallt!
Die Autorin hat übrigens selbst auch eine
Flüchtlingshilfsorganisation ins Leben gerufen, um Flüchtlingsfamilien
zusammenzuführen. Mein Mann, dessen Stammschule den Förderschwerpunkt
sprachliche und emotionale Entwicklung ausweist, ist ganz begeistert von Birte
Schnöinks sensibler Interpretation, die einem unter die Haut geht und bisweilen
Gänsehaut oder einen Kloß im Hals erzeugt, um kurz darauf wieder ein Lachen ins
Gesicht zu zaubern!
Vielen lieben Dank an die Hörcompany für dieses sensible und
außergewöhnliche Hörbuch, dass bei uns zu intensiven Familiengesprächen führte,
an die Hörcompany
Hier findet Ihr eine Hörprobe
#zuhausehören #hörbuchliebe #ichhöremeinbuch #allrefugeesmatter
#derjungeausderletztenreihe #birteschöink #hörcompany #hörbuchblogger
#hörbuchtipp #kinderbuchtipp #unbegleiteteflüchtlinge #flüchtlingsdrama
#buckinghampalace #meetingthequeen #
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen