Der Fall der linkshändigen Lady – Ein Enola Holmes Krimi, Nancy Springer,
Knesebeck
Nachdem die 14 jährige Enola Holmes, die kleine Schwester von Sherlock und
Mycroft eine Betrügerin entlarvt hat, hat sie inkognito deren Büroräume
übernommen und residiert dort nun als Dr. Ragostin, wissenschaftlicher
Perditor. Denn solange ihre Brüder sie suchen und in ein Internat für höhrere
Töchter schicken wollen, ist dies ihre einzige Möglichkeit in Freiheit zu
leben. Ihr erster potenzieller Kunde ist ausgerechnet Dr. Watson, der Dr.
Ragostin beauftragen möchte Sherlocks kleine Schwester zu finden. Dabei verrät
er Enola unabsichtlich, daß der große Sherlock die Übernahme des Falles der
verschwundenen 14-jährigen Lady Cecily abgelehnt hat. Solche Fälle seinem ihm
zu langweilig, nicht jedoch seiner Schwester, die neugierig ist, was mit ihrer
Altersgenossin geschehen ist. In einer weiteren Identität sucht sie die Mutter
des verschwundenen Mädchens auf. Ein Blick in deren Zimmer ist wie ein Blick in
ihre geheime Seele. Genau wie sie, sehnte sie sich nach Freiheit und sollte
dennoch in die Zwänge ihres Geschlechts in der damaligen Zeit gepresst werden.
Ganz klar ein Fall für sie!
Wie auch schon im ersten Fall, werden immer wieder die Rolle der Frau in
der Gesellschaft im Jahre 1889 in den verschiedenen Schichten thematisiert.
Egal welcher Schicht man als Mädchen oder Frau angegehörte, so war man doch
immer in eine Rolle gepresst. Nun wird die Gesellschaftskritik jedoch
erweitert, denn nicht nur Frauen und Mädchen waren ohne Rechte, eigentlich der
Großteil der Gesellschaft. Ein Grund für Karl Marx sein monumentales „Das
Kapital“ zu verfassen. Wie die junge Perditorin nun erleben muss, gibt es noch
viel mehr Menschen, die sich über die Klassenunterschiede und Zwänge in London
aufregen, als nur sie. Doch viele greifen zu anderen Mitteln, die nicht immer
friedlich sind. So gerät sie in große Gefahr. Je mehr sie diese am eigenen Leib
spürt, desto mehr bangt sie um die junge Cecily, die spurlos verschwunden zu
sein scheint.
Der zweite Band ist deutlich spannender als der erste und konzentriert sich
auch wirklich mehr auf den Fall, als auf seine Ermittlerin. Auch kommt das
Verschwinden der jungen Adeligen viel früher zur Sprache. Zwar sind die
familiären Hintergründe im Auftaktband interessant gewesen, haben für meinen
Geschmack aber zu viel Raum eingenommen. Diesmal sind sie wie ein roter Faden,
der sich durch die Geschichte zieht, ohne diese jedoch zu erdrücken. Dabei
reagieren sowohl die Perditorin, als auch der Meisterdetektiv diesmal sehr
emotional, wodurch ihnen Fehler unterlaufen. Doch wer wird wird durch diese
Fehler mehr Schaden nehmen, Bruder oder Schwester? Sehr untypisch die
Mitglieder der Familie Holmes von der Logik abweichen zu sehen, aber durchaus
reizvoll, gerade für die Zielgruppe junger Damen. Für diese finde ich sehr gut,
die sozialen Misstände dieser bisweilen verklärten Zeit und die sozialen
Errungenschaften, die wir seitdem erfahren durften klar und deutlich vor Augen
zu führen. Sprachlich ist es für die Zeit und die Zielgruppe angemessen und gut
verständlich zu lesen. Einen erläuternden Anhang zu den angerissenen
politischen Ereignissen und Anschlägen hätte ich aber noch ganz schön gefunden.
Ich bin etwas hin- und hergerissen, was ich von der Auflösung des Falles
halten soll. Einerseits finde ich es etwas unglaubwürdig, andereseits passt es
aber gedanklich und von der Weltsicht her zur damaligen Zeit und zu den
klassischen Holmesfällen. Auch die Vielzahl an Tarnidentitäten und
Verkleidungen passt zu dem klassischen Detektivroman. Ganz eindeutig ist dieser
Band aber kurzweiliger als der erste und
auch spannender. Er hat mir wirklich gut gefallen!
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für diese spannende
Fortsetzung.
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