Samstag, 14. März 2020

Highrise Mystery: Ein tödlicher Sommer, Sharna Jackson, Knesebeck Verlag



Highrise Mystery: Ein tödlicher Sommer, Sharna Jackson, Knesebeck Verlag
Es ist drückend heiß im Juli in London, besonders in der Betonwüste des Wohnprojekts „The Tri“. Die Schwestern Norva (13) und Anika (11, kurz Nik) Alexander sind die Töchter des alleinerziehenden Hausmeisters. Von ihrer früheren Babysitterin und jetzigen Jungpolizistin Katie haben sie die Liebe zu Krimis und Ermittlungen gelernt. Sie haben sie auch für ihre Prüfungen zur Zulassung zum Polizeidienst abgefragt und kennen daher das Handbuch des Polizeiprocedere auswendig. Also verkürzen sie sich ihre Zeit mit „Ermittlungen“, auch wenn bislang noch kein großer Bedarf bestand, aber es schadet ja nie, Augen und Ohren offen zu halten. Die Nasenflügel sollte man besser verschließen, denn es stinkt ganz erbärmlich, aber außer ihnen scheint sich niemand daran zu stören. Doch als ihr überpünktlicher Kunstdozent nicht im Gemeinschaftsraum, wie vereinbart, auftaucht, folgen sie ihrer Nase und finden Hugos Leiche in einem Müllsack im Müllcontainer. So hatten sie sich ihren ersten Fall nicht vorgestellt, auch nicht, dass einer ihrer Nachbarn und Freunde ein Mörder sein muss. Als aber ihr Vater als Verdächtiger Nummer 1 geführt wird, wird es ernst und Niks analytischer Verstand und Norvas Intuition sind gefragt!
The Tri ist ein Albtraum aus Beton, wie ihn die meisten nur aus Fernsehkrimis kennen, weil dort Drogensüchtige, Dealer, Hehler, Mörder und sonstiger Abschaum leben. Die Gewalt eskaliert, aber dies ist ein Jugendbuch und natürlich leben auch in solchen Anlagen einige anständige Menschen und dies vor allem in Corner 3 in 22. und 21. Stock, direkt bei Nik und Norva in der Nähe. Die zwei sind grundverschieden und aufgrund ihres Altersunterschieds auch ganz unterschiedlich stark von der Pubertät betroffen. So ist Norva total verknallt in den 16 jährigen Mark, den Helfer ihres Vaters, worüber Nik und die Leser nur entgeistert den Kopf schütteln können. Abgesehen von der Fehleinschätzung hinsichtlich Marks Dreamboy-Potenzial, sind die beiden aber wirklich aufmerksame Beobachterinnen. Zu dumm nur, dass sie wegen Norvas Leidenschaft für die Krimiserie „Death in Paradise“ das entscheidende Hausmeeting verpasst haben, das ihren Vater überhaupt erst zu einem Verdächtigen werden ließ. Aber auch Nik kannte Hugo anscheinend nicht so gut, wie sie dachte, auch wenn es ihre Trauer nicht schmälert. Langsam fangen sie an sich zu fragen, was ihnen denn sonst noch so alles entgangen ist. Ihre Beobachtungen und Überlegungen sind ebenso treffend wie witzig. Merkwürdige Dinge passieren um sie herum, die sie erst einmal einordnen müssen.
Der Schreibstil gefällt mir unheimlich gut. Er ist spritzig und roh, authentisch und frech. Sowohl untereinander, aber auch gegenüber ihren Nachbarn nehmen die Mädels kein Blatt vor den Mund, ohne dabei vulgär oder verrohend zu wirken. Sie wachsen unterprivilegiert auf und machen das Beste daraus. Ihre bescheidene Herkunft ist ihnen bekannt, aber das ist doch kein Grund aufzugeben. Sie haben Herz und Verstand und nutzen diese. Dennoch ist es verletzend für sie, wenn sie bisweilen die abfälligen Bemerkungen, auch im Netz, über sich und ihre Nachbarn mitbekommen. Sie sind motiviert und träumen von einem Leben als Ermittlerinnen. Hier ist ihre Chance, es den erfahrenen Profis zu zeigen und ihre Familie damit zu schützen! Außerdem finde ich den Kontrast zwischen den ungleichen Schwestern sehr amüsant. Norva mit ihren langen Braids, die vor allem gefühl- und hormongesteuert ist bildet einen starken Kontrast zu der jüngeren, kahlrasierten Schwester, die auf Logik und Fakten fixiert ist.
Mit der Zeit verdichtet sich die Vorahnung des Lesers auf den Täter, aber das Motiv und die Tatwaffe sind ausgesprochen ungewöhnlich. Das hat mir wirklich gut gefallen, dadurch hat man zwar ein klares Bauchgefühl, aber es fehlt die Klarheit, das Wieso, weshalb, warum, für die die Leser letztendlich auf die Nhoch2 angewiesen sind. Aber das macht nichts, es ist einfach spannend, verwirrend, authentisch und macht Spaß!
Ein Krimi der mir sehr gut gefallen hat und den ich auch gerne weiterempfehle.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für dieses Vorableseexemplar.

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